Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Mainzer Landtag nahezu einmütig ein neues Ehrensoldgesetz beschlossen, von dem seit Jahresbeginn unter anderem hauptamtliche Bürgermeister profitieren. Für sie gibt es jetzt Ehrensold „on top“. Deutliche Kritik an der neuen Regelung kommt aus dem Kreishaus in Altenkirchen, obwohl Landrat Peter Enders selbst zu den Profiteuren gehört. Mit ihm und Justiziar Norbert Schmauck sprachen wir in einem Doppelinterview, warum sie dem Gesetz so ablehnend gegenüberstehen.
Zum 1. Januar ist in Rheinland-Pfalz das neue Ehrensoldgesetz in Kraft getreten. Was sind die Kernpunkte der Veränderung?
Schmauck: Frühere ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister erhalten nach ihrer Amtszeit einen Ehrensold, wenn sie das Amt in derselben Gemeinde insgesamt mindestens zehn Jahre hindurch wahrgenommen haben. Im Wesentlichen gibt es jetzt zwei Änderungen. Bislang galt, dass der Anspruch auf Ehrensold ruhte, solange man als Beamter oder Arbeitnehmer hauptberuflich im Öffentlichen Dienst beschäftigt ist. Dieser Ruhenstatbestand wird nunmehr gestrichen. Ehrensold und Besoldung beziehungsweise Arbeitsentgelt können jetzt gleichzeitig bezogen werden. Gravierender ist aber die zweite Änderung: Hauptamtliche Wahlbeamte erhielten bislang, wenn sie gleichzeitig auch ein Ehrenamt ausgeübt haben, nicht noch zusätzlich den Ehrensold obendrauf. Dies wurde nunmehr, auch für die bereits ausgeschiedenen ehemaligen Verbandsgemeindebürgermeister, geändert, sodass der ehrenamtliche Ehrensold zusätzlich zur Pension gezahlt wird.
Wer profitiert von der neuen Regelung, in welchem finanziellen Rahmen bewegt sie sich für den Einzelnen?
Schmauck: Profitieren werden hauptamtliche Wahlbeamte, Beigeordnete und Landräte, aber in erster Linie Verbandsgemeindebürgermeister, die irgendwann in ihrer Dienstzeit auch einmal ehrenamtlich tätig waren. Denn gerade Verbandsgemeindebürgermeister sind häufig in Personalunion auch Stadtbürgermeister. Hauptamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Verbandsgemeinden erhalten, je nach Größe der Verbandsgemeinde und dem Erreichen der erforderlichen Dienstjahre eine monatliche Pension, die im besten Fall 7500 Euro brutto erreichen kann. Dies soll nicht in Zweifel gezogen werden und ist auch sicher begründbar. Nicht begründbar ist aber, dass durch die Gesetzesänderung im günstigsten Fall bis zu 1000 Euro nun hinzukommen.
„Der Landesgesetzgeber verkennt, dass man hier den gesellschaftspolitischen Konsens verlässt.“
Landrat Peter Enders
Der Landkreis Altenkirchen hat im Vorfeld der Verabschiedung in einer Stellungnahme an den Landkreistag den warnenden Zeigefinger gehoben. Was sehen Sie kritisch an dem neuen Gesetz?
Enders: Leider gab es von der kommunalen Ebene kaum Widerstand gegen das Gesetzesvorhaben. Erst auf meine Initiative hin hat sich der Landkreistag entsprechend positioniert. Der Landesgesetzgeber verkennt, dass man hier den gesellschaftspolitischen Konsens verlässt. Einer politischen Entscheidung sollte eine breite Akzeptanz innerhalb der Bürgerinnen und Bürger inhärent sein. Das sehe ich bei Weitem nicht. Es gibt auch andere ehrenamtlich Tätige, etwa bei der Feuerwehr, die wurden bei der Neureglung komplett ausgespart.
Warum lief das Gesetzgebungsverfahren so „geschmeidig“ ab? Nicht einmal aus den Reihen der Opposition gab es im Landtag kritische Stimmen. Hat Sie das überrascht?
Enders: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass die Initiative zur Gesetzesänderung aus dem Landtag selbst herauskam. Vielmehr haben offensichtlich einige ehemalige Verbandsgemeindebürgermeister Druck ausgeübt. Von den Landtagsfraktionen gab es kaum Widerstand.
