Breiter Zuspruch im Kreistag
Krankenhaus Kirchen: Kreis gibt Diakonie grünes Licht
Auf den Weg zum Trägerwechsel hat das Krankenhaus Kirchen die nächste (politische) Hürde genommen. Der Kreistag hat den Vertrag mit der Diakonie in Südwestfalen ohne Gegenstimme gebilligt.
Markus Kratzer

Die Übernahme des Kirchener Krankenhauses durch die Diakonie in Südwestfalen wird immer konkreter. Nach dem Kreisausschuss hat auch der Kreistag dem ausgehandelten Vertragswerk für einen Trägerwechsel zugestimmt. Doch noch bleiben Fragezeichen...

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Der Landrat sprach von dem eventuell „wichtigsten und weitreichendsten Beschluss der vergangenen Jahrzehnte“ und einem „guten Tag für die Menschen im Kreis und die medizinische Versorgung“. Die fast schon euphorische Einschätzung von Peter Enders galt der Entscheidung des Kreistags, dem Vertrag für eine Übernahme des Krankenhauses durch die Diakonie in Südwestfalen zuzustimmen. Ohne Gegenstimme bei zwei Enthaltungen durch Kevin Lenz (Grüne) und Julien Fleckinger (Linke) billigte nach dem Kreisausschuss nun auch der Kreistag am frühen Montagabend den angestrebten Trägerwechsel nach der Insolvenz der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz. Dieser beinhaltet auch die Übernahme der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Standort Altenkirchen. Auch am Weiterbetrieb des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) im ehemaligen Krankenhaus der Kreisstadt hat der Träger Interesse signalisiert.

Damit ist zwar eine wichtige, aber noch nicht die letzte Hürde genommen, um die stationäre Versorgung im AK-Land nach turbulenten Monaten und Jahren wieder in ruhigere Bahnen zu lenken. Denn jetzt liegt der Ball wieder im Spielfeld des Insolvenzverwalters, der das ausgehandelte Vertragswerk noch absegnen muss. Außerdem ist der finanzielle Rahmen immer noch nicht konkret abgesteckt. Klar ist, das machte der Landrat in der Sitzung deutlich, dass es einen Nachtragshaushalt geben muss, der die millionenschweren Zusagen des Kreises finanziell verankert.

Viele Fragen noch ungeklärt

Laut Beschluss belaufen sich die außerplanmäßigen Auszahlungen der Verlustabdeckungen sowie der Zuschüsse an die Diakonie im laufenden Haushaltsjahr auf bis zu 17,5 Millionen Euro. Hinzu kommt eine außerplanmäßige Auszahlung eines IT-Zuschusses an den potenziellen neuen Träger in Höhe von bis zu 4 Millionen Euro. Aber reicht diese Finanzspritze aus? Wie werden im Rahmen einer Kompensation „mögliche weitere Belastungen für die Kommunen“ aussehen, wie es Enders formulierte. Sprich: Wie stark wird die Kreisumlage ansteigen? Und mit welchen Förderquoten aus Mainz kann der neue Träger rechnen? Fragen, die beantwortet werden müssen, bevor das Schild am Eingang des Kirchener Krankenhauses gewechselt wird.

Trotz dieser noch zu erledigenden „Hausaufgaben“ war die Grundstimmung der Kreistagssitzung eine ausgesprochen positive, war die Aussprache geprägt von der Hoffnung, dass die auf sieben Jahre angelegte Partnerschaft (bis Ende 2032 sagt der Kreis dem neuen Träger finanzielle Unterstützung zu) der richtige und wichtige Anschub ist, die Krankenhausversorgung im Kreis wieder zu konsolidieren und den Beschäftigten im Kirchener Krankenhaus eine Perspektive zu bieten.

