Widerstand formiert sich - Wie die Parteien und Gruppierungen das Wahlergebnis einschätzen und welche Ziele sie jetzt verfolgen
Nach den Wahlen zum Kreistag Altenkirchen: Umgang mit der AfD birgt Zündstoff
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Im neuen Altenkirchener Kreistag sind acht Parteien und Gruppierungen vertreten. Foto: Markus Kratzer
Markus Kratzer

Kreis Altenkirchen. Die politische Farbpalette im AK-Land ist auch durch das Ergebnis der Kreistagswahl eine andere geworden. Acht Parteien und Gruppierungen haben den Sprung in den Kreistag geschafft. Während die CDU sich leicht verbessern kann, müssen die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP Federn lassen. Drittstärkste Kraft ist nun die AfD, neu im Gremium ist die Wählergruppe Käppele. Doch wie bewerten die Parteien selbst ihr Abschneiden, die künftige Arbeit im Kreistag und ihre Schwerpunkte? Wir haben nachgefragt.

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Das sagt die CDU

„Zunächst gilt unser Dank allen Wählerinnen und Wählern für ihr Vertrauen. Unsere beiden Wahlziele konnten wir erreichen: Wir sind weiterhin die mit großem Abstand stärkste politische Kraft im Kreis Altenkirchen und konnten im Vergleich zur vergangenen Wahl einen Sitz dazugewinnen“, betont der CDU-Kreisvorsitzende Matthias Reuber. Dies sei ein klares Zeichen dafür, dass man mit Kandidaten und Themen überzeugen konnte

. „In den kommenden fünf Jahren möchten wir mit einer Politik der Vernunft bürgernah, pragmatisch und lösungsorientiert auftreten und dabei die Schwerpunkte unseres Wahlprogramms umsetzen“, gibt der Landtagsabgeordnete die Marschrichtung vor. Auch wenn die Arbeit im neuen Kreistag „sicherlich nicht einfacher werde“, gibt sich der CDU-Mann „sehr optimistisch“, Mehrheiten finden zu können, um eine vernünftige Politik im Sinne der Bürger zu gestalten.

Das sagt die SPD

„Wir haben uns natürlich mehr erhofft, weil wir in der ablaufenden Wahlzeit wichtige Impulse für die Menschen im Kreis setzen konnten. Mit dem Verlust nur eines Sitzes haben wir besser abgeschnitten als der ,Genosse Trend'“, kommentiert die Co-Vorsitzende der SPD im Kreis, Sabine Bätzing-Lichtenthäler. Das motiviere, weiter kreativ am sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Fortschritt für den Kreis und seine Menschen zu arbeiten.

„Die Suche nach Mehrheiten für den Fortschritt wird wegen der acht Sitze außerhalb des demokratischen Spektrums schwieriger. Die Ampelparteien haben nicht mehr das Gestaltungspotenzial der letzten fünf Jahre. Unsere Überzeugungskraft muss sich daher zwangsläufig intensiver auf die noch stärker gewordene CDU-Fraktion konzentrieren“, argumentiert die Landtagsabgeordnete in Absprache mit ihrem Co-Vorsitzenden Jan Hellinghausen und Spitzenkandidat Bernd Becker. Es sei zu hoffen, dass die Demokraten im Kreistag Gemeinsamkeiten entwickeln.

Schwerpunktthema für die Genossen für die kommenden Jahre soll eine funktionsfähige Gesundheits- und Krankenhauslandschaft sein. „Unsere Initiative ,Jugend und Demokratie' ist mit der Wahlzeit nicht erledigt. Das gilt ebenso für die Ziele des fortgeschriebenen Klimaschutzkonzepts. Bei der Verkehrsinfrastruktur stehen wir vor der Frage, ob gigantische Bundesstraßenprojekte nicht zugunsten von intakten Kreis- und Landesstraßen eine Nummer kleiner werden können“, so Bätzing-Lichtenthäler.