„Durch das System der Kommunalfinanzen wird diese Erhöhung letztlich über die Realsteuern und insbesondere die Grundsteuer B zu finanzieren sein.“
Justiziar Norbert Schmauck
Auch der kommunale Aufschrei hielt sich in Grenzen. Warum sind Sie mit ihren Mahnrufen letztlich nicht durchgedrungen?
Enders: Einerseits sind die Neuregelungen nach wie vor nicht bekannt. Andererseits sind in aller Regel die Ortsgemeinden und Städte betroffen. Die ehrenamtlichen Räte kommen bei diesen intransparenten Regelungen an ihre Grenzen. Selbst kleine betroffene Ortsgemeinden bis 750 Einwohner müssen, eine durchschnittliche Lebenserwartung des Ehrensoldberechtigten unterstellt, 60.000 bis 70.000 Euro dafür aufbringen. Da bleibt nicht mehr viel zur Dorfgestaltung. Ich denke, das Bewusstsein für die Folgen dieser Regelung wird noch kommen.
Wie schätzen Sie die Argumentation des Landes ein, mit dem Gesetz das Ehrenamt in Rheinland-Pfalz stärken zu wollen?
Enders: Das ist Augenwischerei. Wer den Ehrensold erhält, bekleidet doch gar kein Ehrenamt mehr, sondern ist zwangsläufig bereits ausgeschieden. Ich kenne Anspruchsberechtigte, die vor vierzig Jahren einmal ein Ehrenamt hatten und jetzt profitieren. Die Anhebung der Aufwandsentschädigung der Ortsbürgermeister wäre eine Stärkung des Ehrenamtes gewesen. Eine Zusatzversorgung für ehemalige Berufspolitiker ist aber nichts anderes als Klientelpolitik.
„Die Anhebung der Aufwandsentschädigung der Ortsbürgermeister wäre eine Stärkung des Ehrenamtes gewesen.“
Landrat Peter Enders
Wer kommt für die Mehrkosten auf, die die neue Regelung zweifelsohne ja verursacht?
Schmauck: Durch das System der Kommunalfinanzen wird diese Erhöhung letztlich über die Realsteuern und insbesondere die Grundsteuer B zu finanzieren sein. Wer die Neugewährung des Ehrensoldes für angemessen erachtet, muss es auch als angemessen ansehen, wenn der nunmehr gewährte Ehrensold durch die Erhöhung der Grundsteuer von Familien, Geringverdienern, Alleinerziehenden und Rentnerinnen und Rentner bezahlt wird.
Zu den Begünstigten des Gesetzes zählen ja auch Sie als ehemaliger Ortsbürgermeister von Eichen. Dennoch haben Sie sich kritisch geäußert. Etwas ketzerisch gefragt: Was stört Sie daran, mehr Geld zu bekommen?
Enders: Grundsätzlich nichts, man muss aber noch in den Spiegel sehen können. Wir wissen alle, wie schwer es für viele Menschen ist, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sehr viele Rentnerinnen und Rentner haben ihr Leben lang hart gearbeitet und liegen im Alter irgendwo im Bereich der Mindestrente. Ich fühle mich verpflichtet, für diese Menschen auf die Ungerechtigkeit, so wie ich es empfinde, hinzuweisen. Bei den aktuell laufenden Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst sagt man, wahrscheinlich aus guten Gründen, dass man an die Grenze des Machbaren seitens der Dienstherrn gegangen sei. Diese Grenze scheint es für ehemalige Berufspolitiker aber offensichtlich nicht zu geben.

Diese neuen Gesetze gibt es 2025 in Rheinland-Pfalz
Neues Jahr, neues Recht: In Rheinland-Pfalz sind seit Jahresbeginn mehrere Gesetze in Kraft getreten, die im Jahr zuvor beschlossen wurden. Mehr Geld gibt es demnach für die Bildung, Spielbankbetreiber hingegen müssen mit Steuernachzahlungen rechnen.
Lässt sich die Zahl derer im Kreis Altenkirchen benennen, die von der Gesetzesänderung profitieren?
Schmauck: Selbst das Land sah sich außerstande, hier Zahlen zu nennen. Aktuell würden wir von rund zehn Berechtigten im Landkreis ausgehen.
Haben Sie ins Kreishaus Rückmeldungen erhalten, die Ihre kritische Haltung zu dem Gesetz vielleicht auch angegriffen haben?
Enders: Ein einzelner ehemaliger Verbandsgemeindebürgermeister hat sich über unsere kritische Stellungnahme beschwert, ansonsten gilt wohl eher die Vogel-Strauß-Taktik.