Eingangs trat Ulrich Schmalz letztmals in seiner Funktion als Leiter des Forums ans Rednerpult: „Bis zur Jahrtausendwende hatten wir eine Zeit voller Hoffnung, heute sieht es aus wie ein Kampf der freiheitlich-liberalen Welt gegen eine autokratische Welt. Welche Antworten kann die Außenpolitik geben?“, führte er gewohnt souverän in das Thema ein. Mögliche Antworten gaben in den folgenden zwei Stunden der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen (MdB) und der Politikwissenschaftler Andrew Dension. „Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte“, so Röttgen, „haben wir Deutschen eine erhebliche Verantwortung, was alle globalen Entwicklungen angeht.“ In der Folge beleuchtete er die vielfältigen Herausforderungen wie Klimawandel, wirtschaftliche Entwicklung und Friedenssicherung.
Statement zum Ukraine-Krieg
Auch auf die weltweiten Beziehungen Deutschlands ging er ein und widmete sich besonders China sowie dem Krieg in der Ukraine: „Wir befinden uns in einer historischen Zwischenphase. Die Nachkriegsordnung ist seit der Annexion der Krim im Jahre 2014 beendet“, sagte Röttgen und machte deutlich, dass sich Krieg nicht lohnen dürfe. „Verhandlungen würden bedeuten, dass Putin belohnt würde, wir müssen den Krieg besiegen, und das heißt: Die Ukraine muss gewinnen.“ Der CDU-Politiker kritisierte die durch wirtschaftliche Interessen entstandene Abhängigkeit von russischem Gas und der chinesischen Wirtschaft.
Röttgen warnte davor, dass die deutsche Industrie durch Sanktionen „wesentlich härter im Kern getroffen würde als durch die Zerstörung der Pipeline Nord Stream 2“ (die er als politische Waffe bezeichnete). Als Beispiel nannte Röttgen den Autokonzern VW, der mehr als 50 Prozent seiner Umsätze im Reich der Mitte mache. Sein Rezept: Die wirtschaftliche Abhängigkeit von China reduzieren, „falls nicht, gefährden wir unsere wirtschaftliche und politische Existenz“.
Auch im Hinblick auf das transatlantische Verhältnis sieht der erfahrene Außenpolitiker Deutschland in der Verantwortung, gleichzeitig appellierte er an mehr Verantwortungsbewusstsein und eine klare Haltung: „Die USA als europäische Sicherheitsmacht, das ist Wunschdenken.“ Dank der Regierung Biden unterstütze die USA allerdings die Ukraine mit doppelt so viel finanziellen Mitteln wie das gesamte Europa, aber es gebe in in den USA Bestrebungen, den Blick eher nach China zu richten. „Wenn wir die USA halten wollen, müssen wir Partnerfähigkeit mit ihr herstellen“, sagte er.
Ist Deutschland zu zögerlich?
Dieser Einschätzung folgte auch der zweite Experte, Andrew Denison: „Ich bin besorgt über die Nachhaltigkeit der deutschen Außenpolitik. Deutschland sollte sich klare außenpolitische Ziele setzen, um eine deutschlandfreundlichere Welt anzustreben“, sagte der Wissenschaftler und kritisierte, dass „Deutschland seine reaktive Politik noch nicht hinter sich gelassen hat“. Deutschland stehe auf der Bremse statt auf dem Gaspedal. „Die Republikaner in Amerika werden fragen, warum Deutschland und Europa so wenig in der Ukraine machen, das ist Munition gegen die Demokraten“, brachte er seine Bedenken auf den Punkt. Amerikas Ziel sei es, die alten Imperien China und Russland einzudämmen und abzuschrecken.
Denison, der von einer Pax Atlantica (atlantischer Frieden) für eine Pax Humana (menschlicher Frieden) sprach und die globalen Gemeingüter wie saubere Luft, Wasser und auch den Weltraum in den Blick nahm, warnte ebenfalls vor China, das den Westen „über den Tisch ziehen will. Klimaschutz spielt da keine Rolle“, sagte der 60-jährige Politikberater. Gleichzeitig freute er sich, dass die US-Demokraten, die Europa stärker im Blick hätten, ihre Mehrheit im Senat verteidigen konnten. Noch wichtiger sei es, „dass Deutschland seiner geostrategischen Bedeutung gerecht wird“, mahnte Denison.
Die Zuhörer im Kulturhaus schienen die tiefen Eiblicke in die internationale Politik regelrecht aufzusaugen. Sie dankten den Referenten mit viel Applaus.