Nach dem faktischen Aus für das Krankenhaus Altenkirchen und Einschnitten in Kirchen gibt es massive Kritik am Träger
Nach dem Aus für das Krankenhaus Altenkirchen: DRK hat jede Menge Kredit verspielt
„Hand in Hand“ symbolisiert die Skulptur vor dem Eingang des DRK-Krankenhauses in Altenkirchen. Von dieser Botschaft hat sich die Realität weit entfernt. Ein regulärer Klinikbetrieb ist hier künftig nicht mehr vorgesehen. Dafür erntet der Träger massive Kritik. Foto: Markus Kratzer
Markus Kratzer

Im Internet würde man es einen „Shitstorm“ nennen, der da auf die DRK-Trägergesellschaft Süd-West niedergeht. Durchaus gewählter im Ausdruck, aber nicht weniger deutlich, fallen die von uns angefragten Reaktionen im AK-Land auf die Ankündigung des Trägers aus, die Krankenhausstruktur in Altenkirchen zu zerschlagen und die Neurologie in Kirchen zu schließen. Zusammenfassend kann man sagen: Das DRK hat jede Menge Kredit verspielt.

Unsere Zeitung hat Reaktionen aus Politik und Medizin zusammengetragen.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag und ehemalige Gesundheitsministerin) spricht von einer inakzeptablen Entscheidung der DRK-Trägergesellschaft, den Krankenhausstandort Altenkirchen zum 15. August zu schließen – vom Inhalt her ebenso wie von der Art und Weise der Kommunikation. „Es ist daher nur verständlich, dass die Entscheidung zu Unsicherheit und großen Bedenken bei den Menschen der Region führt.“

Die DRK-Entscheidung ist für sie insbesondere kritisch zu sehen, weil aus dem Gesundheitsministerium konstruktive und zukunftsweisende Konzepte zur Stärkung der Krankenhauslandschaft im Westerwald eingebracht worden seien. „Es muss nun von den handelnden Personen der Trägerschaft schnellstmöglich ein konkreter Plan für ein zukunftsfähiges Westerwaldklinikum vorgelegt werden. Das erwarten die Menschen vollkommen zurecht“, so Bätzing-Lichtenthäler.

Skeptisch mit Blick auf die weitere strategische Ausrichtung äußert sich die Genossin auch zur Art und Weise der Schließung der Neurologie am Standort Kirchen. Die Betriebsräte und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten vor dem Hintergrund ihrer enormen Leistungen mehr Respekt verdient. „Wenn die Schließungen am Standort Altenkirchen nun damit begründet werden, dass Patientinnen und Patienten Strukturen und Leistungen des Krankenhauses nicht ausreichend nachgefragt haben, habe ich dafür keinerlei Verständnis“, spricht sie zudem von einer „zynischen Begründung“.

Matthias Reuber (CDU-Landtagsabgeordneter) bezeichnet die DRK-Ankündigung als „Schlag ins Gesicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Altenkirchen und Kirchen, aber auch der Bürgerinnen und Bürger im ganzen Landkreis“. Über Monate habe es seitens des Trägers keinen ehrlichen Umgang mit der Bevölkerung gegeben. Nun seien Entscheidungen getroffen worden, die vermutlich seit Beginn des Prozesses das eigentliche Ziel waren.

„Ein vor wenigen Monaten noch als Modellprojekt angekündigtes Konzept wurde nach nur wenigen Monaten für gescheitert erklärt. Ich erwarte nun vom Land, dass dieses unter den neuen Rahmenbedingungen kurzfristig prüft, ob die medizinische Versorgung im Landkreis weiterhin sichergestellt ist und dies an konkreten Kennzahlen transparent belegt“, so Reuber.

Die DRK-Trägergesellschaft hat für ihn mit ihrem Verhalten in den letzten Wochen jedes Vertrauen verspielt. „Ein Trägerwechsel ist aus meiner Sicht daher alternativlos“, so der Christdemokrat. Er traue der DRK-Trägergesellschaft die Realisierung eines Neubaus nicht mehr zu. „Die aktuelle Situation in Altenkirchen sollte man nutzen, um das Krankenhaus zu einem Westerwaldklinikum der Regelversorgung auszubauen“, so der Christdemokrat.

Fred Jüngerich (Bürgermeister der VG Altenkirchen-Flammersfeld) sieht sein Restvertrauen in die DRK-Trägergesellschaft Süd-West durch diesen Schritt „vollends verspielt“. „Meine Hoffnung ist es, dass sich das DRK in Gänze aus dem stationären Bereich im Westerwald (Altenkirchen, Kirchen, Hachenburg) zurückzieht, um den Weg für eine grundlegende Neuordnung des Krankenhauswesens in unserer Heimat freizumachen“, wird er sehr deutlich. Noch kürzlich gemachte Versprechungen des Aufsichtsratsvorsitzenden Gonzalez seien „im Nirgendwo verpufft“.

Der seit Monaten verunsicherten Bevölkerung dafür die Mitschuld zu geben, dass der „Laden in Altenkirchen nicht laufe“ und zugleich noch den Geschäftsführer der Beraterfirma WMC Healthcare zum Geschäftsführer der DRK-Trägergesellschaft Süd-West zu belobigen, bezeichnet Jüngerich als „unverschämt und äußerst fragwürdig“. „Im Sport wird in vergleichbaren Situationen nicht die Mannschaft entlassen, sondern die Trainer“, resümiert er. Ein Westerwaldklinikum ist für ihn innerhalb der nächsten zehn Jahre „wohl kaum zu verwirklichen“. Dazu bedürfte es eines wie auch immer gearteten verlässlichen Zusammenspiels privater und öffentlicher Partner.

