Das "European-Orchestra-Festival" begeisterte Hunderte Besucher in Wissen
Musikalische Besonderheit: Europäischer Geist schwebt im Wissener Kulturwerk
Drei Dirigenten, drei Nationen und rund 160 Musikerinnen und Musiker im Gleichklang: Hunderte Besucher erlebten am Sonntag im Wissener Kulturwerk beim „European Orchestra Festival“ drei Orchester. Foto: Thomas Hoffmann
Thomas Hoffmann

Das Flair von Europa, der ergreifende Gedanke einer friedlichen Gemeinschaft und einer Grenzen überwindenden Freundschaft, die sich in der universellen Sprache der Musik manifestiert: das war es, was am Sonntag viele Hundert Zuschauer begeisterte und mehr als dreieinhalb Stunden lang die Atmosphäre im Wissener Kultuwerk beherrschte. European-Orchestra-Festival, so lautete der klangvolle Titel.

Die Orchesterformationen „Northumbrian Winds“ aus England, die „Musikgesellschaft Niederhasli“ aus der Schweiz und das Ensemble „German Winds“, das vom Komponisten und Dirigenten Sven Hellinghausen aus Birken-Honigsessen im Jahr 2021 ins Leben gerufen wurde, sorgten für die beeindruckende Atmosphäre. Schon der Beginn verspricht „Gänsehaut pur“, denn eine nach dem anderen präsentieren die jeweiligen musikalischen Botschafter die Nationalhymnen Großbritanniens, der Schweiz und Deutschlands, ehe Ministerpräsidentin Malu Dreyer per Videobotschaft von der Großleinwand aus das Konzert als ein „Zeichen“ und das Kulturwerk als „Ort der europäischen Freundschaft“ charakterisiert.

Der Europa-Abgeordnete Ralf Seekatz, der zu den zahlreichen prominenten Gästen des Abends zählte, lenkt den Blick auf die englischen und Schweizer Formationen: „Wir arbeiten daran, dass Großbritannien wieder Mitglied der europäischen Union wird, bei der Schweiz bin ich mir da nicht so sicher“, sagt er unter dem Lachen der Musikerinnen, Musiker und Besucher. Nicht weniger humorvoll legt Stadt- und Verbandsgemeindebürgermeister Berno Neuhoff den Fokus auf die Konzertstätte: „Mit dem Kulturwerk haben Sie sich nach dem Kölner Dom den besten Ort für das Konzert ausgesucht“, sagt er mit Rückblick auf einen Gottesdienst, den die 160 Musikerinnen und Musiker am Abend zuvor in der Kölner Kathedrale musikalisch gestaltet hatten.

In der Tat wird das Wissener Kulturwerk in der Folge nicht nur zu einem Ort, an dem hochkarätige Musik geboten wird, sondern zu einem orchestralen Schmelztiegel dreier Nationen, wobei „Northumbrian Winds“ unter der Leitung von Andy Taylor den Anfang macht. Mit modernen Kompositionen wie der episch anmutenden Filmmelodie von „Out of Africa“, bei der ein weites, nahezu unberührtes Land und eine tragische Liebesgeschichte musikalisch ebenso eindrucksvoll in Szene gesetzt werden wie beispielsweise die Legende vom 7. Juli („The Seventh Night of July“), sorgen die Akteure bereits zu Beginn für Festivalstimmung im besten Sinne.

Die Akteure boten ein orchestrales Menu, das es in sich hatte

„Ein junger Mann und eine junge Frau können sich nur eine Nacht im Jahr sehen“, stimmt Taylor die Besucher in gutem Deutsch auf das ein, was kommen soll, und das gesamte Orchester präsentiert diese Sage ebenso ergreifend wie kurze Zeit später „German Winds“ das von Sven Hellinghausen geschaffene Werk „Lindisfarne“, das den Überfall auf ein Kloster der titelgebenden Insel, das im Jahre 793 von den Wikingern überfallen wurde, zum Inhalt hat.

