Dafür hat der Bundeslandwirtschaftsminister zum einen keine Zeit und zum anderen auch eine Anwaltskanzlei, die von ihm eine Vollmacht dafür besitzt, solche Anfeindungen im Netz zur Anzeige zu bringen. Diese Kanzlei war es auch, die im Juli 2022 Anzeige gegen Unbekannt wegen Beleidigung stellte und zwar, nachdem der Angeklagte zuvor im April desselben Jahres Özdemir unter einem Post als „Drecksack“ diffamiert hatte.
Der Mann, ein 63-jähriger Frührentner aus der VG Altenkirchen-Flammersfeld, zog es vor, vor Gericht nichts zum Tatvorwurf zu sagen. „Ich hab das gleich wieder gelöscht“, sagt der Angeklagte nur, was Kopfschütteln beim Vorsitzenden Richter David Kirscht auslöste. „Dann können Sie sich doch auch zu der Sache selbst äußern“, sagte Kirscht, doch von der Anklagebank kam ihm nur beharrliches Schweigen entgegen.
Sie schweigen jetzt, Sie Internet-Rambo. Großer Mund im Netz, aber wenn es hier drauf ankommt, dann nix.
Richter David Kirscht
Entsprechend kurz war der Prozess. Der Anklagevertreter verlas den Strafbefehl und nach Sichtung der Beweisstücke in der Akte (unter anderem ein Screenshot des Facebook-Accounts, den der Mann unter seinem Klarnamen betreibt) – wurde die Beweisaufnahme dann auch schon wieder geschlossen. Der Staatsanwalt führte an, dass bei einer öffentlichen Beleidigung die Spanne von einer Geldstrafe bis hin zu zwei Jahren Haft gehe, er hielt es dem Angeklagten jedoch zugute, dass dieser bislang keine Vorstrafen hat, weshalb er 40 Tagessätze à 40 Euro forderte sowie die Übernahme der Verfahrenskosten.
Verteidigerin Sabine Drews hingegen forderte für ihren Mandaten Freispruch. Sie fand, dass die pauschal von Özdemir erteilte Vollmacht aus dem Jahr 2021 nicht ausreiche und sah damit keinen wirksamen Strafantrag gegeben. Nach einer kurzen Unterbrechung machte Kirscht jedoch in seinem Urteil sehr deutlich, was er von der Sache hielt. Er befand den Angeklagten für schuldig und verhängte entsprechend die von der Staatsanwaltschaft geforderten 40 Tagessätze à 40 Euro.
Özdemirs Vollmacht sei durchaus wirksam, so Kirscht, der äußerst verärgert reagierte, als der Angeklagte ihm bei der Urteilsverkündung ins Wort fallen wollte: „Sie schweigen jetzt, Sie Internet-Rambo. Großer Mund im Netz, aber wenn es hier drauf ankommt, dann nix“, donnerte er und gab dem Angeklagten noch mit: „Sie lassen sowas in Zukunft lieber.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Mann kann dagegen noch in Berufung gehen.