Andreas Hundhausen (Bürgermeister der Verbandsgemeinde und der Stadt Kirchen) wurde von der Ankündigung der kurzfristigen Schließung der Neurologie „überrascht“. Kritisch sieht er dabei nicht nur die Entscheidung selbst, sondern auch die Art und Weise, wie der Träger mit seinen Mitarbeitern umgeht. „Ich erwarte, dass das DRK eine Zukunftsvision entwickelt und klar benennt, wohin die Reise in Altenkirchen und Kirchen gehen soll“, betont der SPD-Politiker – auch wenn er einräumt, dass viele Krankenhausträger derzeit mit großen finanziellen Problemen zu kämpfen hätten und das DRK zum Teil auch Opfer von falschen Rahmenbedingungen sei.

Dass sich die Politik in Person von Landrat Peter Enders und Gesundheitsminister Clemens Hoch der Sache annimmt, begrüßt Hundhausen. „Wir haben alle ein Interesse daran, dass die Versorgung auch im ländlichen Raum gesichert ist“, betont er. Eine potenzielle Einbeziehung des Standorts Kirchen in ein großes Westerwaldklinikum sieht Hundhausen skeptisch. „Die Menschen hier bei uns würden dort nicht hinfahren, all diese Patienten gingen ans Siegerland verloren“, ist er überzeugt.

OP im Krankenhaus
Auch das ambulante Operieren (außerhalb des MVZ) gehört in Altenkirchen bald der Vergangenheit an. Symbolfoto: Angelika Warmuth/dpa
Angelika Warmuth. dpa

Ralf Lindenpütz (Stadtbürgermeister von Altenkirchen) sieht neben den Einschnitten beim Krankenhaus auch die in Altenkirchen angegliederten Fachärzte, wie etwa den Urologe, betroffen. „Eine fachärztliche Versorgung ohne die Möglichkeit, stationär zu operieren, ist eine deutliche Leistungsreduzierung“, argumentiert er.

Vor allem müsse man sich auch der Funktion von Altenkirchen als Mittelzentrum im ländlichen Raum bewusst sein: „Zu einem Mittelzentrum gehört ein Krankenhaus. Mit dem Verlust des Krankenhauses droht eine über die medizinische Versorgung hinausgehende Schwächung unserer Region“, so der Stadtchef. Das DRK sei seiner Aufgabe zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung nicht nachgekommen, dieses sei nicht zu akzeptieren, hier müsse das DRK in die Pflicht genommen werden, so der CDU-Politiker.

„Immerhin sind seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens mehrere Millionen Euro an das DRK geflossen, aus den vorhandenen Mitteln des DRK wurde auch die Beratungsfirma WMC bezahlt, deren Ergebnis gerade ad absurdum geführt wird“, findet Lindenpütz klare Worte. Auch für ihn braucht es im ersten Schritt keinen Klinikneubau. „Die Gebäudesubstanz und die Ausstattung des Krankenhauses in Altenkirchen ist gut und deutlich besser als die in Hachenburg. In Altenkirchen könnte aufgrund der vorhandenen Infrastruktur in kurzer Zeit ein Krankenhausbetrieb aufgebaut werden, der die vorhandene Bettenzahl auslastet“, so seine Überzeugung.

Ralf Käppele (Wählergruppe Käppele und Mitbegründer der Bürgerinitiative „Gute Gesundheit im Raiffeisenland“) beklagt, dass in der gerade begonnenen Umstrukturierung jetzt der „Stecker gezogen“ wird. „Ich habe am 24. Juni im Kreistag das DRK als verlässlichen Träger infrage gestellt. Heute kann sich jeder ein Bild davon machen, was von den ,Märchen' des Herrn Gonzalez zu halten ist. Leuchttürme und Sternchen wurden versprochen, ein Desaster bleibt zurück“, so das frisch gewählte Kreistagsmitglied.

Die vom DRK gegebene Begründung für die eiligen Maßnahmen seien wenig plausibel und ließen auf Managementfehler schließen, wenn zustehende Gelder nicht fließen. Für den Rechtsanwalt bleibt abzuwarten, ob sich der Gesundheitsminister in Mainz von seinen Sprechblasen befreien könne und endlich im Sinne der Bevölkerung handele. „Die Politik vor Ort muss sich vor allem bewusst machen, wie sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Krankenhaus Altenkirchen fühlen müssen, nachdem sie monatelang vom DRK an der Nase herumgeführt wurden“, so Käppele.

Erik Becker (Obmann der Kreisärzteschaft) nennt die Ankündigung eine „Katastrophe für den Kreis“. „Was gestern gesagt wurde, zählt heute nicht mehr“, wirft er dem Träger vor. Auch für ihn ist die Kommunikation „maximal schlecht“ gelaufen. Mit Blick auf den Standort Altenkirchen habe man seitens der Kreisärzteschaft von Beginn an große Zweifel gehabt, dass das angedachte Modell funktioniere. Die Schließung der Neurologie in Kirchen nennt Becker einen „Riesenverlust“. Auch wenn es Signale gebe, dass die in Schieflage geratene Urologie an der Sieg eine Zukunft haben könnte, bleibt Becker vorsichtig: „Das glaube ich erst, wenn es so weit ist.“ Zur Entspannung der Lage im Bereich Krankenhaus erwartet der Obmann vom DRK einen „sehr guten Plan“.

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