Rohstoffe bei Bilanz häufig außen vor - Energieagentur und Verbraucherzentrale beraten Bauherren zum Thema Versorgung
Neubau oder Sanierung: Das sollten Bauherren im Kreis Altenkirchen über „graue Energie“ wissen
„Stein auf Stein“ heißt es nicht nur in einem beliebten Kinderlied. In vielen Neubaugebieten herrscht diese Bauweise immer noch vor. Foto: Markus Kratzer
Markus Kratzer

Kreis Altenkirchen. Der Neubau eines Wohnhauses wird häufig als eine ökologische Entscheidung verkauft, weil im Gebäudeenergiegesetz (GEG, zuvor in der Energieeinsparverordnung Enev) bestimmte Mindeststandards festgelegt sind, um Energie im Betrieb einzusparen. Allerdings ist der Neubau eines Hauses sehr energieaufwendig. „Aus rein ökologischer Sicht ist die Sanierung eines bestehenden Gebäudes zu bevorzugen. Man sollte sich also die Frage stellen, ob es ein Neubau sein muss“, sagt Bernd Kunz von der Energieagentur Rheinland-Pfalz. Durch die energetische Sanierung eines bestehenden Gebäudes könne der Energiebedarf für den Betrieb so stark reduziert werden, dass ein Neubau ökologisch nicht mehr sinnvoll erscheint. Zudem könne mit der Sanierung eines Altbaus die um sich greifende Flächenversiegelung vermieden werden, argumentiert Kunz.

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Wer sich dennoch für einen Neubau entscheidet, kann schon bei der Planung vieles berücksichtigen, um für eine insgesamt möglichst gute Energiebilanz über den gesamten Lebenszyklus des Hauses zu sorgen, sagt Hans Weinreuter von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. In dieser Planungsphase müssen sich die Bauherren einig über die Ziele werden. „Je klarer diese sind, desto einfacher wird es, diese im Prozess umzusetzen“, betont Weinreuter.

Wandaufbau bietet eine Vielzahl an verschiedenen Möglichkeiten

Um das gesamte energetische System des Hauses zu erfassen, gelte es, den Dämmstandard, die Heizung, die Warmwasserbereitung, die Belüftung, erneuerbare Energien, das Nutzerverhalten sowie die Anzahl der Personen im Haushalt zu betrachten. „Ein ganz wesentlicher Punkt dabei ist der Energiestandard. Der Minimalanspruch ist gesetzlich festgehalten. Am anderen Ende stehen das Passivhaus und das Energie-Plus-Haus“, so Weinreuter. Der Passivhaus-Baustandard beschreibt dabei ein Haus, das seinen Wärmebedarf etwa durch gute Dämmung und Belüftungsanlage mit Wärmetauschern ohne eine klassische Wasser führende Heizung deckt. Das Energie-Plus-Haus erzeugt darüber hinaus zum Beispiel mit einer Fotovoltaikanlage in der Bilanz mehr Energie, als es verbraucht. „Die Möglichkeiten sind vielfältig, aber es muss am Ende zusammenpassen“, sagt Weinreuter.

Nahezu unzählige Möglichkeiten gibt es beim Wandaufbau. Sowohl bei gemauerten Häusern als auch im Holzbau ist die Auswahl der unterschiedlichen Bauweisen groß. „Das ist keine triviale Frage, bei der jeder eine Entscheidung für sich treffen muss“, sagt Weinreuter. Bauträger und Architekten seien hier oft schon recht festgelegt, berichtet der Verbraucherschützer. Für grundsätzliche Fragen wie diese können Bauherren auch die kostenlose Energieberatung der Verbraucherzentralen in Anspruch nehmen, so Weinreuter. Im europäischen Vergleich ist in vielen Ländern wie Holland und Skandinavien der Holzbau Standard. „Dass in Deutschland eher massiv Stein auf Stein gebaut wird, ist emotional historisch gewachsen und wohl eher schwer zu beeinflussen“, sagt Weinreuter. Dabei gilt Holz als nachwachsender Rohstoff als CO2-neutral.

