Koblenz/Betzdorf – Es war ein Verbrechen aus der Kategorie „besonders abartig und verwerflich“. Ein Verbrechen, das Menschen mit durchschnittlicher Fantasie für unmöglich halten dürften: Das Landgericht Koblenz hat einen Mann (43) und seine Lebensgefährtin (36) aus Betzdorf zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil beide in der Silvesternacht 2011/ 2012 ihre Nachbarin (38) in ihr Wohnzimmer gelockt – und dann zum Sex gezwungen haben. Er muss wegen Vergewaltigung drei Jahre in Haft, sie wegen sexueller Nötigung sogar vier Jahre. Die Anwälte des Paares wollen das Urteil anfechten. Der Prozess erstreckte sich seit Mitte Juni über zehn Verhandlungstage.
Der Mann und die Frau veranstalteten in jener Silvesternacht in ihrem Keller eine Party. Zur Tatzeit waren sie stockbetrunken, hatten rund 2,5 Promille. Darum waren sie laut dem Urteil nur vermindert schuldfähig. Im Prozess behaupteten beide: Sie erinnern sich wegen ihres Alkoholkonsums nur lückenhaft an die Tatnacht.
Die Frau räumte ein, ihre Nachbarin geküsst und gestreichelt zu haben – aber nur, weil dies angeblich beide wollten. Gewalt habe es nicht gegeben. Und sie behauptete: Ihr Lebenspartner war zwar dabei, aber sie wisse nicht, ob er Geschlechtsverkehr mit der Nachbarin hatte. Der Mann legte ein Teilgeständnis ab. Er erinnere sich angeblich zwar nicht, ob es zum Geschlechtsverkehr kam. Aber: Er räumte ein, dass er einen Fehler gemacht hat. Er hat seiner Nachbarin 3000 Euro Schmerzensgeld überwiesen und sich verpflichtet, noch mal die gleiche Summe zu zahlen.
So kam es laut dem Urteil in der Silvesternacht zur Vergewaltigung: Der Mann, seine Lebensgefährtin und ihre Gäste kommen um Mitternacht vom Partykeller auf die Straße, um den Jahreswechsel zu feiern. Sie liegen sich in den Armen, eine Sektflasche kreist, Raketen zischen zum Himmel. Doch der Mann und die Frau wollen ihre Nachbarin, die auch auf der Straße feiert, zum gemeinsamen Sex drängen – und zwar sofort. Sie überreden sie zu einem kurzen Umtrunk im Partykeller, drängen sie aber ins Wohnzimmer und fallen auf der Couch über sie her. Die Frau beißt ihrer Nachbarin in die linke Brust, der Mann vergewaltigt sie. Einer von beiden schlägt ihr ins Gesicht. Das Martyrium endet erst, als zufällig jemand an der Wohnungstür klingelt. Die Nachbarin rennt nach Hause, sperrt sich im Bad ein. Eine Freundin ruft die Polizei. Das jetzt verurteilte Paar wird wenige Stunden später festgenommen.
Das Gericht geht davon aus, dass das Paar den Sex mit der Nachbarin geplant hat – nicht aber die Schläge und die Vergewaltigung. Anders die beiden Angeklagten. Sie bestritten im Prozess vehement, einen gemeinsamen Plan verfolgt zu haben. Alles sei spontan passiert.
Die Frau – eine mehrfache Mutter – muss länger ins Gefängnis als der Mann. Die Vorsitzende Richterin Monika Fay-Thiemann begründete dies so. Erstens: Er legte ein Teilgeständnis ab und entschuldigte sich – sie nicht. Zweitens: Sie ist im Gegensatz zu ihm vorbestraft, unter anderem weil sie einem Polizisten massiv in den Arm gebissen hat. Drittens: Er war bereit, Schmerzensgeld an die Nachbarin zu zahlen – sie lehnte dies ab.
Die Frau muss ihre Strafe sofort absitzen. Der Mann darf nach Hause, sobald er bei der Polizei seinen Reisepass hinterlegt hat. Das Gericht setzte seinen Haftbefehl außer Vollzug. Er muss seine Strafe erst später absitzen. Das Tatopfer leidet laut seiner Anwältin Rita Holstein-Brass bis heute unter der Tat – körperlich und psychisch. Hartmut Wagner