Das sagt die AfD

„Überwältigt“ von den erzielten 15,8 Prozent zeigt sich AfD-Spitzenkandidat Dirk Erben. „Wir haben damit nach der Kommunalwahl im Jahre 2019 die Zahl unserer Vertreter verdoppelt. Dies sei ein sehr großer Erfolg für die AfD, der auf dem Vertrauen der Wähler beruhe, fährt er fort. „Durch das mehr als ordentliche Ergebnis wird der Kreistag durch uns mit acht hoch motivierten, aus der bürgerlichen Mitte stammenden Kandidaten neu belebt“, so Erben weiter. Den kommenden Aufgaben im neuen Kreistag sehe man gespannt entgegen.

Man begrüße die Bildung neuer Fraktionen und sei offen für eine engagierte und letztlich fruchtbare Zusammenarbeit mit allen Beteiligten – immer im Sinne der Bürger. „Für die bevorstehende Wahlperiode muss der ländliche Raum gestärkt werden. Wir brauchen in der Stadt und auf dem Land endlich gleichwertige Lebensverhältnisse – egal, ob bei der Infrastruktur, Mobilität, gesundheitlichen Versorgung oder Digitalisierung. Wir werden uns im Kreistag dafür einsetzen, dass unsere Heimat bewahrt wird und eine Zukunft hat“, benennt der AfD-Mann inhaltliche Ziele der Partei.

Das sagt die FWG

Die FWG verweist darauf, dass man gegenüber der Kommunalwahl 2019 0,2 Prozentpunkte hinzugewonnen hat, was aber nichts an der Sitzverteilung (vier Sitze) ändert. „Die Arbeit im künftigen Kreistag wird nicht leichter, wenn man sich vor Augen führt, dass eine Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird, nun als drittgrößte Fraktion im neuen Kreistag in Altenkirchen vertreten sein wird. Das ist aus unserer Sicht sehr beunruhigend“, so FWG-Vorstand Peter Schwan.

„Mit uns wird es keinen Austausch mit der AfD geben, was wir auch bei den anderen demokratischen Parteien im Kreistag voraussetzen“, findet er klare Worte. FWG-Schwerpunkte in den kommenden fünf Jahren sollen demnach die Kreisfinanzen, die Optimierung des ÖPNV, der Ausbau bedarfsgerechter Alten- und Kinderbetreuung, die Stärkung der Schulen und die nachhaltige Entwicklung des Tourismus im Kreis Altenkirchen sein.

Das sagen die Grünen

„Eine Halbierung der Kreistagsfraktion ist ein bitteres Ergebnis. Jetzt heißt es für die drei Fraktionsmitglieder im Kreistag, denen wir herzlichen gratulieren zum Erfolg, eine gute Politik für unseren Kreis und die Gemeinden zu machen“, sagt Claudia Leibrock, Co-Sprecherin der Kreis-Grünen. Dabei arbeite man gern mit allen demokratischen Parteien zusammen. Aus den Gesprächen an den Wahlständen habe sich ein deutlicher bundespolitischer Einfluss gezeigt. In den nächsten fünf Jahren gehe es für die Grünen vor Ort aber um die kommunalpolitischen Themen.

Mit dieser deutlich kleineren Fraktion wollen die Grünen ihre Akzente in den nächsten Jahren vor allem für einen energieneutralen Kreis, für nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum und für eine wohnortnahe ärztliche Versorgung setzen. „Diese Wahl hat auch gezeigt, dass wir uns intensiv für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen müssen. 15,8 Prozent für eine Partei mit menschenverachtenden Inhalten sind zu viel“, so Leibrock auch im Namen ihres Co-Vorsitzenden Thomas Boehmsdorff. Beide verweisen darauf, dass man die Zusammenarbeit mit den Fraktionen auch in den Räten im Kreis weiter intensivieren will und man such auf eine „aktive Zeit für einen lebenswerten Kreis“ freut.

