Betzdorf – Gestern hat „Bild“ den „Betzdorfer Schnitzelkrieg“ aufgegriffen – ein Vorfall, der sich an der Christophorus-Schule Ende Februar ereignet hat und dort als längst erledigt gilt. Die Lehrerin, die Muslimschülern versehentlich Schweinefleisch gegeben hatte, sieht das ganz anders.
Ursula Emde ist die Lehrerin, die an der Christophorus-Schule Ende Februar ein Puten- mit einem Schweineschnitzel verwechselt haben soll. Ein muslimischer Junge hatte zu Hause erzählt, die 59-Jährige habe ihm Schweinefleisch gegeben – für Moslems bekanntlich tabu, weshalb an der Betzdorfer Schule auch darauf geachtet wird. Erst nach mehr als sieben Monaten griff RTL-„Extra“ den Vorfall auf, offensichtlich, weil er nun in die aktuelle Integrationsdebatte passt (die RZ berichtete). Gestern stand es nicht weniger reißerisch in „Bild“: „Lehrerin gefeuert.“
Ursula Emde sieht darin die Wahrheit. Sie macht Schulleiter Alexander Waschow den Vorwurf, er habe damals nicht souverän reagiert und sie für einen Fehler geopfert, den man auch anders aus der Welt hätte schaffen können.
Dass RTL und „Bild“ in der Art ihrer Berichtaufmachung – Serienmotto „Bild“: „Wenn Multikulti zum Irrsinn wird“ – ausländerfeindliche Vorurteile bis hin zur Fremdenfeindlichkeit schüren könnten, empfindet Emde nicht so. „Es geht mir nur um die Wahrheit. Die muss man sagen dürfen. Diese Berichterstattung war in Ordnung und hat mit Ausländerfeindlichkeit nichts zu tun.“ Die Kinder habe sie alle gemocht, 18 Jahre lang ihren Beruf gerne ausgeübt: „Ich habe auch keinen Groll gegen die muslimischen Schüler. Sie sind mir lieb und wert, wie die deutschen auch. Den Fehler mit dem Schweinefleisch habe ich sicher nicht absichtlich gemacht.“
Emde fühlt sich aber von ihrem Rektor im Stich gelassen. Waschow habe sich in dem Fall im Februar von muslimischen Eltern unter Druck setzen lassen. Er habe sie keineswegs nur deshalb in den ersten beiden Tagen nach dem Fall vom Dienst freigestellt, damit die Lage sich entspannen könne. „Er hat zu mir gesagt“, so die Lehrerin, „,Gehen Sie nach Hause und sagen Sie mir in den nächsten zwei Tagen bescheid, ob Sie auf eigenen Wunsch an eine andere Schule versetzt werden wollen.' Dann hat er mich aus dem Stundenplan herausgenommen. Das kam für mich einem Rausschmiss gleich. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte.“ Sie habe sich derart unter Druck gesetzt gefühlt, dass sie sich habe krankschreiben lassen. Gegen die Freistellung hat sie Widerspruch bei der Schulbehörde ADD erhoben.
Waschow sagte der RZ, er sei verärgert, dass der Vorfall nun so groß in die Öffentlichkeit geraten sei: „170 Mails und Faxe erreichten nach dem RTL-Bericht die Schule, meist mit übelsten Beschimpfungen gegen mich. Schade, dass Frau Emde so weit gehen musste. Sie hat in den letzten Monaten nie das Gespräch mit mir gesucht.“ Und: „Ich bin als Rektor gar nicht berechtigt, einen Lehrer zu entlassen.“
Die türkische Gemeinde habe damals sehr zurückhaltend reagiert und „in keiner Weise den Schulfrieden gestört“. Ursula Emde dagegen spricht von einem „Ultimatum“, das die betroffenen Eltern an Waschow gerichtet hätten. Anke Schneider-Hüsch, Mutter an der Schule, berichtet, der Rektor habe ihr gesagt, wenn Emde nicht aus dem Dienst gehe, „verlassen alle muslimischen Kinder die Schule. Ich kann sie an dieser Schule nicht mehr einsetzen“.
Die Lehrerin bestreitet auch, dass ihre Entschuldigung wegen des Fleischversehens von der muslimischen Familie angenommen worden sei: „Ich habe mich bei der Mutter am Telefon entschuldigt, aber sie sagte: ,Ich nehme Ihre Entschuldigung nicht an, Sie müssen die Verantwortung selber tragen'.“
Ahmet Öcal, der stellvertretende Vorsitzende des Ausländerbeirats Betzdorf: „Für die türkischen Kollegen ist die Sache erledigt. Die Berichte in RTL und Bild sind für uns eine Provokation, aber es darf der Freundschaft von Migranten und Deutschen nicht schaden. Wir sind ein Teil von Betzdorf und dürfen uns das durch solche Berichte nicht kaputt machen lassen.“
Ursula Emde ist überzeugt, dass Rektor Waschow einer Diskussion ausweichen wollte, die nötig gewesen wäre: „Hätte er mich unterstützt, hätte ich weiter unterrichten können, wir hätten die Probleme in den Griff bekommen. Es wäre an Herrn Waschow gewesen, die Sache nicht so hoch zu hängen.“ Peter Seel