Rüde GW1896m hat achtmal Schafe in der Region gerissen - Vertreter von Bauern und Behörden treffen sich zum Austausch
Nach mehrfachen Schafsrissen in der Region: „Problemwolf“ könnte Sender bekommen
Tierhalter beklagen: Der Schutz vor dem Wolf ist trotz Förderung teuer und zeitaufwendig. Foto: dpa
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Er hat einen weiten Weg kreuz und quer durch den Süden Deutschlands hinter sich, doch im Westerwald fühlt er sich offenbar seit einigen Wochen heimisch: Der Wolfsrüde GW1896m, zuerst in Bayern nachgewiesen, ist für mindestens acht Nutztierrisse im Westerwald verantwortlich, davon sieben in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld – und wird zum Imageproblem für seine Artgenossen.

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Tierhalter beklagen: Der Schutz vor dem Wolf ist trotz Förderung teuer und zeitaufwendig. Foto: dpa
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Das hat auch das auf dem Leuscheid ansässige Rudel in den Fokus gerückt, obwohl die etwa siebenköpfige „Wolfsfamilie“ sich – bis auf zwei Ausnahmen im vergangenen Jahr – an Reh- und Schwarzwild als Hauptnahrungsquelle hält.

„Wir haben eine besondere Situation“, stellt auch VG-Bürgermeister Fred Jüngerich fest, der aus diesem Grund Vertreter der Bauernschaft und der zuständigen Landesbehörden zu einem Austausch nach Altenkirchen eingeladen hatte, der von einem sachlichen Umgang geprägt war.

Und in einem herrschte Einigkeit zwischen dem Regionalgeschäftsführer des Bauern- und Winzerverbands, Markus Mille, und Kreisvorsitzendem Josef Schwan sowie Moritz Schmitt, Projektleiter der Stiftung Natur und Umwelt (SNU) und Paul Bergweiler, Wolfsbeauftragter der Landesforsten: GW1896m legt ein problematisches Verhalten an den Tag. Stehen üblicherweise bei Wölfen zu 99 Prozent Wildtiere auf dem Speiseplan, so dürfte bei dem Rüden der Anteil der Nutztiere an der Nahrung bei 20 bis 30 Prozent liegen, wie Schmitt schätzt.

Bergweiler geht davon aus, dass es sich bei ihm um einen „Abgänger“ aus einem Rudel in Bayern handelt, der mittlerweile etwa zwei Jahre alt sein dürfte und sich auf der Suche nach einer Partnerin für die Gründung eines eigenen Rudels daran gewöhnt hat, auf Weiden einfache Beute zu finden und nun regelrecht darauf konditioniert ist. Begünstigt werde dies durch mangelnden Herdenschutz, so Schmitt, der gerade bei einem Teil der vielen Hobbyzüchter in der Region immer wieder festzustellen sei, so Schmitt und Bergweiler.

Konstruktiver Austausch: Auf Einladung von VG-Bürgermeister Fred Jüngerich (2. von links) trafen sich in Altenkirchen (von links) Moritz Schmitt (Stiftung Natur und Umwelt), Paul Bergweiler (Landesforsten) sowie Markus Mille und Josef Schwan (Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau).
Michael Fenstermacher

Deshalb brauche es auch für kleine Schafbestände einen ausreichenden Schutz durch Weidezäune mit Strom und fünf statt der üblichen zwei Litzen, unter denen sich der Wolf nicht, seinem arttypischen Verhalten folgend, durchgraben könne. Aufgrund der Ausweisung des gesamten geografischen Westerwalds als Wolfspräventionsgebiet werden solche Maßnahmen zu 100 Prozent vom Land gefördert.

„Natürlich ist das für Hobbyzüchter aufwendiger als für Profis“, betont Schmitt. Dennoch sieht er eher ein Informations- als ein Akzeptanzproblem. Auf der anderen Seite seien aber allein im Kreis Altenkirchen bereits 140 Förderanträge – von landesweit 440 – bewilligt worden. Unterdessen ließen die Wölfe des Leuscheider Rudels aber so manche „Einladung“ zu leichter Beute ungenutzt, so Bergweiler.

