Kunststoffwerke Altenkirchen
Mit 100 noch im Geschäft: Werit-Gründer blickt zurück
Der Altenkirchener Unternehmer Helmhold Schneider feiert am heutigen 5. März seinen 100. Geburtstag und blickt auf ein bewegtes Leben zurück.
Sonja Roos

Ein ganzes Jahrhundert hat der Altenkirchener Werit-Gründer Helmhold Schneider erlebt. Der Unternehmer, Hobbyhistoriker und Kulturförderer ist bis heute aktiv und vielseitig interessiert. Mit unserer Zeitung blickt er auf sein bewegtes Leben.

Was fragt man einen Menschen, der ein ganzes Jahrhundert erlebt hat? Der in jungen Jahren den Zweiten Weltkrieg mitmachen musste, der durch die Höhen und Tiefen eines sehr langen Lebens gesegelt ist? Man fängt mit dem Banalsten und doch zugleich Wichtigsten an – der Frage nach der Gesundheit.

„Ich kann nicht klagen, gesundheitlich geht es mir ganz gut“, sagt Werit-Gründer Helmhold Schneider, der am heutigen 5. März seinen 100. Geburtstag feiert – und immer noch in der Geschäftsführung ist. Die Makuladegeneration mache ihm zu schaffen. „Das mit dem Sehen ist nicht mehr so gut“, gibt er zu. Entsprechend liegen eine Lupe und ein extra groß gedrucktes Telefonverzeichnis der Firma auf seinem Schreibtisch. Hinter dem sitzt der Patriarch noch mehrmals die Woche. „Ich mach’ mich schlau darüber, was läuft, aber die Verantwortung habe ich abgegeben“, sagt er. Auch habe er beschlossen, sich zum 100. Geburtstag endgültig aus der aktiven Geschäftsführung herauszuziehen und seinen beiden Söhnen Ekkehard und Jörg das Feld zu überlassen.

Noch immer im von ihm gegründeten Unternehmen aktiv: Helmhold Schneider (5. von rechts, zwischen Sohn Ekkehard Schneider und Landrat Peter Enders) beim Empfang der Wirtschaft im Kreis Altenkirchen, der aus Anlass des Firmenjubiläums im September 2024 bei Werit stattfand. Auch Sohn Jörg Schneider (4. von links) ist in der Unternehmensleitung tätig.
Röder-Moldenhauer

Kein einfacher Schritt, denn Helmhold Schneiders Leben ist untrennbar mit dem seiner Firma Werit verbunden. Die Werit Kunststoffwerke GmbH ist gerade mal 25 Jahre jünger als ihr Gründer, feierte im vergangenen Jahr 75-jähriges Bestehen – man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass sie das Lebenswerk des Jubilars ist. Entsprechend kehrt er im Gespräch auch immer auf diese Erfolgsgeschichte zurück.

Doch zunächst einmal zu seiner Kindheit und Jugend. Geboren und aufgewachsen ist er in Düsseldorf-Derendorf als jüngster von drei Söhnen. Schwere Zeiten durch den Verfall der Weimarer Republik und der Machtergreifung Hitlers. „Als Kind hat man davon aber wenig wahrgenommen“, sagt er. Im Gegenteil erinnert er sich an Picknicks am Rhein und Ausflüge zur Wassermühle der Großeltern nach Forstmehren. Der erste Schicksalsschlag, den der junge Helmhold erleben muss, ist der Tod seines Bruders Elmar, der 1932 an akuter Leukämie starb. „Eine tiefgreifende Erfahrung für die ganze Familie“, wie er in seinen Memoiren „Im Rückspiegel“ schreibt. Der Krieg holt ihn 1943 ein, als er mit gerade mal 17 Jahren an die Front muss. Im Krieg verliert er auch den zweiten Bruder Erhard sowie einen guten Freund. Tiefschläge hat er also so einige einstecken müssen.

Die Firmengründung ist eines seiner Lebenshighlights gewesen

Die Firmengründung sei dafür eines seiner Lebenshighlights gewesen, sagt Schneider, der nach dem Krieg 1948 von Düsseldorf mit den Eltern in die großelterliche Mühle nach Forstmehren zog. Mit gerade mal 80.000 Euro Startkapital aus dem Hausverkauf in Düsseldorf erwarb Schneider einen kleinen Gewerbebetrieb in der Kölnerstraße in Altenkirchen. Dort gab es Schubkarren und Leiterwagen aus Holz. Aber auch vier kleine Kunststoffpressen, wovon zwei mit Hand und zwei mit Motor betrieben wurden. Weil Helmhold Schneider schon immer vielseitig interessiert war und vor allem an Fortschritt und Technik Freude hatte, sahen er und sein Vater gleich das Potenzial und die zukünftige Bedeutung des Werkstoffs Kunststoff voraus und setzten darauf ihren Schwerpunkt. Der Rest ist tatsächlich (Erfolgs-)Geschichte: Von einem kleinen Betrieb entwickelte sich Werit zu einem europäischen Unternehmen mit rund 600 Mitarbeitern, sechs Fertigungs- und fünf Vertriebsstandorten, das Produkte für die Haustechnik wie beispielsweise Heizöltanks und Spülkästen, Industrieverpackungen wie Palettencontainer, Kunststoffpaletten und -behälter sowie einige Spezialprodukte produziert. 

