Der Schock des Wahlausgangs von Sonntag sitzt tief. Man kann über das Ausmaß der Gefahr, die vom Wahlerfolg der AfD ausgeht, sicher streiten. Dass eine Gefahr für die Demokratie besteht, darüber dürfte Konsens im restlichen politischen Spektrum herrschen. Doch trotz oder gerade wegen der Negativschlagzeilen, denen man sich als Lokaljournalist nicht entziehen kann und sollte, will ich den Blick lenken auf Entwicklungen in unserer Region, die Anlass zur Dankbarkeit geben – und vielleicht auch ein Signal der Hoffnung aussenden.
So habe ich in den vergangenen Wochen unsere Demokratie auf kommunaler Ebene als quicklebendig erlebt. Ja, die – das muss betont werden und ist nicht jedem Bürger klar – ehrenamtlichen (!) Aktiven der Parteien und Wählergruppen sind vermehrt Anfeindungen ausgesetzt. Auch machen leere Gemeindekassen und bürokratische Fesseln die Arbeit in einem Gemeinderat nicht immer zum Vergnügen. Der Ortsbürgermeister von Emmerzhausen hatte bereits Anfang des Jahres seine Konsequenzen daraus gezogen und ist zurückgetreten. Ein Nachfolger ist bis heute nicht in Sicht. Und gerade deswegen stimmt es hoffnungsfroh und ist ein Zeichen der Resilienz auf unserer kommunalen Ebene, dass sich weit und breit ansonsten Bewerber für dieses fordernde Ehrenamt gefunden haben.
Sofern einem nicht größere Fehler unterlaufen, müsse man sich nicht Sorgen um seine Wiederwahl als Bürgermeister, hat ein ehemaliger Ortschef von Wallmenroth einmal gesagt. Tja, diese Zeiten sind vorbei.Kommentar zur Stadtbürgermeisterwahl in Betzdorf: Es gibt nicht nur den einen Grund
Und auch wenn die Rekrutierung nicht einfacher wird für die Parteien und Wählergruppen – man muss keine Angst davor haben, dass sich die Reihen in unseren Räten allzu schnell aufgrund von Mutlosigkeit lichten werden. Oft sind es zwar weniger, die sich beteiligen – allerdings hat man den Eindruck, dass sie umso mehr bei der Sache sind. Hinzu kommt: Auch über Fraktionsgrenzen hinweg scheinen die nicht einfacher werdenden Umstände politische Gruppierungen in den Kommunalparlamenten in der Regel eher zusammenzuschweißen statt Polarisierungen zu verschärfen. Die Zeiten, in denen Streitereien im Gemeinderat ganze Dörfer spalten, sind glücklicherweise vorbei.
Mir ist klar, dass unsere Region diesbezüglich nur einen zeitlichen Aufschub erhalten hat. Hätten sich auf Ebene der Verbands- und Ortsgemeinderäte AfD-Listen gebildet, sähen oftmals die Verhältnisse in den Kommunalparlamenten gänzlich anders aus. Die EU-Wahlergebnisse und die Entwicklungen, wo dies etwa im den Landkreisen Altenkirchen und Westerwald bereits der Fall ist, lassen keinen anderen Schluss zu. Fünf Jahre sind in der Politik eine lange Zeit. Erinnern Sie sich noch daran, wie glanzvoll einst die Ampel-Koalition startete?
Dass auf Ratssitzungen die schlechte Finanzierung der untersten politischen Ebene kritisiert wird, ist nichts Neues. Doch als Lokalreporter nehme ich mittlerweile wahr, dass das Unbehagen unter den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern einen neuen Höhepunkt erreicht hat, der aufhorchen lässt.Kommentar von Daniel-D. Pirker: Land und Bund sollten frustrierte Kommunalpolitiker ernster nehmen
Doch unter Berücksichtigung des Status quo ist 2031 ein gewisser Erfolg der AfD, auch in heimischen Kommunalparlamenten, nicht auszuschließen. Die Demokratie würde davon nicht untergehen. Die Gefahr wird allerdings real, sollte die in Teilen rechtsextreme Partei auf breiter kommunalpolitischer Front ihre Leute in Stellung bringen können. Bis dahin liegt es vor allem an höheren politischen Ebenen, extremen Kräften mit guter, ehrlicher und lebensnaher Politik den Boden zu entziehen. Vielleicht sollten sich deren Vertreter verstärkt ein Beispiel an Kommunalpolitikern nehmen. Dann besteht auch in fünf Jahren mit etwas Glück wieder Grund zur Hoffnung.
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