Zum Teil mangelt es an der Qualifikation der Bewerber - Ansprüche auf beiden Seiten gestiegen
Mangel an qualifizierten Bewerbern: Nicht alle Ausbildungsplätze im AK-Land werden besetzt
Die Unternehmen im Kreis Altenkirchen konnten laut IHK-Kreisgeschäftsstelle nicht alle Ausbildungsplätze besetzen in diesem Herbst. Oft mangele es an der Qualifikation der jungen Leute. Berufsmessen wie die Abom (Foto) oder das Azubi-Speeddating sollen erste Einblicke in das Arbeitsleben und Orientierungshilfen geben. Allerdings, so die IHK, sind auch die Unternehmen in der Pflicht, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Archivfoto: IHK

Kreis Altenkirchen. Unternehmen und Betriebe klagen über Fachkräftemangel. Die Auftragsbücher sind voll, doch das Personal, die Arbeiten auszuführen, fehlt. Jedes Jahr beginnt zum 1. August beziehungsweise 1. September das neue Ausbildungsjahr.

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Wie groß ist das Interesse junger Menschen, einen neuen Beruf im Handel, in der Industrie oder im Handwerk zu erlernen? Wir haben bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Altenkirchen und bei der Kreishandwerkerschaft Rhein-Westerwald angefragt, wie die Situation in unserem Landkreis ist.

Die gute Nachricht kommt zuerst von IHK-Regionalgeschäftsführerin Kristina Kutting. „Der regionale Ausbildungsmarkt im Landkreis Altenkirchen ist so groß und vielseitig, dass alle motivierten Schüler und Schülerinnen einen Ausbildungsplatz finden können“, ist sie sicher. Doch grenzt sie gleich darauf ein: „Noch nie war es schwieriger für die Betriebe, geeignete Azubis zu finden, und noch nie haben die Unternehmen dafür größere Anstrengungen unternommen. Leider konnten in diesem Jahr, wie im letzten auch, nicht alle ausgeschriebenen Ausbildungsplätze besetzt werden. Grund hierfür war, dass die Unternehmen keine passenden, beziehungsweise geeigneten Bewerber fanden.“

Es gebe noch einige offene Ausbildungsstellen, die noch bis Ende des Jahres besetzt werden könnten. Allerdings: „Die Unternehmen melden uns zurück, dass zum Teil die Leistungsfähigkeit der jungen Menschen abgenommen hat, die Qualifikation der Schulabgänger ist schlechter. Die Unternehmen müssen damit umgehen. Die Folge ist hier nun, dass die Intensität der Betreuung der jungen Menschen stärker sein muss.“

Die mangelnde Berufsorientierung der vergangenen Corona-Jahre habe das Matching zudem nachhaltig beeinträchtigt. Hinzu komme, dass früher Abitur und Studium eine Ausnahme waren, heute jedoch etwa die Hälfte der Schüler im Kreis die Schule bis zur Hochschulreife besuche. Für die Jugend ist der Freizeitwert auch relevanter als noch vor einigen Generationen.

Zahlen für das AK-Land

Laut IHK wurden im Kreis Altenkirchen ab Sommer insgesamt 293 eingetragene Ausbildungsverhältnisse begonnen (Stand 30. September). Im kaufmännischen Bereich sind es 166 und im gewerblichen Bereich sind es 127 eingetragene Ausbildungsverträge. Im Vergleich zu 2021 bedeutet das eine Erhöhung um 2,1 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es 287 eingetragene Ausbildungsverhältnisse. Bei der HWK wurden im Oktober 199 neue Ausbildungsverträge für den Kreis Altenkirchen gezählt, die Zahl ist im Vergleich zum Oktober 2021 (207) und dem Oktober 2020 (213) leicht rückläufig. Auch rechnet man zum Jahresende damit, dass etwas weniger neue Ausbildungsverhältnisse begonnen werden. 2021 waren es gesamt 598. sr

Trotzdem, so Kutting, würden die Betriebe eine Menge tun, um geeigneten Nachwuchs zu bekommen. „Betriebe richten ihre Ausbildung zunehmend an den Wünschen der Generation Z aus und bewerben sich bei ihrem Nachwuchs“, lautet ihr Fazit. So würden die Unternehmen vermehrt mit Ausbildungsbotschaftern und Azubiscouts in die Schulen gehen, um authentisch vor Ort für die beruflichen Perspektiven einer dualen Berufsausbildung zu werben. Und auch die IHK versucht mit verschiedenen Angeboten, neue Fachkräfte für die Zukunft im Kreis zu gewinnen. Als Beispiele nennt sie die Abom (Ausbildungsmesse der IHK), die Expedition Arbeitswelt sowie den Ausbildungsatlas der IHK.

