Es herrscht Schockstarre bei gläubigen Katholiken aus dem Wildenburger Land und dem benachbarten Oberbergischen Kreis. Eine am Wochenende in allen Gottesdiensten der Pfarreiengemeinschaft Morsbach-Friesenhagen-Wildbergerhütte verlesene Bekanntmachung hat sie wie ein Schlag getroffen: Der Seelsorger, der seit fast zwölf Jahren in dem Pfarrsprengel beiderseits der Landesgrenze als Leitender Pfarrer wirkt, ist in Folge einer polizeilichen Ermittlung bis auf Weiteres von seinem Dienst freigestellt. Das bestätigt die Pressestelle des Erzbistums Köln am Montag auf Anfrage unserer Zeitung.
Erzbistum Köln betont Unschuldsvermutung
„Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, gibt das Erzbistum mit Blick auf die bis zum Abschluss des Verfahrens geltende Unschuldsvermutung derzeit keine weitere Stellungnahme ab“, heißt es weiter. Die regional eigentlich zuständige Staatsanwaltschaft Bonn verweist auf Nachfrage unserer Zeitung an Oberstaatsanwältin Lisa Klefisch, zuständig für die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit in der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC NRW). Diese Stelle führt in Nordrhein-Westfalen landesweit E rmittlungsverfahren von herausgehobener Bedeutung im Bereich der Computerkriminalität durch und ist bei der Staatsanwaltschaft Köln angesiedelt – ein Indiz, dass auch das Verfahren gegen den Morsbacher Geistlichen in diesem Bereich verortet sein könnte.
Pressesprecherin Klefisch blockt jedoch alle weitergehenden Nachfragen zu dem Fall ab. „Im Hinblick auf zu wahrende Persönlichkeitsrechte werden Auskünfte zu einem etwaig hier anhängigen Ermittlungsverfahren nicht erteilt“, heißt es von ihr lediglich. Noch nicht einmal ein laufendes Ermittlungsverfahren wird auf Anfrage bestätigt. Was dem beliebten Pfarrer konkret vorgeworfen wird, bleibt also vorerst unklar.
Doch eine Gottesdienstbesucherin berichtet von einer wichtigen Einschränkung, die der Zelebrant, ein Pfarrvikar, dem Proklamandum, wie eine solche Bekanntmachung im Kirchendeutsch heißt, nachgeschoben habe. „Er hat gesagt, dass es nicht um sexuellen Missbrauch gehe“, berichtet die engagierte Katholikin, die am Sonntagvormittag die Heilige Messe in der Pfarrkirche St. Gertrud in Morsbach mitgefeiert hat.
Pfarrer führte Pfarreiengemeinschaft seit 2013
Der Pfarrer selbst reagierte nicht auf eine Anfrage unserer Zeitung zu den Vorwürfen. Gegenüber der „Kölnischen Rundschau“ erklärt er aber, er habe selbst um seine vorübergehende Entbindung gebeten – und kritisiert das Erzbistum dafür, dass dieser Umstand in dem Proklamandum nicht erwähnt wird. Was man ihm konkret vorwirft, dazu äußert er sich gegenüber dem Kölner Blatt nicht.
Wie stark Gläubige von der Nachricht getroffen wurden, spiegelt die Reaktion einer Frau wieder, von der unsere Gesprächspartnerin aus Morsbach berichtet. „Sie hat angefangen zu weinen und gerufen: Das darf doch nicht wahr sein, nicht schon wieder.“ Erklärlich ist diese Reaktion durch einen Vorgang, der bereits Anfang 2011 zur Suspendierung des damaligen Gemeindepfarrers führte. Dieser wurde von all seinen kirchlichen Aufgaben entbunden, nachdem bekannt geworden war, dass er wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes rechtskräftig zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Nach einer zweijährigen Übergangsphase wurde dann im September 2013 der nun suspendierte Seelsorger als neuer Leitender Pfarrer eingeführt.

Warum ein Déjà-vu jetzt das falsche Gefühl ist
Die Suspendierung des Pfarrers erinnert viele Gläubige aus Friesenhagen und Umgebung an das Trauma von 2011, als der damalige Pfarrer quasi über Nacht von all seinen Aufgaben entbunden wurde. Warum dieser Vergleich in die Irre führt.
Entsetzen herrscht auch bei Rainer Nußbaum aus Friesenhagen-Bettorf vor, der bereits in der Vorabendmesse in Morsbach von der Suspendierung des Pfarrers erfuhr. Der tiefgläubige Katholik errichtete auf seinem Grundstück eine Kapelle zu Ehren der Heiligen Rita, nachdem seine Frau Rita von einer schweren Krankheit gesundete. Der Leitende Pfarrer segnete 2016 die Kapelle ein und setzte sich in einem Brief ans Erzbistum auch dafür ein, dass die Nußbaums die Genehmigung zur Aufstellung eines Tabernakels erhielten. Noch Anfang April habe der Geistliche in der Kapelle einen Gottesdienst zelebriert. „Wir machen das, was wir tun können. Wir beten für ihn“, sagt der Förster im Ruhestand.
Kaplan übernimmt Aufgaben
Als Pfarrverwalter übernimmt Kaplan Markus Brandt die Aufgaben des Leitenden Pfarrers, solange dieser vom Dienst freigestellt ist, teilt das Erzbistum Köln mit. In den anstehenden Kar- und Ostertagen können alle Gottesdienste wie geplant stattfinden. Dies gilt ebenso für die Gottesdienste zur Feier der Erstkommunionen. mif