Vor vier Jahren hatte Melchert nach dem Tod seiner Mutter seinen an Demenz erkrankten Vater zu sich geholt, um für ihn da zu sein. Dass bei aller Schwere, die diese Zeit mit sich gebracht hatte, auch Leichtigkeit zu spüren war, sei auch ein Verdienst des Altenkirchener Hospizvereins. Denn von dort hatte Bernd Melchert in den letzten acht Monaten, in denen er seinen Vater pflegte, viel Unterstützung erhalten. Für ihn eine äußerst hilfreiche und sehr wertvolle Erfahrung.
„Als ich ahnte, dass es heftig werden könnte, hatte ich Erika Gierich vom Hospizverein angerufen“, erinnert sich Melchert. Und er erinnert sich noch genau daran, dass Erika Gierich (Hospizkoordinatorin) ihn gefragt hatte, was er denn brauche. „Als pflegender Angehöriger hätte ich eher die Frage nach dem, was denn mein Vater braucht, erwartet.“ Doch genau die Frage nach seinen Bedürfnissen tat ihm in dieser Zeit so gut. Und rückblickend weiß Melchert: „Nur wenn es den pflegenden Angehörigen gut geht, können sie auch ihre Aufgabe gut bewältigen.“ So fand Bernd Melchert, der in dieser Situation nicht der Gemeindepfarrer, sondern einfach nur Sohn war, in Erika Gierich und der ehrenamtlichen Hospizbegleiterin Monika Gerhardt immer eine Ansprechpartnerin. „Ich konnte jederzeit anrufen und hatte das gute Gefühl, nicht allein zu sein.“
Natürlich hatte er Unterstützung durch einen Pflegedienst, und auch die Gemeinde hatte die Situation mitgetragen. Dafür ist Bernd Melchert heute noch sehr dankbar. Die Begleitung durch den Hospizverein gab ihm aber letztendlich die Sicherheit – in dem neben der Geburt bedeutsamsten Lebensereignis die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und: „Mir wurde auf einfühlsame Weise vermittelt, dass ich nicht meinen Vater loslassen musste, sondern ihn seinen Weg gehen lassen kann.“ Erika Gierich und Monika Gerhardt konnten das ausdrücken, für das Melchert in der Zeit des Abschieds keine Worte fand, und gaben ihm Antworten auf Fragen wie etwa „Woran erkenne ich denn, dass mein Vater stirbt?“.
Und sie schenkten ihm Zeit. Zeit, selbst einmal Kraft zu tanken. Melchert wurde ermutigt, Nähe zuzulassen und das Leben so anzunehmen, wie es kommt. Und als Christ machte er die Erfahrung: „Es geht nicht mit meinem Vater bergab, es geht bergauf, und ich darf ihn begleiten.“ Immer wieder kam Monika Gerhard vorbei (bis zum Lockdown), um am Bett des Vaters zu sitzen. Sie hörte mit ihm Musik, hielt ihm die Hand oder reichte ihm etwas zu essen. In dieser Zeit konnte sich Bernd Melchert einmal um andere Dinge und um sich selbst kümmern. Die ehrenamtliche Hospizbegleiterin beschreibt ihren Dienst als erfüllend. „Wir haben die Situation zusammen ausgehalten“, sagt sie. Und: „Man nimmt aus jeder Begleitung auch immer etwas für sich selbst mit. Es ist ein Geben und Nehmen.“
In Momenten, in denen Bernd Melchert an seine Grenzen stieß, half ihm Erika Gierich dabei, zu sehen, welche Möglichkeiten und Alternativen es in seiner Situation noch gibt. „Manchmal reicht es schon, um weitere Optionen zu wissen, ohne sie dann wirklich in Anspruch zu nehmen. So wird einem die Ohnmacht genommen.“ Dies gab Bernd Melchert das Gefühl, getragen zu sein. Ein Gefühl, das er zulassen konnte, das ihn zufrieden machte.
Als er spürte, dass das Sterben seines Vaters nah war, bat er Erika Gierich, zu ihm und zu seinem 87-jährigen Vater zu kommen. „Ich wollte nicht allein sein. Ich wusste ja nicht, ob mein Vater noch irgendetwas an Hilfe benötigt, was ich vielleicht nicht leisten kann“, erinnert er sich. Mit der Hospizkoordinatorin in der Nähe fühlte er sich schließlich sicher. „Diese Unterstützung hat es leichter gemacht“, so Melchert. Monika Gierich und ihr Team möchten die Angehörigen ermutigen, dabeizubleiben, die Situation auszuhalten. Und sie wollen ihnen die Hilflosigkeit als „leise Regie im Hintergrund“ nehmen. „Wir möchten die Angehörigen bestärken, das, was sie fühlen, auch zu tun“, sagt Gierich.
In Zeiten der Corona-Pandemie wirken die Erfahrungen, die Bernd Melchert gemacht hat, noch einmal mehr auf ihn. „Zwischen all den Diskussionen um Beschränkungen und Lockerungen dürfen wir die häusliche Pflege nicht vergessen. Dies ist ein gesellschaftliches Thema, das in der Öffentlichkeit mehr Beachtung finden muss. Wir müssen auch an jene, die schwach sind, denken.“