Ehepaar Rein aus Daaden glaubte nach Protesten schon, "nur" noch 400 statt 774 Euro im Monat zahlen zu müssen: Dann kam eine neue Rechnung
Horror-Gaspreis: Wenn sich Daadener Hartnäckigkeit fast auszahlt
Petra Rein aus Daaden hat für sich und ihren Mann mit vielen Mails und noch mehr geduldigen Stunden am Telefon um eine Reduzierung des monatlichen Gaspreises gekämpft: War alles umsonst? Foto: Peter Seel
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Viele sind in den vergangenen Wochen und Monaten mit wesentlich höheren Gaspreisrechnungen konfrontiert worden. Das Ehepaar Rein aus Daaden erhielt eine besonders hohe. Nach Protesten glaubte es schon, „nur“ noch 400 statt 774 Euro im Monat zahlen zu müssen: Dann kam eine neue Rechnung.

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So mancher Rentner und auch viele junge Verbraucher hätten zwar vor Schrecken auf den Tisch gehauen, dann aber doch die im Zuge der Energiekrise dramatisch gestiegene Gasrechnung in ihrer Hand bezahlt. Nicht so Petra Rein aus Daaden: Als sie im Oktober eine Rechnung bekam, die plötzlich monatlich sechs (!) Mal so hoch sein sollte wie bisher, da setzte sie sich ans Telefon, entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Bis zu 75 Minuten hing sie bei ihren vielen Versuchen, einen Mitarbeiter der Gasversorgerfirma Rhenag zu sprechen, am Telefon in der automatischen Warteschleife oder wurde aus nachvollziehbaren oder weniger nachvollziehbaren Gründen wieder und wieder vertröstet.

Doch jede noch so lange Warteschleife hielt sie durch, bei jedem Rhenag-Mitarbeiter blieb sie freundlich, aber konsequent. Und als sie schließlich glaubte, dass sie sich durchgesetzt hätte und „nur noch“ das Dreifache zahlen müsste vom alten Preis (statt das Sechsfache) – da kam die nächste Rhenag-Rechnung: 620 Euro pro Monat! Putins Krieg gegen die Ukraine hat den Westerwald erreicht (siehe Kasten unten).

Statt 130 plötzlich 400 Euro

Doch von vorne. „In den Jahren vor Putins Angriffskrieg auf die Ukraine haben wir bei der Firma Extra-Energie immer rund 130 Euro im Monat fürs Gas bezahlt“, erzählt Ehemann Henrik Rein. „Dann stiegen die Preise. Plötzlich bekamen wir im August ein ,Angebot' von Extra, dass wir ab Oktober jährlich 4170 Euro für 16.000 Kilowattstunden zu zahlen hätten. Weil wir aber immer einen Verbrauch von rund 18.000 kWh haben, wären wir damit bei über 400 Euro pro Monat gelandet ...“

Das Paar beschloss, den Vertrag bei Extra-Energie zu kündigen. Vorher aber informierte sich Petra Rein bei der Rhenag, ob man dort gegebenenfalls in die Kundenkategorie einer Grundversorgung aufgenommen werden könne. „Aber die Rhenag rührte sich nicht“, sagt die 53-jährige Sport- und Fitnesskauffrau. „Offenbar waren wir nicht die Einzigen, die sich angesichts der Energiekrise für die Grundversorgung interessierten.“

Das Daadener Paar bekam auf seine Anfrage lediglich eine Eingangsbestätigung, eine eindeutige Antwort kam und kam jedoch nicht. „Immer, wenn wir nachfragten“, so Petra Rein, „hieß es per Automat oder von einem Mitarbeiter: Wegen des hohen Kundenaufkommens hatten wir noch keine Zeit, uns um Ihre Anfrage zu kümmern. Und weil die Zeit für eine Kündigung bei Extra drängte, haben wir die Antwort von Rhenag nicht mehr abgewartet und bei Extra-Energie gekündigt.“

Grundversorgung bei 264 Euro im Monat

Petra Rein hatte allerdings auf die Internetseiten der Rhenag geschaut: „Demnach wären wir da in die Grundversorgung gefallen und hätten 264 Euro pro Monat bezahlen müssen. Das wäre doppelt so viel gewesen wie bisher, aber das muss man angesichts der Energiekrise in Kauf nehmen. Aber die erste Rhenag-Rechnung sah dann ganz anders aus. Da dachten wir, wir fallen vom Glauben ab: 774 Euro für einen einzigen Monat!“

Was war der Grund dafür, dass der Gasversorger auf seiner Website 264 Euro anzeigt, am Ende aber das Dreifache auf der Rechnung steht? Für eine Antwort war wiederum die Hartnäckigkeit von Petra Rein notwendig. „Nach langem Hin und Her“, berichtet sie, „erfuhren wir am 21. Oktober, dass wir von der Rhenag aus unerfindlichen Gründen nicht als Grundversorger beliefert werden, sondern als sogenannter ,Grundersatzversorger'. Was der Unterschied ist, außer dass man viel mehr zu bezahlen hat, das weiß ich bis heute nicht.“