Friedlich fängt es hier an, nahezu idyllisch: Flötenklänge erinnern an Glockenschläge und Vogelgezwitscher, ehe sich das Unheil in Form von Langschiffen, die sich der Insel nähern, ankündigt. Die friedlichen Töne weichen einer wuchtigen, rhythmischen Atmosphäre und dominierte kurze Zeit zuvor der „hohe Satz“ mit Klarinetten, Trompeten, Waldhörnern, Flügelhörnern und Flöten, so bestimmt jetzt der „tiefe Satz“ mit Posaunen, Bässen, Baritonen und Kontrabass das Geschehen. Pauken, Becken und Schlagzeug tun das Übrige: alles wirkt gefahrvoll und bedrohlich, ein musikalisches Schlachtengemälde, das sich erst zum Schluss hin wieder auflöst und der „Ruhe nach dem Sturm“ Platz macht.

Natürlich gibt es für diese Darbietung – wie bereits zuvor bei den Präsentationen von „Northumbrian Winds“ – begeisterten Beifall. Hochkarätige Musik bestimmt auch weiterhin das Geschehen im Wissener Kulturwerk, denn nach einem „Herzlichen Gruezi aus der Schweiz“, das Dirigent Roberto Cereghetti ins Publikum ruft, überzeugt die „Musikgesellschaft Niederhasli“ mit einem orchestralen Menü, das es in sich hat.

Der „Welcome Ouvertüre“ sowie den „Wings to Fly“ (bei dem es um das Erwachsenwerden geht), und dem locker-beschwingten „Flushing Winds“, das in seiner Anlage bisweilen an die Gershwin-Komposition „An American in Paris“ erinnert, folgt dann auch mit dem „Cereghetti-Marsch“ eine sehr stimmungsvolle Komposition des Dirigenten, der mit diesem Werk seiner Herkunftsregion ein eindrucksvolles Geschenk machte, ein Präsent, das von seinem Orchester mit hoher Qualität und Vielfalt präsentiert und vom Publikum mit frenetischem Jubel bedacht wurde.

Der zweite Teil des Abends ist nicht weniger ergreifend und stimmungsvoll

Bravorufe und stehender Applaus beenden den ersten Teil des musikalisch hochwertigen und atmosphärisch sehr berührenden Abends und der zweite Teil ist nicht weniger ergreifend und stimmungsvoll, denn bevor nach weiteren kurzen Darbietungen von „German Winds“ alle drei Orchester gemeinsam ein opulentes Klanggebilde erstehen lassen, erobern die Schlagzeuger der deutschen Formation das Parkett vor dem Orchester: Wilde Trommelwirbel, gepaart mit schauspielerischen Einlagen sorgen einmal mehr für Begeisterung.

Ebenso wie kurze Zeit später weitere Werke aus der Feder Sven Hellinghausens, die er unter seinem Künstlernamen Kane McLean komponiert hat. Wie etwa der dem monegassischen Thronfolger gewidmete Marsch „Marquis de Beaux“, bei dem nicht nur die orchestrale Fülle von 160 Musikerinnen und Musikern für Gänsehautmomente sorgt, sondern das mit vielfältigen Nuancen die Kindheit und Jugend, aber auch die spätere Aufgabe des zukünftigen Königs von Monaco mit orchestralem Glanz mitten ins Publikum transportiert.

Mit „Rose of Gardens“ und „High Cathedral“ entführt Dudelsackspieler Axel Römer dann mit nahezu wehmütigem Flair in die schottischen Highlands und spätestens jetzt ist auch der letzte der Besucher ergriffen. Die Europahymne, einmal mehr in prachtvollem musikalischen Glanz dargeboten, beendet vor der Zugabe, dem „Böhmischen Traum“ (einer Komposition des „German Winds“-Bassisten Norbert Gälle), den Abend.

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