Baustoffproduktion verbraucht häufig mehr Energie als der Betrieb

In der Berechnung des Energieverbrauchs eines Hauses spielen die Rohstoffe für den Bau häufig keine Rolle. Dabei übersteigt die für den Bau benötigte Energie häufig den Bedarf für den Betrieb des Hauses über die durchschnittliche Nutzungsdauer des Hauses. Obwohl besonders bei einem Neubau diese sogenannte graue Energie stark ins Gewicht fällt, beziehen die Planungsprozesse diese nur selten mit ein. Das hänge zum einen damit zusammen, dass die graue Energie sich nicht direkt in den Kosten der Baustoffe niederschlägt. Zum anderen ist es recht komplex, die graue Energie einzukalkulieren. In einer Forschungsarbeit haben Wissenschaftler im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) Möglichkeiten aufgezeigt, wie die graue Energie im Ordnungsrecht oder im Bereich der Förderung berücksichtigt werden könnte. Einen recht zugänglichen Ratgeber zu diesem Thema hat auch etwa das Schweizer Bundesamt für Energie herausgegeben, so Weinreuter.

Was die (Mehr-)Kosten und den Nutzen verschiedener Bauweisen und Investitionen in höhere Energiestandards angeht, hält sich Weinreuter mit Beispielrechnungen zurück und mahnt zur Vorsicht vor zu starker Verallgemeinerung. Dafür gebe es selbst innerhalb der einzelnen Energiestandards eine zu hohe Bandbreite. Aber er hat dafür einen Tipp. „Für Bauherren ist es wichtig zu wissen, dass die Hüllfläche des Hauses der teuerste Bestandteil ist.“ Je komplizierter und verwinkelter der Grundriss des Hauses ausfällt, desto teurer werde es. Zudem sollte man beim Einsatz von großen Glasflächen berücksichtigen, dass sich das Haus dadurch im Sommer stärker aufheizt und im ärgsten Fall eine Klimaanlage nötig werden könnte. In Sachen Kosten beobeachtet der Verbraucherschützer immer wieder, dass Bauherren vor allem auf die Anfangsinvestition schauen, weniger auf die Betriebskosten. „Mit einem Neubau schafft man Fakten für 50 bis 100 Jahre. Vieles lässt sich später nur schwer nachholen“, sagt Weinreuter.

Verbraucherschützer will mit Vorurteilen aufräumen

Die Energieberater der Verbraucherzentrale haben es regelmäßig mit Vorbehalten gegenüber Dämmung und moderner Haustechnik zu tun. Weit verbreitet ist zum Beispiel eine gewisse Angst davor, dass Häuser „zu dicht“ werden. Eine dichte Gebäudehülle sei wichtig, um Energieverluste und das Risiko von Bauschäden zu minimieren. Durch Fugen in der Außenhülle dringe im Winterhalbjahr warme und feuchte Luft nach außen und kühlt dabei ab, Schimmel finde so optimale Wachstumsbedingungen vor. „Je besser ein Haus gedämmt ist, desto besser ist es vor Schimmel geschützt“, sagt der Verbraucherschützer.

Für das Raumklima entscheidend sei der Luftaustausch, dieser findet jedoch nicht über die Wände statt, erklärt Weinreuter. „Auch in einem Passivhaus darf man die Fenster zum Lüften öffnen. Wenn das Haus eine automatische Lüftungsanlage hat, muss man das aber nicht. In allen anderen Fällen muss man zum Lüften die Fenster öffnen.“ Vorbehalte gegenüber Lüftungsanlagen versuche er regelmäßig abzubauen, indem er den Vergleich mit einer Dunstabzugshaube anstellt, die schließlich auch eine Belüftungsanlage darstelle. „Angst vor einer Verkeimung der Anlage ist in der Regel unbegründet, wenn man die Filter regelmäßig reinigt beziehungsweise wechselt“, führt Weinreuter noch aus.

Weitere Informationen und Kontaktdaten gibt es auf den Internetseiten der Energieagentur unter www.energieagentur.rlp.de/ mittelrhein. Mehr zu den Beratungen der Verbraucherzentrale unter www.verbraucherzentrale-rlp.de

Von unserem Redakteur

Philipp Lauer

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