Es geht um mehr als 92 000 Euro auf zwei Sparbüchern - Landgericht sieht Schenkung durch Westerwälder als wirksam an
Landgericht sieht wirksame Schenkung: Schwester darf Geld von totem Bruder aus dem Westerwald behalten
Ein inzwischen verstorbener Mann aus dem Westerwald hatte seiner Schwester 2019 zwei Sparbücher ausgehändigt. Das Landgericht Koblenz sieht darin eine „wirksame“ Schenkung von mehr als 92.000 Euro. Foto: Marc Ehling
Marc Ehling / honorarfrei

Westerwald. Mit einem nicht alltäglichen Fall sah sich jetzt das Landgericht Koblenz konfrontiert. Die 3. Zivilkammer musste die Frage klären, ob es für eine wirksame Schenkung von Sparguthaben bei einer Bank ausreicht, einer anderen Person die Sparbücher auszuhändigen. Die Antwort der Richter: Ja – in dem konkreten Fall.

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Die rechtliche Bewertung ist allerdings doch komplexer, als es zunächst den Anschein hat.

Der Sachverhalt: Die Beklagte hat laut Presseinfo des Landgerichts zwei Sparbücher im Besitz. Diese gehören zu Sparkonten ihres mittlerweile verstorbenen Bruders bei der Sparkasse Westerwald-Sieg. Insgesamt geht es um ein Guthaben von 92.148,41 Euro. Abtretungserklärungen des Mannes, der nach Informationen unserer Zeitung im Kreis Altenkirchen lebte, zugunsten seiner Schwester liegen bei dem Kreditinstitut nicht vor. Auch eine notariell beurkundete Schenkung ist nicht erfolgt.

Die Klage: Der Kläger hatte im Rahmen seiner Tätigkeit als Testamentsvollstrecker für den Nachlass des verstorbenen Bruders der Beklagten die Herausgabe dieser beiden Sparbücher an ihn gefordert. Er ist der Auffassung, dass die Sparforderungen mangels Abtretung an die Beklagte dem Nachlass zuzuordnen seien und damit auch die den Sparkonten zugehörigen Sparbücher. Eine Schenkung sei schon deshalb auszuschließen, weil die Beklagte unstreitig keine Schenkungssteuer gezahlt habe, so sein Argument.

Die Verteidigung: Die Beklagte behauptete, der Erblasser habe ihr die beiden Sparbücher im Mai 2019 übergeben und die Einlagenforderung durch Abtretung auf sie übertragen. Bei Übergabe der Sparbücher habe der Erblasser ihr erklärt, sie könne über das vorhandene Guthaben verfügen. Es habe sich um eine Schenkung gehandelt.

Die Entscheidung: Das Landgericht Koblenz hat die Klage abgewiesen, weil es zu der Auffassung kam, dass die Sparbücher und die sich daraus ergebenden Sparguthaben durch Schenkung in das Eigentum der Beklagten übergegangen sind. Da kein Schenkungsversprechen in notarieller Form vorliege, sei eine mündlich vereinbarte Schenkung nur dann wirksam, wenn sie vollzogen („bewirkt“) sei. Bei beweglichen Sachen hänge in aller Regel die Wirksamkeit der Schenkung nicht von einem notariellen Vertrag ab. Denn die Schenkung eines beweglichen Gegenstandes werde durch die Übergabe sofort vollzogen.

Wie verhält es sich bei einem Sparbuch? Bei einem Sparbuch, so das Gericht, reiche die Übergabe zum Vollzug der Schenkung erst einmal nicht aus. Das Sparbuch verbriefe eine Forderung gegen die Bank. Die Forderung gegen die Bank gehe nicht dadurch auf einen Dritten über, dass das Eigentum an der Urkunde auf den Dritten übertragen wird. Vielmehr stehe das Eigentum an der Schuldurkunde bei einem Sparbuch dem jeweiligen Forderungsgläubiger zu. Wer das Guthaben aus einem Sparbuch an einen Dritten übertragen möchte, müsse deshalb eine Abtretung der Forderung gegen die Bank mit dem Dritten vereinbaren. Der Vollzug einer Schenkung erfordere bei einem Sparbuch grundsätzlich eine Abtretungsvereinbarung zwischen dem Schenker und der beschenkten Person.