„Wir bekommen mit der Diakonie einen starken, kompetenten und in der Region verwurzelten Träger als Partner, dessen Verbundstrukturen auch das Haus in Kirchen stärken werden.“
Landrat Peter Enders

„Heute geht es darum, nach vorne zu schauen“, gab der Landrat die Blickrichtung vor. Auch, wenn er sich einen Seitenhieb auf den gescheiterten Träger nicht verkneifen konnte. Er sprach von Managementfehlern des DRK und seiner Trägergesellschaft, auf viele Jahre seien im operativen Geschäft die falschen Entscheidungen getroffen worden. „Manches wird auch noch aufzuarbeiten sein: Denken wir beispielsweise an die über Jahrzehnte nicht erfolgten Instandhaltungsarbeiten“, so Enders.

„Für mich die wichtigste Botschaft ist, dass das Krankenhaus Kirchen nicht nur sein Angebotsspektrum, das der Feststellungsbescheid des Landes vorsieht, wieder darstellen kann, sondern auch zusätzliche Angebote machen wird“, fasste der Landrat zusammen. Man sei sehr froh, mit der Diakonie einen starken, kompetenten und in der Region verwurzelten Träger als Partner zu bekommen, dessen Verbundstrukturen auch das Haus in Kirchen stärken würden.

Deutliche Kritik am DRK als Träger

Von einem „riesigen Scherbenhaufen“, den das DRK hinterlassen habe, sprach der CDU-Kreisvorsitzende Matthias Reuber. Der Träger habe den Standort Hachenburg zulasten von Altenkirchen stärken wollen, was politisch toleriert worden sei, kritisierte er. Damit es jetzt zu keiner übermäßigen Belastung der Kommunen komme, appellierte er an die ehemalige Gesundheitsministerin und heutige SPD-Landeschefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, ihre „kurzen Wege ins Ministerium“ zu nutzen und sich für eine größtmögliche Förderung stark zu machen. Alexandra Probst (SPD) sprach von einem „Meilenstein“ für die stationäre Versorgung im Kreis. Der jetzt gefundene Partner stehe für fachliche Kompetenz. Mit Blick auf den bevorstehenden finanziellen Kraftakt bat Probst die Kreisverwaltung, mit den Fraktionen im Gespräch zu bleiben.

Andreas Hoffmann (FWG) lobte die hohe Professionalität, mit der der Trägerwechsel vorbereitet wurde, und stimmte, wie viele, in die Anerkennung für den Landrat und Justiziar Norbert Schmauck ein, der das Vertragswerk ausformuliert hat. Auch Hoffmann appellierte eindringlich, die finanzielle Belastung nicht aus dem Auge zu verlieren. Für die FDP sprach Klaus Kohlhas von einer richtungsweisenden Entscheidung, blickte aber auch auf falsche Weichenstellungen in der Vergangenheit zurück. So habe er sich bereits 2020 für ein großes Zentralklinikum Westerwald stark gemacht, stattdessen sei der Kreis in ein „tiefes organisatorisches Vakuum“ gestürzt worden. Als „Treppenwitz“ bezeichnete es Kohlhas, dass mit dem Evangelischen Krankenhaus Dierdorf/Selters ausgerechnet der kleinste Träger im Westerwald den Standort Hachenburg übernehme.

„So richtig froh kann ich nicht sein“, betonte Anna Neuhof (Bündnisgrüne) und legte den Finger auch in die „Wunde“ der finanziellen Belastungen. Auch sie ließ kein gutes Haar an der DRK-Krankenhausgesellschaft, die kein einziges Versprechen gehalten habe. Neuhof forderte belastbare Zusagen über Leistungsgruppen in Kirchen und eine Sicherheit für Altenkirchen. Die Unterstützung der AfD für den Beschluss ordnete Frank Stahl ein. Eine gute Zusammenarbeit habe zum Erfolg geführt. Seine Enthaltung begründete der Linken-Politiker Julien Fleckinger damit, dass er den Prozess positiv-skeptisch begleite, da er sich ein größeres Mitwirken von Arbeitnehmervertretern bei einem Träger wünsche. Ralf Käppele von der gleichnamigen Wählergruppe war zuvor durch einen nicht-öffentlichen Beschluss des Kreistages wegen Befangenheit nicht zur Aussprache und zur Abstimmung zugelassen worden.

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