“Es ist wichtig, jungen Menschen attraktive Ausbildungs- und Entwicklungsperspektiven vor Ort aufzuzeigen. Manche Berufe sind mit Vorbehalt behaftet. Durch Praktika und Schnuppertage können die Berufsgruppen sich vorstellen und die jungen Menschen intensiv kennenlernen, und diese stellen danach fest, dass dieser Beruf doch nicht so unattraktiv ist, wie vorher gedacht.“

Allgemein, so die IHK-Frau, suchten alle Branchen nach Azubis und hätten noch offene Ausbildungsstellen. Manche Berufsfelder seien aber für die jungen Menschen attraktiver als andere. „Vor allem die Branchen im Gastgewerbe (Gastronomie und Hotellerie) verzeichnen einen sehr hohen Rückgang an Azubis als auch an Fachkräften. Ebenso im Bereich Pflege und Erzieher ist großer Bedarf da. Größere Firmen können meist ihre Ausbildungsplätze noch besetzen, trotz einer geringen Anzahl an Bewerbungen wie vor drei oder vier Jahren.“

Für die Zukunft sieht Kutting die Unternehmen noch mehr in der Pflicht. Betriebe müssten auch zukünftig größere Anstrengungen unternehmen, um ihre offenen Ausbildungsplätze zu besetzen. Ausbildungsunternehmen müssten ihr Engagement in der beruflichen Orientierung weiter ausbauen, etwa durch IHK-Schulpatenschaften, Teilnahme an Ausbildungsmessen, Azubi-Speed-Dating und anderen Angeboten. „Nur wenn Unternehmen und Branchen neue Möglichkeiten der Ausbildungsgestaltung oder Innovationen anbieten, führen diese Erfahrungen dazu, dass sich die duale Ausbildung in Deutschland weiterentwickelt.“

Auch bei der HwK ist ein leichter Rückgang bei den Ausbildungsplätzen zu verzeichnen. „Die Anzahl der eingetragenen Ausbildungsverträge liegt derzeit leicht unter dem Niveau des letzten Jahres“, so Elisabeth Schubert von der Kreishandwerkerschaft Rhein-Westerwald. „Aber die hierzu vorliegenden Zahlen spiegeln den Zeitraum Januar bis September wider. Veränderungen bis Ende des Jahres müssen noch abgewartet werden“, macht sie klar.

Nach wie vor mangele es an Bewerbern. Die Betriebe versuchten, über die unterschiedlichsten Kanäle Nachwuchskräfte zu generieren. „Mit Ausbildungsmessen, dem Vorstellen der Berufe in den Schulen und dem Anbieten von Praktika, aber insbesondere auch dem Werben in den sozialen Medien wird versucht, junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen“, weiß Schubert.

Die Netzwerkpartner der Region, die in einem intensiven Austausch stehen, versuchten durch gemeinsame Aktionen die Betriebe dabei zu unterstützen (Kreishandwerkerschaft, Agentur für Arbeit, Wirtschaftsförderung, Handwerkskammer, IHK).

Durch die Veränderungen in den jeweiligen Berufen beziehungsweise die digitalen und technischen Weiterentwicklungen hätten sich die Anforderungen an eine Ausbildung sicherlich verändert.

„Im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen passen sich die Betriebe durchaus in den verschiedenen Bereichen den veränderten Gewohnheiten der Gesellschaft an. Natürlich sind hier die Möglichkeiten je nach Betriebsstruktur unterschiedlich.“

Nach wie vor sei eine systematische Berufsorientierung zu den Möglichkeiten einer beruflichen Ausbildung im Handwerk an allen Schulformen – insbesondere an Gymnasien – dringend notwendig und müsse forciert werden, damit sich mehr junge Menschen für den beruflichen Ausbildungsweg entscheiden würden. „Allerdings muss in Zukunft der Fokus nicht nur auf die Gewinnung von Auszubildenden aus der Gruppe der Schulabgänger gelegt werden, sondern auch auf die jungen Menschen, die feststellen, dass sie den falschen Weg eingeschlagen haben und sich umorientieren möchten.“

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