Führungen im Rahmen der "Deutschen Waldtage 2020" zeigen Chancen auf
„Kleiner Spaziergang“ in Wissen: Wie dem Wald Neuorientierung helfen kann
Am Schluss der ersten Etappe gab es ein kleines Quiz mit Franz Straubinger. So wie viele der Mitwandernden wusste auch Leo Neuhoff (12)einige der 45 hierzulande vorkommenden Baumarten zu benennen. Foto: Thomas Hoffmann
Thomas Hoffmann

Wissen. Noch sind Deutschlands Wälder nicht verloren, und die Hatzfeldt-Wildenburgschen schon gar nicht. So jedenfalls kann und will man es glauben, wenn man am Freitagnachmittag an dem von Dr. Franz Straubinger, dem Chef der Hatzfeld-Wildenburgschen Forste angekündigten „kleinen Spaziergang durch unsere Wälder“ teilgenommen hat.

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Denn was Straubinger im Rahmen der „Deutschen Waldtage 2020“ auf einem kleinen Teilabschnitt des „Fürstenweges“, der Schönstein mit Krottdorf verbindet und der schon von Kutschen vor mehreren Hundert Jahren benutzt wurde, so alles zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der laubbunten, aber mitunter mittlerweile arg strapazierten Gehölze, Pflanzen und Gebüsche zu erzählen weiß, das ist spannende Unterhaltung, gepaart mit fundiertem Wissen und bisweilen visionärem Blick.

Und so sind auch die etwa 15 Mitwanderer der ersten von fünf Gruppen von Beginn an fasziniert. Straubinger erzählt von den Ursprüngen des mitteleuropäischen Waldes, von mediterranem Klima, das hier lange Zeit vorgeherrscht und die hierzulande insgesamt 45 vorkommenden Baumarten mit dem optimalen Klima versorgt hat, nämlich mit moderaten, feuchten Sommern und milden Wintern.

Gleichzeitig erklärt er, dass das nicht immer so war: „Vor 200.000 Jahren herrschte hier eine von insgesamt sechs Eiszeiten, das alles war blanke Ödnis. Wissen Sie, wohin die Bäume, die zuvor da waren, verschwunden sind?“, fragt er, und aus der Gruppe ruft jemand: „Die sind gewandert.“ Eine richtige Antwort, auf die der Forstdirektor seine weiteren Ausführungen aufbaut. Denn nachdem sich wieder mildere Temperaturen eingestellt hatten, kehrten Eiche, Esche und Co. zurück. Freilich nicht gleichzeitig, sondern nach und nach, je nachdem, ob ein Baum über schwere oder leichte Samen verfügte oder ob diese beispielsweise bevorzugtes Nahrungsmittel von wandernden Vögeln waren und auf diesem Wege wieder hier im wahrsten Sinne des Wortes landeten. Aber natürlich ist das, was sich den Betrachtern unter der lebendigen Illustration offenbart, nicht „Natur pur“, sondern „Menschenwerk“, in diesem Falle aber ein sehr ansehnliches.

Mehr als 30 Meter hohe Buchen strecken ihre Wipfel in den Himmel, getragen von säulenartigen Stämmen, deren Durchmesser mitunter mehr als einen Meter betragen, daneben finden sich Kiefern, Walnuss, verschiedene Ahornsorten und Douglasien. Und viele dieser Arten sind eben nicht auf natürlichem Wege eingewandert, wie Straubinger verrät, sondern sozusagen importiert worden, das allerdings schon vor einiger Zeit.

„Alexander von Humboldt hat viele dieser Bäume mitgebracht“, sagt er und macht gleichzeitig deutlich, dass der heutige Wald im Zeichen des Klimawandels eine dringende Neuorientierung braucht. „Wir versuchen, möglichst viele der alten Baumarten zu retten, aber gleichzeitig experimentieren wir mit Pflanzen, die das sich verändernde Klima besser vertragen. Von der romantischen Vorstellung des dunklen, deutschen Märchenwaldes, in dem Rotkäppchen vom Wolf verfolgt wird oder Hänsel und Gretel ihre Krumen streuen müssen, um wieder nach Hause zu finden, wird man sich nach Ansicht des Forstwirtes ohnehin verabschieden müssen, denn neben den vorhandenen Baumarten könnten die zukünftigen aus Italien, Spanien oder der Türkei kommen und beispielsweise „Atlaszeder“ oder „Libanonzeder“ heißen.

Gepflanzt wurden solche Bäume schon, damit sie und die jungen Triebe alteingesessener Arten nicht auf der Speisekarte des heimischen Rotwildes landen, ist für Franz Straubinger eine kontinuierliche Regulierung des Wildbestandes unerlässlich. „Ich kann mir auch was Schöneres vorstellen, als Rehe zu schießen, aber wenn wir das nicht tun, haben wir bald gar keinen Wald mehr“, sagt er an der letzten Station.

Alle lauschen gebannt seinen Ausführungen, und sein Hund gibt hier und da einen zustimmenden Kommentar in Form eines freudigen Bellens von sich, insbesondere beim „Baumartenquiz“, bei dem der zwölfjährige Leo Neuhoff, der gemeinsam mit seinem Vater, Bürgermeister Berno Neuhoff, an der kleinen Wanderung teilgenommen hat, assistiert.

Leo holt einen großen Haufen Äste aus einem Versteck hervor, und Straubinger hält einen nach dem anderen hoch. „Das ist ein Ahorn“, sagt Leo und zeigt auf den Ast, den Straubinger präsentiert. „Genau richtig“, sagt Straubinger und hält zwei weitere ähnlich aussehende Äste in die Höhe, „das ist ein Bergahorn, das hier ein Spitzahorn und dieses ein Feldahorn.“

Und das waren nur drei der Baumarten, die die Exkursion am Freitagnachmittag in einem bunten, schönen, aber auch verwundeten Wald zu weit mehr machten als zu einem kleinen Spaziergang. Sie machten wie der Blick in die sich lichtenden Baumkronen deutlich, dass jeder buchstäblich alles tun sollte, um diese einzigartige Natur zu bewahren.

Von unserem Mitarbeiter Thomas Hoffmann

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