Das Landgericht Koblenz musste sich erneut mit den Tatserien eines Afghanen beschäftigen
Milderes Urteil: Gang zum BGH hat sich für Straftäter aus dem Raum Betzdorf gelohnt
Bombendrohung Landgericht Koblenz
Vor dem Landgericht wird ein Totschlag in Ebernhahn verhandelt.
Sascha Ditscher

Betzdorf/Koblenz. Sexuelle Nötigung, Geiselnahme, Verkauf von Marihuana an Minderjährige und mehr: Bereits Ende Juli 2021 hatte das Landgericht Koblenz den damals 37-jährigen Murat Z. (Name von der Redaktion geändert) aus der Region Betzdorf zu insgesamt zehn Jahren Haftstrafe verurteilt. Doch der Angeklagte mit afghanischer Staatsbürgerschaft hatte seine Anwälte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) einlegen lassen – mit Erfolg.

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Komplett neu aufgerollt wurde der Prozess nun aber nicht bei der Verhandlung am Landgericht Koblenz. Der BGH hatte sich damals insbesondere daran gestört, dass in einem früheren Urteilsspruch der Verkauf von Betäubungsmitteln an Minderjährige als gewerbsmäßiger Handel eingestuft worden war. Daneben wurde die Entscheidung an eine andere Strafkammer des Koblenzer Landgerichts zurückverwiesen, weil der BGH die Summe der Gesamtfreiheitsstrafe, die sich auf zwei Tatserien bezieht, aufgehoben hat.

Der Gang zum BGH hat sich für Murat Z. gelohnt: Richter Thomas Metzger setzte in seinem Urteil die Gesamtfreiheitsstrafe von zehn auf acht Jahre und sechs Monate herunter, abzüglich der Dauer der recht langen Untersuchungshaft, in der Murat Z. seit dem vergangenen Urteilsspruch sitzt. Für weitere Kompensationen sah der Richter keine Grundlage.

Zuvor hatte er in dem Zusammenhang zwar noch Potenzial bei dem Handel mit Betäubungsmittel gesehen, aber die sexuelle Nötigung spiele mehr ins Gewicht. Am Ende der Urteilsverkündung gab Metzger seiner Hoffnung Ausdruck, Murat Z. nie wieder in einem Strafgerichtsprozess wiedersehen zu müssen und, dass er die Chancen des geregelten Vollzugs wahrnimmt, etwa Weiterbildungen. Am Rande der Plädoyers seiner Anwälte, Markus Herzog und Thomas Metzger, gab der Dolmetscher die Reuegefühle von Murat Z. wieder: „Ich will mich für das ganze entschuldigen.“ Im Zentrum seiner Taten steht seine Ex-Frau. In Afghanistan waren er und sie 2008 in einer arrangierten Ehe verheiratet worden.

Nach einer Zwischenstation in Tadschikistan und den Geburten von drei Kindern hatte es die junge Familie 2016 nach Deutschland gezogen. Schon in Afghanistan begann Murat Z., seine damalige Frau zu schlagen. Es kamen Morddrohungen und Selbstmordankündigungen hinzu. Die Frau verließ ihn schließlich. Doch damit wollte sich Murat Z. nicht abfinden, organisierte wahre Odysseen, um sie aufzufinden und unter Druck zu setzen. Dabei schreckte er auch nicht vor Geiselnahme zurück.

Neben der aggressiven Behandlung seiner (Ex-)Frau wurde ihm der Handel mit Marihuana in Betzdorf zum Verhängnis – und hier speziell der Umgang mit einer minderjährigen „Kundin“, die er offenbar erfolglos unter Druck setzte, ihn mit sexuellen Gefälligkeiten zu entlohnen.

Vor allem Anwalt Rüdiger Böhm ging immer wieder auf die kulturelle Prägung des Angeklagten ein: „Das ist nicht Herr Meier aus Betzdorf, der es besser hätte wissen müssen“, so der Jurist. In Afghanistan werde einem noch auf die Schulter geklopft für die Vergehen, für die Murat Z. verurteilt wurde. Der Angeklagte habe sich bemüht, sei dabei aber gescheitert. Das ursprüngliche Strafmaß berücksichtige dies nicht ausreichend.

Murat Z. habe sich nach seiner Flucht nach Deutschland an Frau und Kinder geklammert, seine „Insel der Heimat“. Die einzige Triebfeder seines Fehlverhaltens sei der Bruch der Beziehung, so der Anwalt. Mit seiner Ex-Frau hat sich Murat Z. ausgesöhnt, wie auch in einem im Gerichtssaal vorgelesenen Schreiben von ihr deutlich wurde. Sollte er nun keine Revision mehr einlegen, hat die Untersuchungshaftzeit bald ein Ende. Die geregelte Haft bietet ihm dann weitere Chancen, in die deutsche Kultur zu finden.

Von Daniel-D. Pirker

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