Kreis Altenkirchen/Koblenz
Koblenzer Rockerprozess: Ex-Spitzel fürchtet Rache von Hells-Angels-Chef

dpa

Kreis Altenkirchen/Koblenz. Einst war er ein Spitzel des Hells-Angels-Chefs - heute fürchtet er dessen Rache: Der Westerwälder Ladeninhaber (64), der rund 80 Motorradklubs zwischen Ruhrgebiet und Westerwald mit Aufnähern beliefert, hat für Karl-Heinz B. (49) in der Rockerszene spioniert und im Koblenzer Rockerprozess gelogen.

Von unserem Redakteur Hartmut Wagner

Jetzt hat er vor dem Schöffengericht Koblenz ein Geständnis abgelegt und das Motiv für seine Taten genannt: Angst vor den Hells Angels Bonn, vor Karl-Heinz B. Er berichtete, dass die Hells Angels infolge seiner Spitzeltätigkeit einen Rocker verprügelten. Zugleich machte er klar, dass ihm der Ernst seiner Taten unklar ist: „Ich war, ich bin und ich werde nie kriminell.“

Das Gericht verurteilte den vorbestraften Ladeninhaber wegen uneidlicher Falschaussage zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und einer Geldauflage von 1200 Euro. Gerichtsdirektor Reiner Rühmann schärfte ihm ein, dass er selbstverständlich kriminell war: Er half den Hells Angels Bonn, ihre Rivalen zu bedrohen oder zusammenzuschlagen. Er half, ihren illegalen Machtanspruch durchzusetzen – einen Machtanspruch, den der Staat nie akzeptieren kann.

Der 64-Jährige betreibt im Kreis Altenkirchen einen Laden, der für Firmen und Vereine Kleidung bestickt – auch Rockerkutten für Motorradklubs. Er ist eine Institution in der Szene. Im Prozess gab er zu, diese Position missbraucht zu haben, um Hells-Angels-Chef Karl-Heinz B. mit Infos über neue Klubs und deren Embleme zu versorgen.

2013 gründeten acht Männer im Westerwald den Motorradklub Grey Ravens, der die Outlaws unterstützte. Sie beauftragten den Ladeninhaber mit dem Besticken ihrer Kutten. Der informierte darüber die Hells Angels, die sich mit den Outlaws Ahrweiler bekriegten.

Am 19. Juni 2013 kommt es zum Eklat. So schilderte der Grey-Ravens-Rocker ihn später der Polizei: Er betritt den Laden, geht zum Inhaber an den Verkaufstresen, will die Kutten abholen und hört, wie sich eine Tür hinter ihm öffnet. Ein Mann betritt den Laden, der Inhaber nickt ihm zu – da schlägt dieser den Grey-Ravens-Rocker plötzlich mit der Faust nieder. Vier weitere Männer betreten den Laden, einer davon schlägt ebenfalls auf den Grey-Ravens-Rocker ein. Der erleidet zwei Platzwunden am Kopf. Wenig später lösen sich die Grey Ravens auf – die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Hells Angels dies anordneten.

Im Schöffengerichtsprozess gestand der Ladeninhaber: Ja, er informierte die Hells Angels über den Termin mit dem Grey-Ravens-Rocker. Und ja, einer der vier Männer war Karl-Heinz B. Ende März, im Rockerprozess am Landgericht Koblenz, hatte er beides verneint. Gleich nach dieser Aussage wurde er festgenommen und kam sechs Tage in Untersuchungshaft.

Im Rockerprozess wirft die Anklage den Hells Angels Bonn vor, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Die acht Angeklagten – darunter Karl-Heinz B. – sollen Rivalen bekämpft haben, vor allem die Outlaws Ahrweiler. Ihr Klub, dessen Zentrale im Kreis Neuwied war, wurde im März verboten.

Vielleicht muss der Ladeninhaber erneut im Rockerprozess aussagen. Im Schöffengerichtsprozess betonte der Gerichtsdirektor: Wenn er dann noch mal lügt, erhält er wohl keine Bewährungsstrafe mehr, sondern muss hinter Gitter.

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