Werit hat nie sein Profil als Familienunternehmen verloren

Werit hat dabei nie sein Profil als Familienunternehmen verloren – bis heute nicht. Zwei seiner drei Kinder sind mit in die Firma eingestiegen sowie einer der sechs Enkel. Auch sieben Urenkel hat Schneider schon. Familie sei ihm immer wichtig gewesen, sagt seine Frau Thea Schneider. Entsprechend feiert der Jubilar seinen großen Tag heute zwar mit 50 engen Freunden, Weggefährten und Kollegen – natürlich auf dem Firmengelände. Doch der kommende Samstag stehe ganz im Zeichen der Familie. „28 Familienmitglieder kommen, da freut er sich schon drauf“, sagt Thea Schneider.

Für den großen Tag ist auch Sohn Ekkehard damit beschäftigt, das Leben seines Vaters für eine Ansprache auf Papier zu bringen. „Gar nicht so einfach“, gibt er zu. In jedem Fall wird es auch bei seiner Zusammenfassung um Werit gehen. Ekkehard Schneider erinnert sich daran, wie er und seine Geschwister auf dem Firmengelände aufwuchsen. „Da vorne war unser Spielplatz“, sagt er und deutet auf den Parkplatz vor dem Verwaltungsgebäude. Wo dieses heute steht, haben die Schneiders früher gewohnt. „Das Büro unseres Vaters war früher unser Wohnzimmer“, erinnert sich Ekkehard Schneider. Die Kinder mussten ihren umtriebigen Vater damals oft mit dem Beruf teilen. Hinzu kamen Schneiders viele Hobbys und Interessen. 

Ehrendoktorwürde für seine Forschungen zu Raiffeisen

So hat er einen Hubschrauberflugschein, ist den Betriebshubschrauber teils selbst geflogen, der in den 70er-Jahren in einem spektakulären Entführungsversuch seitens der RAF eine entscheidende Rolle spielte (wir berichteten). Gereist ist er ebenfalls viel. Im Sommer gern an die Nordsee, meistens Sylt, wo die Schneiders ein Haus haben. Im Winter dann die Schweiz, Skifahren in Lech. Überhaupt sei er zeit seines Lebens sehr sportlich gewesen – Reiten, Wasserskifahren, Segeln, zählt er auf. Auch das wertet er als einen Grund dafür, dass er auf ein so langes und erfülltes Leben blicken kann. Die Urlaube dort nutzte er auch immer für einen Besuch des Weritwerkes in Blubenz. Nein, außer Dienst sei ihr Mann nie wirklich gewesen, verrät Thea Schneider lächelnd.

Neben der Firma und der Familie gab und gibt es ein paar große Leidenschaften im Leben von Helmhold Schneider. Raiffeisen ist so eine. Über den großen Genossenschaftler hat Schneider einige Forschungsarbeiten geschrieben, ihm mehrere Schriften und Büchlein gewidmet und 1997 das Raiffeisendenkmal in Weyerbusch gestiftet. 1990 bekam der Unternehmer und Hobby-Historiker dafür die Ehrendoktorwürde der Universität Greifswald.

Mehr als 40 Bücher und Schriften verfasst

Überhaupt schreibt Helmhold Schneider gerne, über die Dinge, die ihn beschäftigen, über sein bewegtes Leben, seine Kriegserfahrungen. Rund 40 Bücher und Schriften sind dabei zusammengekommen. Aber auch die Heimat liegt ihm sehr am Herzen. Er, dessen Großeltern in Forstmehren in einer alten Mühle lebten, übernahm 1982 die Führung des Landesverbandes „Deutsche Mühlenkultur und Mühlenerhaltung Rheinland-Pfalz“. Zehn Jahre war er zudem Vorstandsvorsitzender der europäischen Gesellschaft für Umweltfragen.

Und nicht zuletzt beschäftigt ihn die Politik – bis heute. Viele Politiker hat er kommen und gehen gesehen, mit vielen war er auf Du und Du, wie man aus seinen Memoiren „Im Rückspiegel“ erfährt. 1980 war er zudem Mitbegründer des Instituts für Demokratieforschung in Würzburg. „Die aktuelle politische Lage macht mir Sorgen“, sagt er und fügt an: „Es ist alles sehr undurchsichtig.“ Ihr Mann verfolge das Weltgeschehen noch sehr genau, bestätigt auch Thea Schneider. Die Sache mit Selenskyj und Trump habe er auch verfolgt, viel mehr mache ihm aber Russlands Rolle Gedanken. Und die Rolle Europas: „Deutschland hat nicht mehr die Bedeutung, die es früher mal hatte“, sagt er. 

Was die Bundestagswahl angeht, so habe er für diejenigen gestimmt, die die Marktwirtschaft begünstigten. Auch ein Thema, das ihn umtreibt. „Die Marktwirtschaft Erhards war es, die für die Gründung meines Unternehmens ausschlaggebend war.“

Schneider wünscht sich zum Geburtstag Gesundheit – und „mehr Rücksicht auf unsere Wirtschaft“ 

Von der Marktwirtschaft aber nun wieder zurück zu ihm, zu seinem großen Tag. Was er sich zum Geburtstag wünsche, fragen wir ihn. „Gesundbleiben“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Dass die Familie gesund bleibt und dass die politische Entwicklung wieder mehr Rücksicht auf unsere Wirtschaft nimmt.“

Top-News aus der Region