Selten so viele Kitze gefunden
„Wir haben selten so viele gefunden wie in diesem Jahr“, sagt Werner Walterschen, der erleichtert ist, dass das Kleine ebenso wie etliche seiner Kameraden in den letzten Tagen sicher geborgen werden konnte.
„Mitte Mai ist die klassische Zeit, dann bringt die Ricke ihre Kitze ins tiefe Gras, weil dort die Deckung gut ist. Meist hat sie zwei Kleine, aber sie legt sie nie gemeinsam, sondern immer mit Abstand ab“, erläutert der Jagdaufseher. „Wenn ich ganz normal im Revier unterwegs bin, sehe ich die Ricke und ihre Kinder schon einmal in der freien Natur. Dann weiß ich, dass wir nun aufpassen müssen.“
Eine erste Maßnahme, um die Tiere von den Wiesen fernzuhalten und damit zu schützen, ist das Aufstellen einer einfachen Scheuche, die Walterschen aus einem Stock und einer alten Tüte bastelt und im Feld positioniert. „Die Ricke nimmt dann eine andere Witterung auf und bringt die Kitze woanders unter.“
Der zweite Schritt ist das Abschreiten der Fläche vor dem Einsatz des Kreiselmähers. Walterschen hat immer eine einsatzbereite Truppe am Start, wenn die Anrufe der Landwirte eintreffen. Diese zieht kurz darauf los und durchkämmt das Gelände. „Es ist aber nicht 100-prozentig sicher, dass wir die Kitze finden. Ein Risiko bleibt.“
„Ich möchte die Landwirte dafür sensibilisieren, vor dem Mähen rechtzeitig bei uns anzurufen.“
Der Hemmelzer Jagdaufseher Werner Walterschen bittet um Unterstützung
So war es leider auch bei einem Einsatz, bei dem die Helfer ein kleines Reh nur noch schwer verletzt bergen konnten. Werner Walterschen hatte die schwere Aufgabe, das Tier von seinen Qualen zu erlösen: „Das geht einem sehr nahe.“
Umso erfreulicher war es da, dass die nächsten Aktionen so erfolgreich verliefen. Als Walterschen kürzlich gemeinsam mit Jungjäger Martin Gründler und Nico Bischoff, einem an der Jagd interessierten Helfer, zum Einsatz ausrückte, wurde das Team gleich fünfmal fündig.
„Die Kitze legen sich ganz platt auf die Erde und bewegen sich keinen Millimeter“, erläutert Walterschen. „Sie haben am Anfang keine Witterung, also keinen Eigengeruch, und können von Feinden schlecht aufgespürt werden. Wenn man sie dann gefunden hat, darf man sie auf keinen Fall anfassen oder sogar mit nach Hause nehmen. Man muss sie mit Gras umwickeln, damit sich der menschliche Geruch nicht überträgt. Sonst würde die Mutter die Kleinen nicht mehr annehmen.“
Die Kitz-Retter legen die Findelkinder dann meist am Waldrand nieder: „Die Mutter ruft sie und holt sie wieder ab.“
Die Zusammenarbeit aller ist nötig
Damit die Kitze in diesen Wochen eine Überlebenschance haben, müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten. „Die Landwirte sind gehalten, rechtzeitig vor dem Mähen die zuständigen Jäger zu informieren. Dann können wir uns einschalten.
Das läuft in Hemmelzen sehr gut.“ Walterschen möchte an dieser Stelle eine Lanze für die Landwirte brechen, die manchmal in die Rolle des Schuldigen geraten, wenn Kitze beim Mähen getötet werden.
„Da die modernen Mäher sehr breit sind, können die Landwirte kaum etwas sehen.“ Es sei für alle schlimm, wenn es zum Tod der Tiere käme. Der Moment, in dem so ein zitterndes Kitz in seinem sicheren Grasnest liegt, ist im Gegenzug aber unvergleichlich, wie Werner Walterschen gerührt versichert: „Das ist so schön. Man hat Spaß, dass man ein Tier retten konnte.“