Kaum Erfolg bei Rhenag-Büro

Dies versuchte sie, im Rhenag-Büro in Alsdorf zu erfahren. Sie legte die Rechnung vor und sagte: „Wer soll das denn bezahlen? Dafür würde ja fast das ganze Geld draufgehen, das ich mit meiner Teilzeitstelle verdiene!“ Zunächst, erzählen die Reins, habe es in Alsdorf geheißen, da sei nichts zu machen. „Man sagte mir, ich solle mich an den Hauptsitz der Rhenag in Siegburg wenden. Das habe ich dann gemacht und per Mail darum gebeten, in die Grundversorgung eingeordnet zu werden statt in die Grundersatzversorgung ...“ Eine Mahnung für die 774-Euro-Rechnung ignorierten die Reins erst mal. „Auf unsere Frage bekamen wir lange keine Antwort“, so Petra Rein. „Immer hieß es: Das steckt noch in der Buchführung. Oder: das ist viel Arbeit.“

Dann folgte zunächst mal eine „erlösende Rechnung“, wie Petra Rein sagt: „400 Euro im Monat, und uns wurde mündlich erklärt, dass wir in die Grundversorgung gerutscht sind. Warum, das hat uns keiner erklärt.“ Henrik Rein: „Da hab' ich schon geglaubt, wir hätten die Rhenag-Leute überzeugt. Und wir wären ja auch zufrieden gewesen, denn mit den 400 Euro hätten wir um die Hälfte günstiger gelegen als mit den 774 von der ersten Rechnung.“

Die Odyssee geht weiter

Aber gerade, als die Reins dachten, sich nun einen halbwegs guten Gaspreis gesichert zu haben, kam der Kracher: Auf einer ganz aktuellen Rechnung stand die monatliche Forderung von 620 Euro. „Das darf alles nicht wahr sein“, sagt Petra Rein. „Da war ich schon froh, dass ich den ganzen Aufwand betrieben und ein gutes Ergebnis erzielt hatte.“ Zugleich erinnert sie sich aber, dass sie schon neulich bei einem Telefonat mit der Rhenag eine recht kalte Auskunft zu hören bekam: „Die sagten, in diesem Sektor gebe es keine Preisbindung. Man ließ mich deutlich spüren, dass die Preise in der Gasversorgung definitiv nicht stabil sind ...“

Rhenag: „Das Ergebnis einer noch nie da gewesenen Energiekrise in Europa“

Rhenag-Pressesprecher Detlev Albert versteht den Unmut seines neuen Kunden, bittet aber um Verständnis. „Was sich in den Gaspreisen spiegelt“, erklärte er auf RZ-Anfrage, „ist das Ergebnis einer noch nie da gewesenen Energiekrise in Europa, in der sich die Großhandelspreise gegenüber dem langjährigen Mittel verfünft- bis verzehnfacht haben.“ Zum Fall Rein sagt Albert: „Wenn jemand seinem bisherigen Lieferanten kündigt und zur Rhenag als dem örtlichen Grundversorger wechselt, rutscht er automatisch in die Ersatzversorgung. Die Reins wollten dann in die Grundversorgung, weil die günstiger ist.

Das haben sie auch richtig gemacht, und wir haben ihnen das am 20.10.22 auch bestätigt. Dadurch haben sie einen geringeren Abschlag bekommen.“ Der Rhenag-Sprecher erläutert, dass es sich bei den Monats-„Rechnungen“ immer um einen Abschlag handelt, der noch nicht der endgültigen Jahresrechnung entspricht: „Der Kunde gibt einen bestimmten Jahresverbrauch an, der in Abschlägen bezahlt wird. Diese berechnen wir so, dass der Kunde nach zwölf Monaten nicht in eine allzu hohe Nachzahlung rutscht. Das ist unser wichtigstes Ziel. Je nachdem, was der Kunde verbraucht und wie sparsam er mit der Energie ist, kann es sogar passieren, dass er nach einem Jahr noch Geld zurückbekommt.“

Die Gaspreise seien momentan „sehr sehr hoch“: „Dass die Kunden da oft geschockt sind, kann ich gut verstehen. Durch die Energiekrise haben wir da aber keine Wahl. Putin setzt Gas als Kriegsmittel ein. Wir sind sozusagen nur der Überbringer der schlechten Nachricht – nicht die Ursache. Die Rhenag hat eine langfristige sicherheitsorientierte Beschaffungsstrategie. Deswegen konnten unsere Kunden bislang noch von recht günstigen Preisen profitieren. Jetzt kommen die stark verteuerten Beschaffungskosten auch bei uns an, und wir müssen die Preise anheben. Bei uns stehen die Telefone nicht mehr still, wir kommen kaum nach ...“ sel

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