Wie ist eine „Übergabe“ der Sparbücher juristisch zu bewerten? Solche Abtretungsvereinbarungen könnten sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend (konkludent) getroffen werden, heißt es in der Presseinfo aus Koblenz. Wer ein auf seinen Namen ausgestelltes Sparbuch an einen anderen mit dem Willen „Das darfst Du behalten“ übergebe, verbinde damit die Vorstellung, dass damit alles geregelt sein solle.

Die Rechtsprechung nehme daher in bestimmten Fällen an, dass mit der Übergabe eines Sparbuches eine konkludente Abtretungsvereinbarung zu Gunsten des Beschenkten in Betracht komme, so dass die Schenkung mit der Übergabe des Sparbuchs vollzogen sei. Dabei komme es allerdings auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei es gefestigter Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum entspreche, dass in aller Regel in der Übergabe des Sparbuches ein wesentlicher Anhaltspunkt für die Abtretung der Forderung zu sehen sei.

Wie sieht es im konkreten Fall aus? Die Beklagte, die nach Informationen unserer Zeitung ebenso wie der Kläger nicht im Westerwald lebt, hat laut Gericht vorgetragen, ihr Bruder habe ihr die beiden Sparbücher im Mai 2019 ausdrücklich mit der Erklärung übergeben, dass sie über das auf den Sparkonten vorhandene Guthaben frei verfügen könne. Sie habe zu ihrem Bruder stets ein sehr inniges Verhältnis gepflegt, und er habe sie mit der Schenkung der Sparbücher finanziell fürs Alter absichern wollen, nachdem sie sich seit der Kindheit stets um ihn gekümmert habe und ihm auch bei der beruflichen Ausbildung den Vortritt gelassen habe.

Wie bewertet das Gericht diese Aussage? Für die 3. Zivilkammer fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass dass die Beklagte den Besitz an den Sparbüchern anders als willentlich durch den Erblasser erlangt haben könnte. Nach Durchführung der Beweisaufnahme kam das Gericht zudem zu der Überzeugung, dass die Beklagte die Sparbücher von dem Erblasser mit einem entsprechenden Abtretungswillen übergeben bekommen habe. Dass für die Sparkonten bei der Sparkasse Westerwald-Sieg keine entsprechenden Abtretungserklärungen zugunsten der Beklagten hinterlegt worden seien, stehe einer wirksamen Schenkung nicht entgegen.

Denn eine solche sei für eine Schenkung nicht zwingend notwendig. Auch stehe der Umstand, dass der Erblasser das Guthaben nicht zu seinen Lebzeiten auf die Beklagte hat umschreiben lassen, einem entsprechenden Zuwendungswillen nicht entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass er über das Guthaben auf den Sparkonten noch in irgendeiner Form verfügen wollte oder sich entsprechende Verfügungsmöglichkeiten vorbehalten wollte, seien nicht ersichtlich.

Ist die „Angelegenheit“ damit erledigt? Juristisch noch nicht ganz, denn das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Und auch steuerlich könnte es für die Schwester des Verstorbenen noch ein Nachspiel geben. Das Gericht betont zwar, dass die fehlende Anzeige einer entsprechenden Schenkung gegenüber dem Finanzamt vielerlei Gründe haben könne. Deshalb lasse dies keine belastbaren Rückschlüsse darauf zu, dass die Beklagte eine Schenkung nur erfunden habe. Insoweit könne die unterbliebene Anzeige darauf zurückzuführen sein, dass der Beklagten eine entsprechende Anzeigepflicht nicht bekannt war. Die steuerrechtlichen Folgen möge sie aber zu tragen haben, diese stünden jedoch der Schenkung als solcher nicht entgegen.

Aktenzeichen: 3 O 457/23

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