Nicht umsonst ist Marienthal dabei, sich zum „Kräutermekka“ zu entwickeln. Gerade heimische Kräuter und Pflanzen, die lange vernachlässigt wurden, finden immer öfter den Weg in die regionale Küche. Seien es Sauerampfer, Brennnessel oder Giersch, Gänseblümchen, Hagebutte oder Wachholder – richtig zubereitet, verleihen diese den Gerichten erst das gewisse Etwas. Und genau das sei es, was Gäste heute erwarteten, so Steiniger. „Die Leute wollen eine Überraschung auf dem Teller“, ist er sich sicher. Galt es noch vor ein paar Jahren als „in“, möglichst exotisch zu kochen, so wollen die Menschen heute lieber die regionale Küche neu entdecken. „Ich bin schon offen für die Welt und hole mir gerne auch Anregungen, etwa aus der französischen Küche, aber wir brauchen uns hier im Westerwald nicht zu verstecken. Die Wäller Küche hat einiges zu bieten“, sagt der Klosterwirt.
Bio, kleine Portionen, weniger Fleisch, gerne auch vegetarisch oder sogar vegan. „Einfach, aber raffiniert“, so bringt es Steiniger auf den Punkt. Beim Gast habe ein Wandel im Denken stattgefunden. Nachhaltigkeit und Natürlichkeit prägen nun auch Geschmack und Vorlieben, ebenso, wie die Rücksicht auf das Tierwohl. Ein Trend, der dem Klosterwirt sehr zu Pass kommt. „Es ist eine ganz tolle Entwicklung“, freut er sich. „Ein gutes Steak kann jeder mit dem richtigen Fleisch und ein bisschen Übung hinbekommen, aber um Gemüse zuzubereiten, muss man schon gut kochen können“, sagt er und lässt uns zum Beweis in seine Küche schnuppern, wo ein Weideochsenbraten auf einem duftenden Gemüse-Kräuterbett vor sich hinschmurgelt. Wenn es Fleisch gibt, dann hochwertig, wie den Weideochsen oder gerne auch Wild. „Was kann mehr Bio sein, als etwa ein schöner Rehbraten, wo man weiß, das Tier hat noch kurz vorher auf den saftigen Wiesen vor der Haustür gegrast“, findet der Küchenchef. Wobei Wild und Braten erst mit einem gewissen Grad an Wohlstand Bestandteil der heimischen Küche geworden sind. „Der Westerwald war eine bitterarme Region. Das Wild gehörte meist den Adeligen, die Jagd war verboten“, erläutert Steiniger. So machten die Menschen aus der Not eine Tugend und bedienten sich an dem, was es vor der Haustür gab. Dabei wurde darauf geachtet, was die Jahreszeiten hergaben: Wurzelgemüse, Fenchel und Kohl im Winter, dazu Salate wie Endiviensalat, der viele Bitterstoffe enthält, was den Stoffwechsel anregt. Beliebt waren auch schon immer Eintöpfe, in denen vieles, was von der Woche übrig war, zum Wochenende hin noch verarbeitet werden konnte.
Rhabarber und Sauerampfer im Frühling, die mit ihrer Oxalsäure anregend wirken nach den langen Wintermonaten. Das ganze Jahr über wurde wenig Fleisch gegessen, dafür viel geräucherte Lebensmittel wie Speck oder Würste, die sich besser aufbewahren ließen. Und natürlich alles, was die Kartoffel hergab.
Wichtig seien auch immer schon Brot und Butter gewesen. „Der Westerwald ist beim Backen grob und hemdsärmelig, aber warm. Früher gab es kaum Weißmehl, dafür wurde viel mit Roggen, Gerste und Schrot gearbeitet“, schwärmt Steiniger, dem heute noch das Wasser im Mund zusammenläuft, wenn er an seine Kindheit denkt, wo im Backes frisches Schwarzbrot gebacken wurde. Geht es um den süßen Bereich der Westerwälder Küche, fallen ihm neben Honig, Marmeladen und Kompott natürlich die klassischen Blechkuchen ein wie Streusel oder Apfelkuchen. Diese hatten auch historisch ihre Berechtigung, weil es zum Beispiel für Sahnetorten keine Kühlungsmöglichkeit gab. Bei den flüssigen „Nahrungsmitteln“ falle den Menschen heute am ehesten Bier ein, wenn es um Regionalität geht, doch historisch gesehen hätten die Westerwälder früher viel lieber ein Wachholderschnäpschen zu sich genommen.
Insgesamt schadet es also nichts, sich an den Vorfahren zu orientieren, wenn es um gesunde, regionale und nachhaltige Ernährung geht. Und da schließt sich für Uwe Steiniger auch wieder der Kreis: „Wir haben so vieles hier gleich vor der Tür, auf das wir stolz sein können.“ In diesem Sinne: Guten Appetit.
Von unserer Redakteurin Sonja Roos