Das hat man auch selten, dass der eigene Verteidiger den Mandanten in die Pflicht nimmt. Jedoch schien es Rechtsanwalt Philipp Schwager ein Bedürfnis zu sein, dem Angeklagten, dem er in einem Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung, Beamtenbeleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zur Seite stand, die Wacht anzusagen.
Der Mann, der der Reichsbürgerszene zugeordnet werden konnte, soll sich im Dezember 2023 in einem Ort in der VG Hamm gegen die Vollstreckung eines gegen ihn gerichteten Haftbefehls gewehrt haben, wobei er einem Beamten Tierschutzspray ins Gesicht gesprüht und auch die anderen Beamten heftig attackiert haben soll. Einem Beamten habe er die Hoden gequetscht. Im weiteren Verlauf habe er die Beamten, denen letztlich seine Festnahme gelungen sei, massiv beleidigt.
„Also, wenn wir wirklich noch 1871 hätten und die Gesetze von damals anwenden würden, würden die Betroffenen ganz schön doof aus der Wäsche gucken.“
Verteidiger Philipp Schwager
„Also, wenn wir wirklich noch 1871 hätten und die Gesetze von damals anwenden würden, würden die Betroffenen ganz schön doof aus der Wäsche gucken“, befand Verteidiger Schwager mit Blick auf die Reichsbürger-Szene und fragte in einem Atemzug, welche Situationen es sind, die einen Menschen für „einen solchen Schwachsinn empfänglich machen“.
Ferner mahnte er seinen Mandanten, jetzt bloß nicht im Anschluss wieder zu versuchen, die ganze Autorität infrage zu stellen. „Es ist gut, dass die Zeiten des Dorfprangers vorbei sind, wo man mit Äpfeln und Kartoffeln beworfen wurde.“
Angeklagter will von der Reichsbürgerszene nichts mehr wissen
Im Prozess selbst kamen die verletzten Polizeibeamten zu Wort, die damals versucht hatten, den Haftbefehl zu vollstrecken. Immerhin gab der Mann zu, dass er sich in die Reichbürgertheorien verrannt und falsch gehandelt habe.
Dass Staatsanwalt Michael Seibert am Ende des Prozesses in seinem Plädoyer „nur“ eine Bewährungsstrafe forderte, hatte vor allem damit zu tun, dass der Angeklagte sich reuig und geständig zeigte und zudem betonte, sich mittlerweile „von dem Scheiß“ entfernt zu haben.
„Das war eine richtige Assi-Aktion, durch den Türspalt so viele Beamte außer Gefecht zu setzen.“
Die Vorsitzende Richterin
Über Facebook sei er in die Reichsbürgerszene gerutscht. Weil er wegen Volksverhetzung eine Geldstrafe kassiert hatte, waren die Polizisten überhaupt erst im Dezember 2023 zu dem Mann gefahren, der nicht gezahlt hatte und bei dem damals ein Haftbefehl vollstreckt werden sollte. Vier Beamte wurden verletzt bei der Aktion.
Die Vorsitzende Richterin verurteilte den Mann dann auch zu einem Jahr Freiheitsstrafe, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Außerdem soll er 200 Sozialstunden ableisten. Auch sie fand harte Worte nach der Urteilsverkündung. „Das war eine richtige Assi-Aktion, durch den Türspalt so viele Beamte außer Gefecht zu setzen“, befand sie kopfschüttelnd.
Reue und Geständnis führten zur Bewährungsstrafe
Sie honorierte allerdings, dass der Mann sich nach dem Urteil noch einmal an die als Zeugen geladenen Polizisten wandte, um sich persönlich zu entschuldigen. „Das hat mir während des Prozesses gefehlt“, so die Richterin, die ergänzte: „Sie können heilfroh sein, dass die Beamten auch für Ihre Sicherheit unterwegs sind.“