Teils habe er Wolfskot in unmittelbarer Nähe zu mehr schlecht als recht gesicherten Weiden gefunden. Wie aber umgehen mit dem Einzelgänger GW1896m? Hier vermissen die Bauernvertreter Antworten aus dem Umweltministerium, das sich, so Mille, „im Tiefschlaf befindet“. Über eine Entnahme, also einen Abschuss des verhaltensauffälligen Wolfs, sei noch nicht einmal diskutiert worden, stellt er fest. Auch Schwan beklagt einen „zu langen Weg von der Basis ins Ministerium“.

Weiterer Nutztierriss

Am 1. Mai ist es laut Moritz Schmitt in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld zu einem weiteren Nutztierriss gekommen. Derzeit wird genetisch überprüft, ob ein Wolf der Verursacher ist. Weitere Details sind nicht bekannt.

Einer generellen Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht – wie zuletzt erneut vom Bundestagsabgeordneten Erwin Rüddel gefordert – erteilt Schmitt eine Absage. Davon seien selbst Bundesländer weit entfernt, in denen viel mehr Wölfe leben. Auch eine direkte Entnahme des „Problemwolfs“ sei nicht der richtige Weg – gerade aufgrund des ansässigen Rudels.

Denn vom Hochsitz aus sei ein Wolf schwer vom anderen zu unterscheiden und wenn statt des Einzelgängers der Leitwolf des Rudels erlegt werde, könne sich das fatal auswirken. Dann könnte GW1896m dessen Rolle übernehmen und das problematische Verhalten auf den ganzen Verbund übertragen.

Schmitt bringt aber eine andere Möglichkeit ins Spiel, die von den Entscheidern im Ministerium erwogen werden könnte. Dabei würde der Wolf mit Betäubungsmunition ruhiggestellt, um ihn anschließend zu besendern und ihm eine DNA-Probe zu entnehmen. „Dann lässt sich feststellen, ob man den richtigen Wolf erwischt hat“, so Schmitt. Falls dann aufgrund weiterer Nutztierrisse eine Abschussfreigabe erfolge, könne der Rüde leicht aufgespürt werden.

Weitere Informationen Schmitts, die von den Bauernvertretern gern gehört wurden, beziehen sich auf die Großviehhaltung. So erstattet das Land Nutztierrissschäden durch den Wolf an Rindern oder Pferden auch weiterhin vollständig, während Schafhalter fast drei Jahre nach der Ausweisung des Wolfspräventionsgebiets Westerwald keine Entschädigung mehr erhalten, wenn ihre Weiden nicht wolfssicher geschützt waren.

Damit trage man der Tatsache Rechnung, dass bei einer extensiven Weidehaltung eine vollständige Umzäunung illusorisch ist, so Schmitt. Allerdings sind Kälber nur zu einem verschwindend geringen Anteil von etwa fünf Prozent betroffen, wenn der Wolf sich an Nutztieren vergreift – und dann meistens kurz nach der Geburt. Durch das Land gefördert wird daher besonders die wolfssichere Einzäunung von Abkalbeweiden für Rinder.

„Das ist ein wichtiges Signal“, sagt Mille zu der Erstattungspraxis. Einen Wermutstropfen sieht er aber weiterhin bei der Unterhaltung der Weidezäune. Diese müssen bis zur untersten Litze erdungsfrei gehalten werden, was für Landwirte ein häufiges Hantieren mit dem Freischneider bedeutet. Vergütet werde dieser Aufwand nur mit einer jährlichen Pauschale von 235 Euro pro Kilometer Zaun. „Das ist aus Sicht der Landwirte zu wenig“, betont Mille.

Voraussichtlich für Juni plant die Stiftung Natur und Umwelt mit Unterstützung der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld eine Infoveranstaltung speziell für Nutztierhalter in der Region Altenkirchen. Noch nicht klar ist, ob diese in Präsenz oder digital stattfinden soll

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