Eine große Mehrheit der Kreistagsmitglieder stimmte außerdem für den Wirtschaftsplan und die Gebührenkalkulation des Abfallwirtschaftsbetriebs (eine Enthaltung, zwei Gegenstimmen) sowie die aufgrund der Gebührenerhöhung erforderliche Änderung der Abfallgebührensatzung (zwei Enthaltungen, eine Gegenstimme).
Ansatz für Heizkosten steigt immens
Landrat Peter Enders stellte den zum Wort des Jahres gewählten Begriff der Zeitenwende in den Mittelpunkt seiner Haushaltsrede. Vor allem mit dem Thema Energiekosten wirke sich diese auch auf die kommunale Ebene aus. So steige der Ansatz für Heizkosten von 810.000 Euro im 2022er-Etat auf mehr als 2 Millionen Euro im neuen Haushalt. Einer Zeitenwende komme aber auch das neue Finanzausgleichsgesetz gleich, das den Kreis „eindeutig unter den Gewinnern“ liste.
So erfahre der Kreis eine Verbesserung um rund 21 Millionen Euro bei den Zuweisungen aus dem Ausgleich. „Das zeigt, dass wir lange Jahre für die Erfüllung unserer Aufgaben zu schlecht ausgestattet worden sind“, stellte Enders aber auch fest. Sehr zweifelhaft sei zudem, ob auch in den kommenden Jahren eine ähnlich hohe Ausgleichsmasse zur Verfügung steht wie in diesem Jahr durch die hohen Gewinne von Biontech und anderen Unternehmen im Land. „Nicht alles Wünschenswerte wird auch bezahlbar sein“, folgerte der Landrat daher nach einem Überblick über die Bestandteile des Zahlenwerks.
Kritik an der Landesregierung
Die Haushaltsdebatte der Fraktionssprecher ähnelte dann über weite Strecken mehr einem landespolitischen Schlagabtausch – da doch über die Schwerpunkte des Etats, etwa beim Katastrophenschutz mit dem Einstieg in den Aufbau eines Sirenennetzwerks, kein Dissens herrscht. Den Anfang machte Michael Wäschenbach (CDU), der die von vielen seiner Parteifreunde auf der Ebene der kommunalen Oberhäupter bereits geäußerte Kritik an der Neuregelung des Finanzausgleichs bekräftigte.
Die Landesregierung belege ein weiteres Mal, dass sie die kommunale Ebene „wie ein ungeliebtes Stiefkind behandelt. Wir tun als Kreis das, was wir können, um unsere Gemeinden loyal zu entlasten“, sagte er mit Blick auf die Senkung der Kreisumlage von 44,5 auf 40 Prozent.
Mehr Entschlossenheit beim Klimaschutz
Bernd Becker (SPD) hielt dem entgegen, dass die Kommunen im Urteil des Verfassungsgerichtshofs, das die Neuregelung auslöste, zu einer angemessenen Ausschöpfung der eigenen Einnahmequellen aufgefordert seien. Hier habe es in der Vergangenheit an Entschlossenheit gefehlt, was ein Blick auf die – viel höheren – Hebesätze in NRW-Nachbarkommunen zeige.
Mehr Entschlossenheit, auch seitens der Kreisspitze, fordert Becker beim Klimaschutz, besonders beim Ausbau der Windkraft. „Was hindert uns zum Beispiel daran, die Forderung nach einem Energiepark auf dem Siegerlandflughafen zu unterstützen“, fragte er rhetorisch und beklagte auch die lange Bearbeitungszeit bei Windkraftgenehmigungen.
Grüne fordern klimaverträglichen ÖPNV
Anna Neuhof (Grüne) wies darauf hin, dass ein Großteil des Haushaltsvolumens aus der Umsetzung von Pflichtaufgaben bestehe, für deren Finanzierung Bund und Land den Kreis teils nicht im ausreichenden Maß finanziell ausstatten würden. Die Ausweitung und Kostenübernahme des ÖPNV bezeichnete sie als wichtiges Anliegen und wünschte sich eine baldmöglichste Umstellung auf Elektro- oder Wasserstoffbusse. „Das sind Zukunftsideen, die wir angehen müssen.“
Hubert Wagner (FWG) bezeichnete den Etat 2023 als Übergangshaushalt und warnte vor zu viel Euphorie angesichts der scheinbar günstigen Zahlen. Die Unterdeckung bei der Finanzierung des ÖPNV und der Personalkosten in den Kitas, die Ausdehnung der Aufgaben etwa beim Katastrophenschutz sowie den „Sonderfaktor Biontech“, der so vermutlich nicht noch einmal eintreten werde, nannte er als Risiken, die sich auf künftige Haushalte auswirken könnten. Dann müsse die Kreisumlage wohl auch wieder angehoben werden.
Auf den Erfolg des Pharmaunternehmens kam auch Udo Piske (FDP) zu sprechen. Dies zeige, „dass es Unternehmen und die dazugehörenden Arbeitnehmer sind, die mit ihren Abgaben und Steuern die staatlichen Ausgaben finanzieren. Insofern ist es eine wichtige Aufgabe für die Kommunen und Landkreise, optimale Bedingen für Unternehmen und die damit verbundenen Arbeitsplätze zu schaffen.“
„Die Bezuschussung des Landes ist zu niedrig“, stellte schließlich auch Udo Quarz (Linke) mit Blick auf ÖPNV einschließlich Schülerbeförderung sowie Kita-Personalkosten fest. Das Konnexitätsprinzip werde nicht beachtet.
Kreistag stimmt für Verkauf von Gleisanlagen
Einmütig hat der Kreistag in seiner Sitzung die Weichen für einen Verkauf der Stammstrecke der Westerwaldbahn an die meistbietende Firma Westerwälder Holzpellets gestellt. Dem entsprechenden Antrag der Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und Linken, die Gleisgrundstücke zu verkaufen und die Westerwaldbahn zu den Vorbereitungen dafür zu ermächtigen, befürwortete das Gremium einstimmig und ohne Enthaltung. Diskutiert wurde auch nicht über den Antrag, den der SPD-Fraktionschef Bernd Becker nur knapp vorstellte, da die Sachlage hinlänglich bekannt sei. Becker las lediglich einen Absatz aus der Begründung vor: „Der Kreis ist rechtlich verpflichtet, an den Meistbietenden zu verkaufen. Es gäbe daneben nur die Option, nicht zu verkaufen. Daran kann die Westerwaldbahn und damit der Kreis kein Interesse haben, weil alle Sicherungspflichten und der Rückbau bei der Westerwaldbahn verbleiben würden. mif