Mehr als 40 Interessierte waren gekommen, um sich über die Befindlichkeiten der Republik in Ost und West 34 Jahre nach der Wiedervereinigung auszutauschen. Kenntnisreicher Referent des Abends war Klaus Brähmig, der als ehemaliger sächsischer CDU-Abgeordneter lange Zeit gemeinsam mit Ulrich Schmalz im Bundestag saß.
„Mit welchen Gefühlen, welchen Erwartungen bist du ins Bonner Parlament gekommen, was wusstest du über Demokratie?“, eröffnete Moderator Ulrich Schmalz das Gespräch. Im Folgenden skizzierte Brähmig die Wandlung vom „Stasistaat“ hin zur Demokratie, die Befindlichkeiten der Bürger und eigene Wahrnehmungen eingeschlossen: „Meine Eindrücke waren gewaltig“, erinnerte er sich an seine erste Zeit im Bonner „Wasserwerk“ und am Langen Eugen.
Westliches System passte nicht auf den Osten
Gleichzeitig richtete der Politiker den Blick in seine sächsische Heimat. „Wir haben in der Schule den Westen sehr intensiv behandelt und in weiten Teilen war es möglich, Westfernsehen zu empfangen“, sagte er. Mit humorvollem Rückblick in seine Region, wo dies erst ab 1987 möglich wurde, fügte er an: „Im Volksmund waren wir das Tal der Ahnungslosen“. Spätestens nach der sogenannten Wende änderte sich dies und die ehemaligen DDR-Bürger wurden mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert.
Dabei seien Fehler gemacht worden, konstatierte Brähmig ob der Tatsache, dass viele ehemalige DDR-Betriebe durch westliche Führungskräfte geleitet und in vielen Fällen in die Treuhandgesellschaft überführt wurden. „Wir haben aber die Wirtschaft auf neue Füße gestellt, in der Summe war das positiv“, sagte Brähmig, der damals eng mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf zusammenarbeitete. „Biedenkopf hatte erkannt, dass das westliche System nicht eins zu eins angewendet werden kann“, berichtet der ehemalige Parlamentarier den über die „am Anfang unkomplizierte Art, mit den Dingen umzugehen“.
„Die AfD ist kein mitteldeutsches Problem.“
Klaus Brähmig, ehemaliger sächsischer CDU-Bundestagsabgeordneter
Dies habe sich im Laufe der Jahre geändert und die bürokratischen Hürden seien immer größer geworden. Als Beispiel hierfür nannte er das Hochwasser im Jahre 2002. Anfangs seien nach der Katastrophe Pläne gemacht worden, um eine weitere Flut zu verhindern, bis heute seien jedoch viele der ehemaligen Pläne nicht umgesetzt, weil es Einsprüche, Widersprüche und bürokratische Hürden gebe.
Moderator Ulrich Schmalz griff die Aussagen seines befreundeten ehemaligen Bundestagskollegen auf: „Ist es die Arroganz des Westens, die dazu führt, dass viele Menschen bei euch sagen: Jetzt wählen wir die AfD?“, fragte er, worauf Brähmig erwiderte: „Die AfD ist kein mitteldeutsches Problem“. Er begründete die Aussage damit, dass die meisten AfD-Protagonisten aus dem Westen stammen: „Höcke ist ein Lehrer, der aus Hessen stammt“, nannte er eines von mehreren Beispielen.
Am Ende wird jeder gebraucht
Gleichwohl verzeichnet die AfD insbesondere in den ostdeutschen Ländern bei den Wahlen hohe Ergebnisse, was Brähmig vor allem auf eine andere Wahrnehmung der Frage nach der Ukraine sowie auf einen Zuständigkeitenwirwarr im föderalen System zurückführt: „Nur der Bund sollte für die Migration zuständig sein, wir haben keine Kostenwahrheit und keine Kostenklarheit, weil jeder, ob Bund, Land oder Gemeinden für irgendetwas zuständig ist“.
Hier sieht Brähmig einen weiteren Punkt für die wachsende Unzufriedenheit, denn „wenn etwas schiefläuft, sucht man nach dem Schuldigen“. Dies könnten Bürgermeister ebenso sein wie Bundestags- oder Landtagsabgeordnete, „obwohl die oftmals gar nichts dafür können“, sagte Brähmig, der auch in der anschließenden Diskussion Rede und Antwort stand und zu mehr Dialog aufrief: „Wir müssen wieder aufeinander zugehen, da wird am Ende jeder gebraucht“.