„Der Krieg ist zu Ende!“ Den erlösenden Ausruf seiner Mutter wird Wolfgang Becker wohl nie vergessen. Fünf Jahre alt ist der Altenkirchener an diesem 8. Mai 1945 – ein Knirps, der von den Schrecken der Bombardierungen und den harten Entbehrungen des Kriegsalltags geprägt wurde. Heute ist Becker ein Zeitzeuge, den die damaligen politischen Umstände nicht loslassen und der sich vor allem angesichts der aktuellen Entwicklungen gegen das Vergessen engagiert.

Deshalb berührt ihn die neue Ausstellung des Historischen Quartiers auch ein wenig mehr als die vorausgegangen Dokumentationen rund um die Geschichte der Kreisstadt, die er in den vergangenen Jahren im Rahmen seiner Tätigkeit im Förderverein Bismarckturm gemeinsam mit Uli Stope, Horst Pitsch und etlichen Unterstützern konzipiert hat. „80 Jahre Kriegsende“ ist die aktuelle Fotoschau übertitelt, und sie ist nicht nur eine Erinnerung an den Tag, der das Schicksal der traumatisierten Altenkirchener Bürger wendete. Sie ist auch eine traurige Zusammenfassung der schweren Bombardierungen im Vorfeld, die viele Hundert Menschen in den Tod rissen und das architektonische Antlitz der Kreisstadt für immer zerstörten.

Beim Rundgang mit unserer Zeitung berichten Uli Stope, Horst Pitsch und Wolfgang Becker anhand der chronologisch arrangierten Fotoserien, wie dramatisch sich die Situation in der Kreisstadt 1945 zuspitzte. Nicht ohne Grund beginnt die Ausstellung mit Informationen zur Ludendorff-Eisenbahnbrücke in Remagen, die Weltkriegsgeschichte schrieb, da ihre Eroberung den Alliierten am 7. März den Weg frei machte. Fatale Auswirkung für Altenkirchen: Bereits am Folgetag warfen zwei amerikanische Bomberstaffeln mit 46 Flugzeugen 364 Sprengbomben über dem strategisch wichtigen Bahnhofsgelände ab. Ein erster schwerer Luftangriff, dem am 10., 17. und 25. März noch weitere folgten. Am 26. März trafen die Amerikaner dann in der Stadt ein.

Stope und Pitsch sind (anders als Becker) „Wirtschaftswunder-Kinder“. Da die Vorbereitung der Ausstellung aber lange währte und die beiden Heimatforscher dabei gewissermaßen Teil des Ganzen wurden, können sie sich gut in die Dramatik einfühlen, die Becker beschreibt. „Wir haben in der Kölner Straße gewohnt, und ich habe gesehen, wie die evangelische Kirche nach den Bombardierungen in Flammen stand“, sagt dieser bewegt. „Über unsere Straße kamen auch die Amerikaner in die Stadt. Sie haben eine sehr intensive Hausdurchsuchung macht und dabei alles nach Kriegsgegenständen durchwühlt. Auch die Hamsterer aus der Großstadt vergisst man nicht.“ Später habe die Stadt dann unter französischer Besatzung gestanden. Diese Phase sei in der Stadtgeschichte allerdings weniger gut erfasst.

Manche Fotos berühren den Betrachter ganz besonders. Da ist der ausgebombte Lastwagen, der begehrte Wurstkonserven geladen hatte, da sind Aufnahmen von Altenkirchener Kindern, die von amerikanischen Soldaten mit Schokolade und Kaugummi beschenkt werden, da ist das tägliche Spiel in den Trümmerbergen, das wegen Blindgängern und Munitionsresten riskant war und nicht selten schlimme Verletzungen mit sich brachte. Aber auch die Verzweiflung und Einsamkeit von Hinterbliebenen bleibt nicht unerwähnt.
Eine mehr als beeindruckende Fotoschau also – umso mehr bedauern die Hobby-Historiker, dass die Besucherzahl bei der Eröffnung am 8. Mai hinter den Erwartungen zurückblieb. Die Heimatkundler haben aber die Hoffnung, dass sich in den nächsten Wochen doch noch viele interessierte Bürger finden, die sich dem Thema widmen und somit helfen, auch diese schmerzvolle Seite der Stadtgeschichte lebendig zu halten.
Infos für Besucher
Die Ausstellung ist dienstags von 15 bis 17 Uhr, donnerstags von 11 bis 13 Uhr sowie jeden dritten Sonntag des Monats von 14 bis 17 Uhr im Historischen Quartier (Marktstraße 31-33) zu sehen. Nach Vereinbarung werden Führungen für Gruppen, Vereine oder Schulklassen angeboten. Der Eintritt ist frei. Auskunft erteilen Uli Stope unter (02681/6464) und Wolfgang Becker (02681/7256).