Was waren die Beweggründe, Auslöser, Maßnahmen und Anfängen des Projekts? Mit dem Heilstollen ist eigentlich ein Jubiläum verbunden, denn 2012, also vor zehn Jahren, fanden in der alten Pulverkammer unter Tage testweise die ersten Liegekuren für Hausstaub- und Pollenallergiker statt. Damit wurde die Grubenluft erstmals in der Geschichte des Bergwerks zu therapeutischen Zwecken genutzt, wenn auch „nur“ versuchsweise. Das wiederum entsprang nicht etwa einer Schnapsidee, nicht aus heiterem Himmel.
Zugegeben: Die RZ-Titelzeile vom 20. April 2012 „Bindweide wird zur Schatzgrube für Atemwegserkrankte“ wirkte bei eingefleischten Bergbauleuten zunächst wie blanker Hohn. Denn fast 50 Jahre nach dem Ende des Siegerländer Eisenerzbergbaus war das Schreckgespenst Staublunge (Silikose), die gefährliche Bergmannskrankheit, noch immer in aller Munde. Doch erst bei genauer Betrachtung schlug die Skepsis in klare Hoffnung um, die reine Grubenluft in der Stille des Berges zu nutzen. Dazu trugen vor allem Erfahrungswerte aus den seit 1986 laufenden Führungen im Besucherbergwerk bei.
„Allein die Luft ist eine reine Wohltat“, hörten die Gästeführer unter Tage immer wieder. Unter ärztlicher Leitung von Dr. Joachim Schwarz aus Dickendorf stellten sich bereits in den Testkuren 2012 Erfolge ein. „Zunehmend freie Atmung“, hieß es schon in ersten Resultaten. Kurz darauf festigte sich nicht nur im Bergwerks-Förderverein, sondern auch bei maßgeblichen Stellen in Verwaltung und Politik die klare Marschrichtung auf Anerkennung eines Heilstollens. Dies wiederum setzte eine damals ungeahnte Serie von Ideen, Gesprächen, Anträgen und Schriftverkehr in Gang.
Es fanden Infofahrten zu ähnlichen Einrichtungen statt. Beschlüsse in Räten und Gremien folgten. Eine Abordnung des Deutschen Heilstollenverbandes kam zu Besuch und machte Hoffnungen. Zur Messung verlässlicher Werte kam der Deutsche Wetterdienst in Offenbach mit ins Boot. Über ein ganzes Jahr erfolgten Erhebungen mittels spezieller Luftfilter tief im Stollen sowie im Außenbereich.
„Woche für Woche mussten wir die Filter wechseln und die Proben ins Labor schicken“, erinnert sich ein Helfer im Förderverein. Recht bald kam die Ernüchterung, dass es keinen Heilstollen zum Nulltarif gibt. Ebenso ließ die Erkenntnis nicht lange auf sich warten, dass ein anerkannter Heilstollen nur mit viel Teamgeist und Unterstützung bestehen kann. Die Bandbreite der Hilfen reichte vom damaligen Bürgermeister Konrad Schwan über Verbände und Fachbehörden bis hin zur Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler. „Wird 'Bad Steinebach' ein landesweites Pilotprojekt?“ titelte unsere Zeitung im Jahr 2014. Und der Arzt Dr. Joachim Schwarz fügte hinzu: „Dieses Naturprojekt ist ein echter Segen, mit dem wir richtig was Gutes tun können!“
Von daher zeigt sich der Förderverein dieser Tage, zehn Jahre nach den ersten Testkursen, wirklich erfreut und dankbar für den guten Werdegang der Atemtherapie in Steinebach. Und freut sich auf die kommenden Jahre ...
Grubenluft wirkt Wunder – auch zum Schmunzeln
Bereits seit 1986 laufen Führungen in der Grube Bindweide. Immer wieder loben Gäste die reine Bergluft. „Hier fanden sogar schon Streithähne zu Herz und einer Seele zurück“, berichtet einer der ehrenamtlichen Gästeführer unter Tage. Zum Beispiel soll einmal ein zerstrittenes Ehepaar mit in die Bindweide eingefahren sein – getrennt in zwei Waggons, versteht sich. „Bei der Rückfahrt mit der Grubenbahn saßen sie aber ausgesöhnt und eng umschlungen in einem Abteil“, heißt es in der Erinnerung.
Gar nichts zum Freuen gab es dagegen im Labor des Deutschen Wetterdienstes in Freiburg, als 2013 bei Sichtung einer Probe aus Steinebach das ganze Projekt ins Wanken geriet. „Viel zu viel Ruß in der Luft“, besagte ein Kontrollvermerk. Erst als sich vor Ort herausstellte, dass an einem einzigen Tag zahlreiche brennende Kerzen bei Feierlaune den Ruß erzeugt hatten, glätteten sich die Wogen wieder. jw