Standorte im AK-Land betroffen
Kyocera-Mitarbeiter bangen um ihre Zukunft
Seit 1988 ist Kyocera (damals Elco) in Betzdorf ansässig. 2018 kam eine Produktionsstätte in Steineroth hinzu. Foto: Thomas Leurs
Thomas Leurs

Bei den Kyocera-Standorten in Betzdorf und Steineroth stehen Entgeltkürzungen,  Tarifverschlechterungen und Jobabbau im Raum. Die Arbeitnehmerseite baut Druck auf – und strebt gleichzeitig die Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung an.

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Mehrmals betont Daniel Müller, dass die Arbeitnehmerseite die Tür in Richtung Geschäftsleitung nicht zuschlagen wolle. Müller ist politischer Sekretär der IG-Metall-Geschäftsstelle und zuständig für die Kyocera AVX GmbH (ehemals Elco) in Betzdorf/Steineroth. Der Betrieb, der laut dem globalen Unternehmensverzeichnis Kompass Steckverbindungen für die Elektronik- und Autoindustrie sowie Mechatronikbauteile produziert und Gehäuseeinlegearbeiten durchführt, befindet sich in wirtschaftlicher Schieflage. Noch arbeiten an den beiden Standorten in der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain laut Müller rund 220 Mitarbeiter. Der Gewerkschaftssekretär und der Betriebsrat kämpfen dafür, dass dies auch so bleibt. In einem offenen Brief hat die IG Metall die Sorgen der Belegschaft auf den Punkt gebracht, von denen Müller zufolge 80 Prozent der Gewerkschaft angehören. Demnach habe die Geschäftsleitung auf einer Betriebsversammlung Ende Oktober die Frage, wie sie den Karren aus dem Dreck ziehen wolle, nicht beantwortet.

Geschäftsleitung stellt Tarifbindung infrage

Deutlich sei die Arbeitgeberseite nur geworden bezüglich der Ablehnung möglicher tariflicher Entgelterhöhungen und einer Kündigung der Tarifbindung, die erst vor etwa zehn Jahren erkämpft wurde. Die Unternehmensführung habe mittlerweile einen Antrag auf Abweichung vom Tarifvertrag gestellt. „Die Rede des Geschäftsführers hat uns alle wütend gemacht“, sagt Müller. Darin habe er behauptet, dass die Mitarbeiter „zu teuer“ seien. Letztlich hätte dies laut dem Gewerkschaftssekretär den Verzicht auf Lohn oder Teile des Tarifvertrags bedeutet – auch weitere Entlassungen habe die Geschäftsführung nicht ausgeschlossen.

Über ein Freiwilligenprogramm haben Kollegen das Unternehmen bereits verlassen, laut dem offenen Brief sei „eine sehr hohe Anzahl“ von weiteren Mitarbeitern bereit, diese Option zu ziehen. In dem Schreiben der IG Metall wird dies als Zeichen für fehlendes Vertrauen in die Zukunft des Unternehmens gewertet. Die Verantwortung für die Schieflage sieht die Arbeitnehmerseite bei der Unternehmensleitung vor Ort. Müller formuliert in Richtung der Geschäftsleitung die Erwartung, das Unternehmen besser am Markt zu positionieren und neue Kunden zu gewinnen.

„Lassen Sie uns gemeinsam Ideen und Vorschläge generieren.“
Die Arbeitnehmerseite streckt der Geschäftsleitung von Kyocera Betzdorf/Steineroth in einem offenen Brief die Hand aus.

Langjährige Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit zu entlassen und den verbliebenen Mitarbeitern die Löhne zu kürzen oder den Tarifvertrag zu kündigen, sei weder eine unternehmerische Leistung noch eine Lösung für die Zukunft. Der auf der Betriebsversammlung dargestellten schwierigen Situation will die Gewerkschaft nicht widersprechen. Doch das Gegenmodell der IG Metall lautet „besser statt billiger“. Der damit verbundene Appell an die Geschäftsleitung: „Lassen Sie uns gemeinsam Ideen und Vorschläge generieren, die unseren Betrieb wieder zukunftsfest machen, die Kosten senken und die Arbeitsplätze und die tariflichen Entgelte absichern.“ Konkret bedeutet dies laut Müller, gemeinsam alle Kosten und Abläufe auf den Prüfstand zu stellen. „Und wenn das alles nicht hilft, sind wir auch bereit, mit der Firma zu verhandeln, was in Zukunft der Tarifvertrag abdeckt und was nicht.“ Um Kosten zu sparen, zeigt er sich etwa Arbeitszeitverkürzungen oder der Einführung von Kurzarbeit gegenüber nicht abgeneigt. Der Tarifvertrag ermögliche dies in einer Notsituation. Müller stellt fest: : „Es gibt überhaupt keine Verweigerung, aber dafür muss die Geschäftsleitung in die Pötte kommen.“

Sollte die Arbeitgeberseite das Angebot zur Zusammenarbeit unter ausschlagen, würde die Gewerkschaft den Druck erhöhen. Im nächsten Jahr stehen laut Müller Gespräche über den Interessensausgleich und Sozialverträge an. „Wenn sich die Geschäftsleitung weigert, mit uns gemeinsam zu agieren, dann werden die Verhandlungen sehr belastet sein.“ Dazu muss es allerdings nicht kommen. Er wünscht sich, dass die Arbeit an einer gemeinsamen Lösung noch in diesem Jahr noch beginnt. Unsere Zeitung hat auch das Unternehmen um Stellungnahme gebeten. Bis zum Redaktionsschluss wurden die Fragen nicht beantwortet.

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