„Alte Zöpfe“ im Gewand eines strengen Kammermusikkonzertes? Keineswegs. Nach der Ansprache des Künstlerischen Leiters Michael Nassauer zwängten sich mit Soraya Ansari (Violoncello) und ihrem Begleiter Luis Castellanos (Klavier) zwei gut gelaunte, zum launigen Moderieren aufgelegte Musiker durch den Vorhang. Augenblicklich gelang es den beiden, den Zuhörern richtig Lust auf die sieben Variationen über das Thema „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ aus Mozarts „Zauberflöte“ zu machen. Das schmeichelnde Gesangs-Duett verteilte sich vorteilhaft auf die nonverbal konversierenden Instrumente und verließ alsbald die Komfortzone der gemütlichen Ursprungsmelodie. Nicht zu vergessen, hier war Beethoven am Werk, und der nahm beim Komponieren schnell Kurs in Richtung Dramatik.
Die Symbiose aus der Leidenschaft eines Wolfgang Amadeus Mozart und der großen Gesten Beethovens hatte etwas enorm Reizvolles und machte den Solisten sichtlich Spaß. Das Duo zeigte sich bereits hier großer Empfindungen fähig, die sich zur Freude des Publikums nicht nur im Mienenspiel, sondern auch in der Agogik ausdrückten, der Kunst der Veränderung des Tempos bei einem musikalischen Vortrag.
Bald passte kein Millimeter Luft mehr zwischen Soraya Ansari und ihr Cello, und irgendwann verschmolzen die beiden miteinander – wohl spätestens bei Franz Schuberts weltberühmter „Sonate für Arpeggione und Klavier a-moll“, deren erste schmerzliche Takte bereits zu Tränen rühren können. Die Komposition, die einst für die Arpeggione (einen glück- und zukunftslosen Zwitter aus Cello und Gitarre) geschrieben wurde, rief immer wieder Erinnerungen an die Schlagtechniken der Gitarre hervor. So entstand ein Gegensatz von Leichtigkeit und Verbitterung, der im Grunde stellvertretend für Franz Schuberts verletzte und dann wieder himmelhochjauchzende Seele war.
Bei Frédéric Chopins „Sonate für Violoncello und Klavier g-moll, op. 65“ beschwor das Duo schließlich die opulente Fülle eines ganzen Sinfonieorchesters herauf. Chopins Gefühlswelt und die Ausdrucksmöglichkeiten des Cellos passten aber auch einfach fabelhaft zusammen: Todesnähe und Entrückung, Verzweiflung und Hoffnung verwoben sich in diesem Werk und forderten nicht nur Ansari, sondern auch ihren Begleiter aufs Äußerste heraus. Die makellose Intonation, die hohe künstlerische Reife, gepaart mit jugendlichem Esprit, und das Übermaß an Spielfreude, von denen letztlich auch der Zugabensatz von Rachmaninow zeugte, machten den Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis für alle, die da waren.
Den anderen muss eine sanfte Rüge wegen unentschuldigten Fehlens erteilt werden. Denn was könnte die Klassikszene von morgen besser ermutigen und unterstützen als ein zahlreich anwesendes Publikum? Deshalb werden die Westerwälder Musikfreunde hiermit zum „Nachsitzen“ in einem der wundervollen Konzerte der kommenden Saison „verdonnert“. Süßer kann eine Strafe nicht sein, oder?