Das sagt die FDP

„Die 5,2 Prozent sind ein ehrliches Ergebnis für die FDP. Natürlich wären wir gern wieder mit drei Vertretern in den Kreistag eingezogen, aber dafür fehlte auch der Rückenwind aus Berlin“, argumentiert Christian Chahem, Kreisvorsitzender der Liberalen. Die Arbeit im Gremium werde bei wachsenden und zusätzlichen Herausforderungen nicht leichter. „Wir müssen also auch gute Politik vor Ort machen, damit extreme Parteien nicht noch weiter gestärkt werden“, so der Mediziner. Als Zwei-Mann-Fraktion könne man nicht alle Themen gleichermaßen bespielen.

„Unser Fokus wird daher zunächst auf der Gesundheitspolitik und der medizinischen Versorgung liegen. Die Krankenhausreform und der akut auf chronische Landarztmangel sorgen für ein Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung. Ich muss als Bürger auch in Zukunft wissen, wo mir schnell und gut geholfen wird“, fährt Chahem fort. Die schwächelnde Wirtschaft und der stark defizitäre ÖPNV seien andere große Baustellen, an die man ran müsse. „Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit und konstruktive Jahre für unseren schönen Kreis“, sagt er abschließend.

Das sagt die Linke

„Das Wahlergebnis zur Kreistagswahl ist für unsere Partei sehr enttäuschend. Wir hatten uns natürlich ein besseres Wahlergebnis erhofft. Der allgemeine (negative) Trend der Partei ist jedoch auf die kommunale Ebene durchgeschlagen, sodass kein besseres Ergebnis möglich war“, vermeidet Linken-Kreischef Udo Quarz jegliches Schönreden. Die Arbeit im Kreistag werde schwerer, da man nun keine zwei Mandate mehr habe, um die Arbeiten aufzuteilen. „Hinzu kommt, dass nunmehr der Fraktionsstatus entfällt, und wir nur noch eingeschränkte Möglichkeiten der politischen Teilhabe haben. Dies gilt sowohl für Informationen durch die Verwaltung, aber auch für Antragsrechte im Kreistag“, blickt Quarz nach vorne.

Zu parteiinternen personellen und organisatorischen Auswirkungen des Wahlergebnisses müssten auch erst noch Gespräche geführt werden. „Unsere grundsätzlichen inhaltlichen und programmatischen Positionen zu allen relevanten kommunalen Politikbereichen werden wir natürlich einbringen. Dies gilt für eine wohnortnahe ambulante und stationäre medizinische Versorgung, für bezahlbaren Wohnraum, einen flächendeckenden ÖPNV und für die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes und dem Abfallwirtschaftskonzept“, erläutert der Linken-Politiker.

Das sagt die Wählergruppe Käppele

„Unsere Wählergruppe hatte sich erst kurzfristig vor der Wahl gegründet. Insbesondere die Themen Krankenhaus in Altenkirchen, Gesundheitsversorgung im Kreis Altenkirchen, die Ortsumgehungen B 8 in der VG Altenkirchen-Flammersfeld und größere demokratische Teilhabe für die Menschen an politischen Prozessen waren unsere Schwerpunkte“, sagt Ralf Käppele, Namensgeber der Wählergruppe, der auf der Liste die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte. In der Kürze der Zeit sei es leider organisatorisch und personell nicht möglich gewesen, den Oberkreis besser zu „bedienen“. „Das ist schade, aber um so mehr sind wir erfreut über den Zuspruch, den wir im Bereich des Raiffeisenlandes erhalten haben. Es hätte etwas mehr sein dürfen, aber grundsätzlich ein guter Anfang“, so sein Fazit.

Als „erschreckend bezeichnet er es mit Blick auf die AfD, wenn ein Bundestrend bis in eine Kommunalwahl durchschlage und eine Partei im Kreis ihren Stimmenanteil fast verdoppeln könne, die in den vergangenen fünf Jahren inhaltlich nichts beigetragen habe. Thematisch verweist Käppele zudem auf die letzte Sitzung des alten Kreistages am 24. Juni, in dem er um einen Einwohnerantrag der Bürgerinitiative zum Thema Heimfall der Krankenhäuser des Kreises gehe.

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