Amtsgericht Betzdorf: 21-Jähriger entgeht haarscharf einer Gefängnisstrafe
Mit Softair-Pistole Tankstelle überfallen: 21-Jähriger entgeht haarscharf einer Gefängnisstrafe
Justitia
Der 25-Jährige, der wegen schweren sexuellem Missbrauch angeklagt war, zeigte sich voll geständig. Vor einer Gefängnisstrafe bewahrte es ihn nicht.
David-Wolfgang Ebener. dpa/David-Wolfgang Ebener

Betzdorf/Altenkirchen. Wegen schweren Raubs, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und Urkundenfälschung ist der 21-jährige Carlo A. (alle Namen von der Redaktion geändert) vergangene Woche am Betzdorfer Amtsgericht unter Einbeziehung eines anderen Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden.

Das Jugendschöffengericht um Richterin Tanja Becher sah es als erwiesen an, dass Carlo A. im November 2018 mit einer Softair-Pistole eine Altenkirchener Tankstelle ausgeraubt hatte, Beute – rund 966 Euro. Auch galt für das Gericht als bewiesen, dass Carlo A. im August 2020 in einer Altenkirchener Apotheke mit einem gefälschten Rezept versucht hatte, an verschreibungspflichtige Antidepressiva zu kommen. Die Bewährungszeit wurde auf zwei Jahre festgelegt, Carlo A. bekommt einen Bewährungshelfer zugeteilt, hat sich zwecks Suchtberatung beim Diakonischen Werk Altenkirchen vorzustellen – und sich zeitnah einer stationären Drogentherapie zu unterziehen. Seine Taten hatte er eigenen Aussagen zufolge nämlich nur begangen, um seine Drogensucht finanzieren zu können.

Der Start der Verhandlung verzögerte sich am Donnerstag um etwa eine Stunde. Richterin Becher klärte zu Beginn des Prozesses auf, dass Gespräche bezüglich einer Verständigung mit der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft stattgefunden hätten. Konsens: Sollte Carlo A. ein Geständnis ablegen, könne die Einheitsjugendstrafe maximal zwei Jahre betragen und zur Bewährung ausgesetzt werden. Ein Geständnis folgte auf dem Fuß.

Carlo A. entschuldigte sich im Gerichtssaal bei der Tankstellenangestellten, der er im November 2018 mit der Softair-Pistole, einem authentisch wirkenden Replikat einer echten Schusswaffe, den Schrecken ihres Lebens eingejagt hatte. Die Entschuldigung wirkte authentisch, der Angeklagte war dafür sogar extra aufgestanden: „Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen für die Tat. Ich hatte zu der Zeit Drogen- und Geldprobleme. Das war nix gegen Sie.“ Die Frau nahm die Entschuldigung an.

Dass bei Carlo A. eine immense Suchtproblematik besteht, davon konnte sich das Jugendschöffengericht um Richterin Becher schon im August 2020 überzeugen. Eigentlich sollte Carlo A. schon da der Prozess gemacht werden; die Vorsitzende musste die Verhandlung damals aber abbrechen, weil Carlo A. am Morgen Drogen konsumiert und später auf der Toilette des Amtsgerichtes in der Drogenszene als „Benzos“ bekannte, Angst lösende Arznei eingeworfen hatte. In diesem Zustand war er schlicht nicht mehr verhandlungsfähig (wir berichteten).

Am Donnerstag gab der 21-Jährige an, dass er schon mit zwölf angefangen habe zu trinken, mit 16 folgte dann der erste Joint. Im Gericht unterstrich er, dass er bis heute nicht von seiner Cannabissucht losgekommen sei. Ferner gab A. an, das gesamte Jahr 2020 über harte Opiate, meist Oxycodon, zu sich genommen zu haben. Aus Angst vor dem Tod habe er einen Selbstentzug gewagt und die Droge inzwischen aus seinem Leben verbannen können. Die 966 Euro, die er 2018 bei dem Tankstellenraub in Altenkirchen erbeutet hatte, gingen eigenen Aussagen zufolge für 150 Gramm Marihuana drauf. Martin O. (heute 21) wurde am Donnerstag freigesprochen. Er stand unter Verdacht, Carlo A. bei dem Tankstellenüberfall schnell vom Tatort weggefahren zu haben. Dies stellte sich im Laufe der Beweisaufnahme jedoch als sehr unwahrscheinlich heraus.

Von unserem Redakteur Johannes Mario Löhr

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