Für Menschen mit einer depressiven Erkrankung, die zwischen Siegen, Köln, Mainz und Gießen wohnen, war der Westerwald lange Zeit ein weißer Fleck, wenn es um die relativ neue Behandlungsform rTMS ging. Doch seit ein paar Monaten bietet auch die GFO-Klinik in Wissen die repetitive Transkranielle Magnetstimulation an – und macht damit bisher gute Erfahrungen.
Die Wissener Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (St. Antonius Krankenhaus) gehört zur gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe mbH und ist damit Teil einer Vielzahl von sozialen Einrichtungen an rund 130 Standorten in Nordrhein-Westfalen und dem nördlichen Rheinland-Pfalz. Seit rund 15 Monaten wirkt Sezer Melisande Lammers dort als Ärztliche Direktorin und Chefärztin. Ihre Begeisterung für die rTMS-Behandlung schwer depressiver Patienten hat die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie von ihrem früheren Arbeitsplatz am Kreisklinikum in Siegen-Weidenau mitgebracht.

Die rTMS-Forschung hat nach Angaben der Chefärztin bereits in den 1980er-Jahren begonnen, später in den 90ern machten dann Unikliniken die ersten rTMS-Gehversuche. In der GFO-Klinik in Wissen wird das nicht invasive Verfahren nun seit vergangenem November eingesetzt. „Wir behandeln Patienten mit einer schweren depressiven Episode“, sagt Sezer Melisande Lammers. Für stationär aufgenommene Patienten bedeutet das, dass sie bei gegebenen Voraussetzungen – zusätzlich zu ihren anderen Therapien – über einen Zeitraum von sechs Wochen fünfmal wöchentlich die jeweils 18 Minuten langen Behandlungen in Anspruch nehmen. Nach der Hälfte der Zeit wird ein Zwischenfazit gezogen.
„Die Vorteile liegen auf der Hand“, sagt Sezer Lammers, „alles wird ganz individuell besprochen und angepasst, eine Narkose ist nicht nötig, und es gibt so gut wie keine Nebenwirkungen.“ Laut Studienlage kann sich die Erfolgsrate durchaus sehen lassen. Nach Angaben der Chefärztin verschwinden die depressiven Beschwerden bei 30 Prozent der Patienten völlig, bei jedem zweiten trete eine Verbesserung ein. Lediglich bei 20 Prozent passiere nichts.
Von Siegen nach Wissen gewechselt
Die Anwendung der rTMS-Therapie in Wissen hängt ganz eng mit dem Namen Konstanze Reisener zusammen. Sie wechselte ebenfalls von Siegen nach Wissen und leitet nun hier diese Behandlungsform. Wichtig sei, so betont sie, dass einerseits die Patienten in einem ausführlichen Einführungsgespräch zunächst alle Fragen klären könnten und die individuelle depressive Erkrankung genauestens fachärztlich geprüft werde, und dass andererseits permanent ein funktionierender Austausch mit den Ärzten bestehe. Ergänzend fügt sie hinzu: „Die Patienten sollen sich bei der Behandlung ganz entspannen und sich gut aufgehoben fühlen. Dafür nehme ich mir Zeit.“
Mittels einer Hutmaske und exakten Messungen am Schädel legt Konstanze Reisener millimetergenau fest, wo beim Patienten die Spule zur Erzeugung der elektromagnetischen Ströme platziert wird. Die Impulse dringen ungehindert durch die Schädeldecke etwa zwei bis drei Zentimeter tief in die Hirnrinde ein und sollen tiefere Hirnschichten stimulieren.
Nachfrage ist groß
Bei stationären Patienten übernimmt die Krankenkasse die Kosten (für 30 Sitzungen etwa 2000 Euro), ambulante Behandlungen sind für Selbstzahler oder Privatversicherte möglich. Die Nachfrage ist groß, der Bedarf wächst. „Wir haben schon eine Warteliste“, sagt Sezer Melisande Lammers. Auch bei den Siegener Kollegen und bei den niedergelassenen Ärzten im Westerwald sei diese Erweiterung des Therapieangebotes der GFO-Klinik auf viel Zustimmung gestoßen.
Und noch ein neues Behandlungsangebot der Wissener Fachklinik weckt bei Medizinern und Patienten Hoffnungen. Menschen, deren Depressionen sich bislang als therapieresistent erwiesen haben, kann ein rezeptpflichtiges Nasenspray verschrieben werden, das sozusagen eine spiegelverkehrte Version des Narkosemittels Ketamin enthält. Dieses wird dann über mehrere Wochen hinweg in der Institutsambulanz unter Aufsicht verabreicht.