Alexander D. (Name von der Redaktion geändert) wirkt gefasst und aufgeräumt, wenn er mit zurückhaltender Stimme auf die Fragen des Richters antwortet. Dabei hat es eines der Delikte, weshalb er auf der Anklagebank sitzt, mehr als in sich. Denn dem heute 21-Jährigen wird vorgeworfen, als Heranwachsender im September 2022 in der elterlichen Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld eine Matratze angezündet zu haben – was verheerende Folgen nach sich zog: Zwei Personen, sein eigener Vater und eine Mitmieterin aus dem zweiten Stock, wurden zum Teil lebensbedrohlich verletzt, ein Hausbrand mit einem geschätzten Schaden von rund 500.000 Euro und ein spektakulärer Feuerwehreinsatz mit Drehleiterrettung. Die Anklagevertretung spricht von besonders schwerer Brandstiftung, hinzu kommen noch Diebstähle, ein Verstoß gegen das Waffengesetz sowie eine Sachbeschädigung, die ihm zur Last gelegt werden – im Zeitraum zwischen Dezember 2023 und April 2024.
Das persönliche Umfeld: D. ist der jüngste von drei Söhnen eines Paares, das 2002 aus der Ukraine nach Deutschland gekommen ist. Er wird im Westerwald geboren, besucht hier Kita und Schulen, macht 2020 seinen Hauptschul-, später den Realschulabschluss. Auf dem Weg zum Fachabitur bricht er die Schule ab – wegen Alkoholproblemen, wie er einräumt. Ab 16 habe er regelmäßig Alkohol konsumiert, erst wenig, dann immer mehr. Auch mit Drogen sei er in Berührung gekommen. Seit über einem Jahr habe er jetzt nicht mehr getrunken, er lebt nach Angaben seines Verteidigers Dirk Simon aktuell in einer Einrichtung im Rhein-Lahn-Kreis.
Ein Nachbar schaffte den Vater nach draußen
Die Brandnacht: Der Angeklagte räumt die Tat ein, auch die anderen Delikte, derer er beschuldigt wird. „Ich bin im Affekt ausgerastet“, sagt er. Ja, er habe die Matratze im Zimmer seines Bruders mit einem Feuerzeug angezündet – ohne nachzudenken. Brandbeschleuniger habe er nicht benutzt. „Ich wollte das Feuer löschen, habe es aber nicht geschafft“, berichtet er. Ein Eimer mit Wasser sei durchgebrochen. Plötzlich hätten Flammen aus dem Fenster geschlagen, das Feuer habe sich ausgebreitet, erst auf andere Zimmer, dann auf das ganze Haus. Sein Vater sei im Esszimmer umgekippt, ein Nachbar habe ihn nach draußen geschafft. Er selbst habe die Feuerwehr alarmiert, habe sich aber noch in der Nacht vom Brandort entfernt und sei morgens früh zur Schule gefahren. „Ich wollte so tun, als wäre nichts gewesen“, erklärt er. Von dort habe er dann die Polizei angerufen, die ihn abgeholt und anschließend vernommen hat.
„Ich war psychisch instabil. Es war nur eine Frage der Zeit, bis etwas passiert.“
Der angeklagte Alexander D. zu seinen Beweggründen
Das mögliche Tatmotiv: D. berichtet von massiven Problemen mit seinem älteren Bruder. Der habe ihn geschlagen, auch einmal das Tablet gegen den Kopf geworfen. Um das Verhältnis zu seinem Bruder sei es auch bei einem Gespräch gegangen, das er am Brandabend mit seinen Eltern geführt habe und das in einen Streit gemündet sei. Dann habe er ein Feuerzeug genommen und habe im Zimmer des Bruders dessen Matratze angezündet. Der Bruder sei zu dieser Zeit in einer psychiatrischen Einrichtung gewesen, doch der Angeklagte ging offenbar davon aus, dass er bald wieder nach Hause komme. „Ich wollte das Bett anzünden, damit er da nicht pennen kann“, so D. weiter. „Ich war psychisch instabil. Es war nur eine Frage der Zeit, bis etwas passiert“, bewertet er sein Vorgehen. An besagtem Tag sei er aus der Schule gekommen und habe am Bahnhof in Altenkirchen mit drei Freunden Alkohol konsumiert. „Ich habe da so viel getrunken wie noch nie an einem Tag zuvor“, berichtet er und wird ganz konkret: eine Flasche Rum, eine Flasche Wodka, diverse Flaschen Bier und auch Mischgetränke. Einer seiner Freunde habe ihm ein Taxi organisiert, und so sei er nach Hause gefahren, wo es dann zum Streit mit den Eltern gekommen sei.
Kein Benzingeruch am Brandort
Die ersten Zeugenaussagen: Richter Martin Schlepphorst, der der 9. Strafkammer am Landgericht vorsteht, äußert zum Prozessauftakt Zweifel, ob es überhaupt möglich sei, nur mit einem Feuerzeug eine Matratze anzuzünden. Ganz ausschließen wollte dies ein Brandermittler der Kriminalinspektion Betzdorf nicht, der als erster Zeuge über die Untersuchungen vor knapp drei Jahren informiert. Die damalige Aussage der inzwischen verstorbenen Mutter des Angeklagten, das Feuer habe sich durch Wasser weiter ausgebreitet, deute auf eine brennbare Flüssigkeit hin. Hier sei aber vieles spekulativ, auch eine E-Shisha-Flüssigkeit, die sich möglicherweise im Zimmer des Bruders befunden habe, könne diesen Effekt ausgelöst haben. „Es gab keine gesicherten Anhaltspunkte für einen Brandbeschleuniger“, ergänzt ein inzwischen pensionierter Beamter der Kriminalinspektion Neuwied, der ebenfalls Untersuchungen am Brandort durchgeführt hat. Man habe damals keinen Benzingeruch wahrgenommen. Sein Betzdorfer Kollege berichtet zudem noch von der ersten Vernehmung des Angeklagten, nachdem man ihn damals rußverschmiert von der Schule abgeholt habe. Es seien „konfuse Angaben“ gewesen, die D. gemacht habe. So habe er zunächst auch von einem Mann mit Maske gesprochen, den er an diesem Abend im September 2022 vom Fenster aus beobachtet habe. Der Prozess wird in drei Wochen fortgesetzt.