Sie wollte so viele Menschen wie möglich töten. In einem Bus ging sie mit einem Messer wahllos auf Menschen los, verletzte drei Männer schwer. Nun schickt das Gericht sie sehr lange hinter Gitter.
Wäre Hanna S. an diesem Spätsommerabend ans Handy gegangen, wäre es nie zu ihrer Bluttat gekommen. So wirkt der 30. August des vergangenen Jahres bis heute in den Köpfen der Menschen in der Region nach. Beim Prozess wurden die Geschehnisse aufgearbeitet.
Mit dem Shuttlebus auf dem Weg zum Fest
Am Abend des Tages befand sich die Stimmung auf dem Stadtfest auf dem Höhepunkt, als die damals 32-jährige Frau in einem Shuttlebus, der auf dem Weg vom Stadtteil Eiserfeld zur Innenstadt war, mit mehreren Messern sechs Menschen angriff, von denen drei lebensgefährlich verletzt wurden. Nun wurde von Richterin Elfride Dreisbach am Landgericht Siegen das Urteil verkündet. Hanna S. muss wegen versuchten Mordes in drei Fällen mit gefährlicher Körperverletzung lebenslang ins Gefängnis.
Die Angeklagte selbst ließ sich keine Emotionen ansehen und blieb im Gerichtssaal stumm. Wer ist der Mensch, der zu so einer Tat fähig war? Richterin Dreisbach beleuchtete den Hintergrund. Demnach wurde Hanna S. in der Schule gemobbt, während ein Auslandsjahr in Australien die schönste Erfahrung in ihrem Leben gewesen sei. Eine toxische Beziehung, so die Aussage, war offenbar eine Ursache für einen Suizidversuch, woraufhin sie sich in psychologische Behandlung begab.
Angeklagte voll geständig
Ein Kollege brachte sie zum Konsum von Drogen – was zum Verlust ihres Führerscheins und des Jobs führte. Zusätzlich habe sie ein Gespräch mit einem Psychologen „runtergezogen“, der Medizinisch-Psychologische Untersuchungen (MPU) durchführt. Er habe ihr mitgeteilt, dass sie ihren Führerschein wohl nach 15 Jahren zurückbekäme, sofern sie keine MPU bestehe. Außerdem liege bei der Angeklagten unter anderem eine narzisstische Persönlichkeitsstörung und eine Borderline-Störung vor.
Richterin Dreisbach betonte, dass Hanna S. die Tat im Vorfeld geplant hatte, wie sie in der Verhandlung selbst erklärt hat. Sie zeigte sich voll geständig. „Wir gehen davon aus, dass sie gezielt töten wollte“, so Dreisbach. Demnach setzte sie sich im Vorfeld mit der Anatomie von Menschen auseinander und studierte Busfahrpläne. Und auch die Mitnahme der Messer gehörte laut der Richterin zu ihrem Plan. Dabei hatte sie zahlreiche Gelegenheiten ungenutzt gelassen, noch ihre Absichten aufzugeben. Und dazu gehört auch der Anruf ihres Vaters während der Busfahrt, den sie gezielt nicht annahm.
Opfer leiden bis heute körperlich und seelisch
Dass Hanna S. nicht auf dem Stadtfest selbst zuschlug, begründete sie dem Gericht zufolge mit der Erwartung von Taschenkontrollen. Im Bus seien zudem die Fluchtmöglichkeiten der Opfer eingeschränkt gewesen. Laut Richterin plante sie, zuerst die kräftigen Menschen auszuschalten. Die ersten drei männlichen Opfer bemerkten erst gar nichts von den Stichen in ihre Hälse. Als Hanna S. sich in dem vollen Shuttlebus dann in Richtung der hinteren Bänke bewegte, wo Kinder saßen, versuchte eine Frau sie zurückzuhalten. Hanna S. stach daraufhin auf sie ein. Deren Schwägerin kam zu Hilfe. Es entwickelte sich ein Handgemenge, bei sich die Kämpfenden bissen. Beide Frauen, die eingriffen, „haben Stand gehalten“, betonte die Richterin. Schließlich konnte ein Mann das Messer der Angeklagten an der Klinge greifen und es aus dem Bus schmeißen. Die Richterin unterstrich: Bis heute leiden die Opfer unter den Folgen der Tat, körperlich wie seelisch. Dass Schlimmeres verhindert wurde, sei dem Umstand zu verdanken, dass Polizisten vor Ort waren, die Blutungen stillen konnten, sowie der Arbeit des Notarztes.
Das Gericht verhängte eine lebenslange Freiheitsstraße, obwohl die Tat im Versuchsstadium blieb, was grundsätzlich die Möglichkeit zur Strafmilderung gibt. Dies begründete das Gericht insbesondere mit der Tatsache, dass sie Opfer ohne sofortige Hilfe gestorben wären. Das Motiv sei gewesen, auf sich aufmerksam zu machen und dafür „Unschuldige um ihr Leben zu bringen“.