Wie viel Vergnügen bereitet der Filmgenuss vom Platz hinterm Lenkrad aus? Die RZ hat das "Wäller Autokino" getestet
Hype um Autokinos: Mit Freddie Mercury auf dem Weyerdamm
Anlässlich der Premiere des „Wäller Autokinos“ durchschnitt Bürgermeister Fred Jüngerich (2. von rechts) das Band und wurde von Jürgen Hardeck vom Kultursommer Rheinland-Pfalz, Landrat Peter Enders und Stadtbürgermeister Matthias Gibhardt unterstützt (von rechts). Foto: Julia Hilgeroth-Buchner
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Altenkirchen. Wenn ich vor einigen Wochen gefragt worden wäre, ob ich Lust auf einen Abend im Autokino hätte, dann wäre meine Reaktion ziemlich eindeutig ausgefallen: Ich hätte dankend abgelehnt. Ob Internationale Automobilausstellung, Nürburgring oder Schwärmereien für Porsche und Co. – jeglicher Kult rund ums rollende Blech liegt mir fern, und ich bin erleichtert, dass mir mein Fiat Doblo seit Jahren unkompliziert zur Seite steht. Der Gelegenheit, für die RZ über die Premiere des „Wäller Autokinos“ zu berichten, kann ich trotzdem nicht widerstehen. Das liegt zum einen am Debütfilm des Outdoorspektakels, der „Queen“-Hommage „Bohemian Rhapsody“, die mich immer wieder zu Tränen rührt. Das liegt aber auch an meinem festen Vorsatz, dem Format vorurteilsfrei eine Chance zu geben. Durch die Pressekonferenz vorweg bin ich zumindest theoretisch auf die Abläufe eingenordet, und nun wäre es wirklich einmal interessant, hautnah mitzuerleben, wie sich der seit Kindertagen bekannte Weyerdamm in ein Freiluftkino für 110 Fahrzeuge verwandelt. Drittens habe ich Respekt vor der Mannschaft, die das Projekt unter Corona-Bedingungen und in kürzester Zeit vorbereitet hat.

Also verfalle ich umgehend in den Vorbereitungsmodus: Ich spendiere dem Doblo noch eine Wäsche (ein bisschen Glamour muss sein), überzeuge mich von der Anwesenheit der Schutzmaske an Bord und starte in Richtung Kreisstadt. Wir Presseleute müssen etwas früher erscheinen, weil die offizielle Eröffnung und das Fotoshooting den Corona-Vorschriften unterliegen und wir noch eingewiesen werden sollen. Die Einfahrt zum Veranstaltungsort ist ab der Quengelstraße gut ausgeschildert, und wenig später biege ich in die „Kino-Allee“ aus plakatierten und damit blickdichten Bauzäunen ein. Ich bin unter den allerersten Besuchern: Der Platz ist noch menschenleer. Umso größer wirkt das ebenso sorgfältig eingezäunte Areal. Auf der gigantischen Leinwand werden fortlaufend Hinweise eingeblendet, die einen reibungslosen Ablauf ermöglichen sollen – darunter die eigene Radiofrequenz, die sich mühelos einstellen lässt.

Von Kinobetreiber Uli Hüsch erfahre ich, dass die heutige Premiere mit „nur“ 80 Fahrzeugen über die Bühne gehen soll, damit sich das Prozedere warmlaufen kann. Absolut verständlich, denn es ist einfach alles neu. Neben der beachtlichen Crew aus Platzanweisern und Security sind schon einige der inhaltlich Verantwortlichen da. Alle haben ihre Anspannung gut im Griff. Die vergangenen Wochen waren strapaziös, doch das soll sich nicht auf die Premierenbesucher übertragen. Und tatsächlich tasten sich nun die ersten Autos im Schritttempo auf den Platz. Die Fahrer klemmen förmlich hinter der Windschutzscheibe und wollen ganz offensichtlich nichts falsch machen. Das können sie aber gar nicht, denn das System ist selbsterklärend, und sogar die Ausgabe der vorbestellten Snacks an der dafür vorgesehen Durchfahrtsschleuse funktioniert. Inzwischen sind auch die Ehrengäste eingetroffen. Sven Iserlohe, der „Herr der Technik“, erläutert hinter der Bühne, was davor zu beachten ist, und dann ist der große Moment da. Event-Legende Michael „Muli“ Müller, VG-Bürgermeister Fred Jüngerich, Landrat Peter Enders und Jürgen Hardeck, der zuständige Referatsleiter des Kultursommers Rheinland-Pfalz finden empathische, aber kurze Worte des Lobes für das „Wäller Autokino“, denn das Publikum – in diesem Fall der schweigende Fuhrpark – soll nicht zu lange müssen. Schnipp, wird das rot-weiße Band durchtrennt, und der Film läuft an.

Nachdem die berufliche Pflicht getan ist, mache ich es mir im Auto bequem. Die Sache hat nur einen Haken: Ausgerechnet zur Premiere ist das Wetter umgeschlagen. Der Platz liegt unter grauen Wolken, es nieselt hartnäckig, und während sich die Story über das Ausnahmetalent Freddie Mercury entwickelt, funken die Scheibenwischer immer wieder unschön dazwischen. Obwohl ich mich warm angezogen habe, beginne ich zu frieren. Mein Auto hat eben nur Lieferwagenkomfort ... Glücklicherweise führe ich immer eine Auswahl an Fleece- und Regenjacken auf dem Rücksitz mit, und als Queen beim „Live Aid“-Konzert 1985 schließlich die Hymne „We Are The Champions“ singen, da trage ich alle Modelle übereinander. Und wie geht es den anderen? Das ist schwer zu sagen. Ich habe während der Vorstellung immer einmal vorsichtig die Tür geöffnet und über den Platz geschaut: absolute Stille, bis auf ein paar laufende Motoren, die auf Heizungsbedarf schließen lassen. Da alle Besucher im Auto bleiben müssen, ist bis auf die wenigen Toilettengänger, die mit Maske durch den Regen hasten, niemand zu sehen. Schon Minuten vor dem Abspann beginnt die Kino-Crew mit der Vorbereitung des Ausfahrtsszenarios, und kaum erscheint auf der Leinwand wieder das Autokino-Logo, leert sich der Platz ordnungsgemäß. Das After-Show-Plaudern fällt definitiv aus. Das ist sie wohl, die neue Corona-Geselligkeit. Mein Fazit ist trotz kalter Füße positiv: Der Abend war in jeder Hinsicht aufregend, und ich freue mich, dass ich so etwas in unserer kleinen Kreisstadt erleben durfte. Deshalb kann ich die RZ-Leser nur dazu ermuntern, sich Karten zu sichern und sich auf das ungewöhnliche Erlebnis einzulassen.

Das „Wäller Autokino“ läuft noch bis zum 28. Juni. Neben Kinofilmen umfasst das Programm auch Kulturveranstaltungen, Konzerte und Comedy. Tickets und Infos unter www.waeller-autokino.de.

Von unserer Mitarbeiterin
Julia Hilgeroth-Buchner

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