Polizei fand nach Feuer am Gesundheitsamt vor einem Jahr keinen Tatverdächtigen - Ermittler gehen weiter von politischem Motiv aus
Nach Feuer am Gesundheitsamt Altenkirchen: Ermittlungen zu Brandanschlag eingestellt
Durch einen gezielten Brandanschlag wurde in der Nacht zum 27. November 2021 der Eingangsbereich des Gesundheitsamts in Altenkirchen zerstört. Die Polizei fand dort später Brandbeschleuniger. Foto: Markus Kratzer
Kreisverwaltung

Ein gutes Jahr ist es her, seit Altenkirchen von einer kriminellen Tat erschüttert wurde, wie es sie in der Region bisher noch nicht gegeben hatte: In der Nacht auf den 27. November 2021 verübten offensichtlich politisch motiviert Täter einen Brandanschlag auf das Gesundheitsamt. Jetzt wurden die Ermittlungen eingestellt.

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Das Feuer vom November 2021 zerstörte den Eingangsbereich des Gebäudes „In der Malzdürre“ in Altenkirchen, wo die Polizei später Brandbeschleuniger entdeckte.

Dass es sich um einen gezielten Anschlag auf die stark in die Durchsetzung der Corona-Maßnahmen involvierte Behörde gehandelt haben musste, machte die Polizei schon kurz nach der Tat öffentlich. Auch einen Zusammenhang zur Pandemie stellten die Ermittler her. Aufgrund der gezielten Vorgehensweise sei eine Tatmotivation aus Anlass der gesundheitspolitischen Entscheidungen und Maßnahmen nicht auszuschließen, hieß es seinerzeit.

Täter bleiben unentdeckt

Doch zum Jahrestag des Anschlags, den die Rhein-Zeitung zum Anlass nahm, sich bei Polizei und Staatsanwaltschaft nach dem Stand der Ermittlungen zu erkundigen, steht fest: Der oder die Täter werden vermutlich nicht mehr zu ermitteln sein und unbestraft bleiben. „Die Ermittlungen sind abgeschlossen“, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. Das Verfahren sei mit Verfügung vom 12. August 2022 eingestellt worden – mit dem Befund „Täter unbekannt“.

Dabei hatten die Ermittler große Hoffnungen auf Hinweise aus der Bevölkerung gesetzt, an die sie sich mehrfach mit Zeugenaufrufen wandten. So war konkret nach dem Deckel eines Behälters – möglicherweise des Kanisters mit dem Brandbeschleuniger – gefragt worden, den der Täter am Tatort hinterließ – leider ohne Erfolg. Zeugenhinweise gingen nur in sehr geringem Umfang ein.

Wie die Polizei ermittelte

In ihren folgenden Antworten auf die Fragen der Rhein-Zeitung geben die Ermittler einen Einblick in den betriebenen Aufwand und untersuchte Zusammenhänge – etwa zum weiteren Brandanschlag, der nur wenige Wochen später, in der Nacht auf den 7. Januar 2022 das Rathaus in Altenkirchen traf.

Welche neuen Erkenntnisse haben sich durch die Ermittlungen zu dem Brandanschlag ergeben? Welche Ermittlungsansätze wurden konkret verfolgt?

Eine Nachbarschaftsbefragung der umliegenden Nachbarn verlief ohne Ergebnis. Eine kriminaltechnische Untersuchung des Brandschutts sowie einer festgestellten Flüssigkeit am Briefkasten des Gebäudes ergaben den Nachweis von Spuren von Ottokraftstoff, welcher als Brandbeschleuniger eingesetzt worden sein dürfte. Eine Auswertung von Videodateien umliegender Tankstellen hinsichtlich möglicher verdächtiger Kraftstoffkäufe ergab keinen weiterführenden Hinweis. Die Funkzellenauswertung erbrachte ebenfalls keine Täterhinweise.

Die Ermittlungen waren beim Fachkommissariat für politisch motivierte Kriminalität/Terrorismus angesiedelt. Hat sich die Vermutung eines politischen Motivs erhärtet?

Unter Berücksichtigung der damaligen politischen und behördlichen Maßnahmen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie kann in der Gesamtbetrachtung eine politische Motivation nicht ausgeschlossen werden.

Geht die Polizei von einem Zusammenhang zwischen den beiden Brandanschlägen auf das Gesundheitsamt und das Rathaus in Altenkirchen aus?

Die Taten hatten einen gleich gelagerten Modus Operandi, sodass ein Zusammenhang nicht auszuschließen ist.

Stand die sogenannte Querdenkerszene in der Region Altenkirchen unter besonderer Beobachtung beziehungsweise im Fokus von Ermittlungen bezüglich der beiden Anschläge in der Kreisstadt?

Das Spektrum der sogenannten Querdenkerszene fand bei den polizeilichen Ermittlungen Berücksichtigung, gleichwohl wurde in alle Richtungen ermittelt.

Welche Polizeidienststellen waren mit den Ermittlungen befasst?

An den Ermittlungen waren Kräfte der Zentralen Kriminalinspektion Koblenz mit Unterstützung der Kriminalinspektion Betzdorf und der Polizeiinspektion Altenkirchen beteiligt.

Kreisverwaltung hat Videoüberwachung auf ihrem Gelände installiert
Landrat Peter Enders bedauert, dass die Verantwortlichen nicht gefasst wurden. „Ich bin sprachlos angesichts dieser Niedertracht“, hatte er direkt nach dem Anschlag geäußert. Mit einem Jahr Abstand spricht er von einer neuen Form der politisch motivierten Kriminalität, die den Kreis Altenkirchen seinerzeit erstmals getroffen habe.

Als direkte Reaktion habe die Kreisverwaltung auf ihrem Gelände eine Videoüberwachung installiert, dies aber bewusst nicht groß öffentlich thematisiert. Auch persönlich hat der Anschlag beim Kreishaus-Chef Spuren hinterlassen. „Ich gucke mich heute vielleicht einmal öfters um als vorher, wenn ich zu meinem Auto gehe“, berichtet Enders.

Wieder ins Bewusstsein gerückt sei ihm die damalige Situation durch den derzeitigen Prozess zur Nachbesetzung des Kreistagsmandats des verstorbenen früheren AfD-Fraktionschefs Frank Rüther. Als Nachrückerin wäre ausgerechnet eine AfD-Frau in Frage gekommen, die im Januar einen Sturm der Entrüstung auslöste, weil sie den Tätern des Brandanschlags auf das Rathaus mit einem öffentlichen Facebook-Kommentar ihre Sympathie bekundete. Die frühere Kreistagskandidatin aus Birken-Honigsessen lehnte das Mandat jedoch ab.

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