Lügengewirr, emotionale Manipulation, Betrug, aber auch Liebe, Zweifel und Kampf bis zum Gerichtsurteil. Sehr persönliche Einblicke in diese Spannungsfelder gibt der dreiteilige Dokumentarfilm „Love Scam - Die Geschichte eines unglaublichen Betrugs“, der ab diesem Donnerstag, 5. Juni, beim Fernsehsender Sky und dem Streaminganbieter WOW zu sehen ist. Hauptfigur ist der gebürtige Wissener Matthias Rödder.
Der in Köln lebende Rödder ist zwar nebenberuflich auch als Schauspieler tätig, doch in diesem Fall ist die Handlung alles andere als fiktiv. Erzählt wird, wie Rödder und andere auf einen kriminellen Hochstapler hereingefallen sind, der seine Freunde belogen und bestohlen hat. Für den Westerwälder brach nach vierjähriger Beziehung eine Welt zusammen und die Wahrheit zog ihm nach eigenem Bekunden den Boden unter den Füßen weg. Im Austausch mit unserer Zeitung schreibt der 44-Jährige: „Ich würde mich wirklich nicht als dummen oder naiven Menschen bezeichnen (...); ich habe gezweifelt und hinterfragt, aber es wurden ständig sämtliche Zweifel ausgeräumt und mit gefälschten Unterlagen/Beweisen untermauert. Es kann wirklich jedem passieren.“
Allmählich tauchten Fragezeichen auf
Sein Ex-Partner erschuf ein komplexes Lügenkonstrukt, bis hin zu einer Anstellung als Jurist am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg – was die wiederkehrenden Abwesenheitszeiten erklären sollte. Lange Zeit vertrauten auch Rödders Freunde und Familie dem skrupellosen Blender, erst allmählich tauchten Fragezeichen auf. In dem Film kommen zum Beispiel Rödders Schwester und Schwager aus Wissen zu Wort, ebenso ein guter Bekannter, der Journalist Christian Erll.
Regisseur Nils Bökamp wurde durch einen Zeitungsartikel auf den Wahlkölner aufmerksam. Die Recherchen durch ihn und sein Team förderten laut Rödder „viele unfassbare neue Fakten“ zutage. Andere Geschädigte wurden ausfindig gemacht, und einige überwanden ihre Scham, von dem Betrug zu erzählen. Dieser erweiterte Blickwinkel trug dazu bei, dass die gesamte Produktion letztlich rund eineinhalb Jahre in Anspruch nahm. Gleichwohl hätte es den Rahmen gesprengt, alle Details abzubilden.
Die Dokumentation lässt keinen Zweifel daran, wie sehr Matthias Rödder dafür kämpfte, dass der Betrüger vor Gericht kommt und verurteilt wird („ein Rödder gibt nicht auf“). Die zu verbüßende Haftstrafe wurde nach erfolgreicher Revision schließlich auf vier Jahre und Monate Gefängnis reduziert. Inzwischen ist der betrügerische Hochstapler wieder auf freiem Fuß.
„Man sollte sich Freunden und Familie anvertrauen und über eventuell aufkommende Zweifel sprechen.“
Matthias Rödder gibt Betroffenen den Tipp, sich nicht aus Scham und Scheu einzuigeln.
Das Risiko, seinem Ex-Partner zufällig zu begegnen, ist Matthias Rödder bewusst: „Die Gefahr ist absolut real. Er scheint nach wie vor in der Region zu leben, aber ich habe jahrelange Therapien hinter mir und fühle mich absolut gewachsen, ihm zu begegnen. Es wird eine Schrecksekunde geben, aber mehr auch nicht.“ Generell möchte der Wahlkölner den Dokumentarfilm in zweierlei Hinsicht verstanden wissen: Einerseits als „Mahnung, da es von diesen narzisstischen und manipulativen Menschen doch einfach zu viele unter uns gibt.“ Und andererseits auch als „Aufklärung, die zeigt, wie sehr unser Rechtssystem versagen kann.“ Denn die Staatsanwaltschaft habe den kriminellen Hochstapler schon lange auf dem Schirm gehabt, doch dieser sei unzählige Male auf Bewährung freigekommen und habe sich immer wieder raus gewunden.
Rödder: „Niemand hat ihn gestoppt. Es hätte viel Leid verhindert werden können.“ Als besonders schlimm empfindet nicht nur er es, dass der Betrüger in gerichtlichem Auftrag mehrfach Betreuungen übernommen hat – und auf diese Weise weitere Menschen hintergehen und abzocken konnte. Für viele blieb am Ende nur der Weg in die Privatinsolvenz. „Ich kenne Menschen, die bis heute Kredite abzahlen, die sie für ihren Ex abgeschlossen haben, während dieser frei rumläuft.“
Nicht nur finanzieller Schaden
Die Folgen von Lügen und Identitätsdiebstahl (vorwiegend um Versicherungen abzuschließen und dann mit erfundenen Fällen abzukassieren) gehen weit über den finanziellen Schaden hinaus. Gravierend an diesem sogenannten „Gasligthing“ sei, so Rödder, „dass auch nach jahrelangen Therapien dein Vertrauen gebrochen ist.“
Er selbst hat sich mit viel Energie durch seine bröckelnde Beziehung und die aufwühlende Phase danach gekämpft. Nach dem Abschluss des Architekturstudiums fand der heute 44-Jährige einen erfüllenden Job als Projekt- und Bauleiter („mache ich wirklich sehr gerne“). Gelitten haben derweil Rödders künstlerische Tätigkeiten als Schauspieler und Sänger. Zwar habe er 2022 eine neue Soloshow geschrieben, diese aber in dem extrem harten Business nicht weiter vermarktet. Momentan hätten sein Privatleben und das Glücklichsein absolute Priorität. Rödder: „Was daraus entsteht? Lassen wir uns überraschen.“