Geschäft Siewert Altenkirchen
Hörakustiker zieht wegen fehlender Barrierefreiheit um
Axel Siewert (59) und sein Sohn Leo Siewert (28) im Labor der neuen Geschäftsräume am Konrad-Adenauer-Platz 5. Der Laden wurde zum 1. Februar eröffnet. Insgesamt bietet der neue Standort laut Siewert mehr Platz, Komfort und ausreichend Parkmöglichkeiten.
Annika Stock

Fünf Jahre lang hatte Hörakustiker Axel Siewert sein Geschäft in der Wilhelmstraße 29 in der Fußgängerzone in Altenkirchen. Doch seit Februar 2025 ist es am Konrad-Adenauer-Platz zu finden. Wir haben mit Axel Siewert über die Hintergründe gesprochen.

Nach fünf Jahren in der Wilhelmstraße 29 in Altenkirchen ist Hörakustiker Axel Siewert mit seinem Geschäft im Februar an den Konrad-Adenauer-Platz 5 in der Kreisstadt umgezogen. Gründe für den Umzug gab es einige, aber der Hauptgrund war die fehlende Barrierefreiheit, wie Siewert im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet.

„Bei meinem alten Geschäft gab es eine Stufe, da musste ich Kunden, die gehbehindert waren, immer herüberheben beziehungsweise helfen. Das war nicht ideal“, berichtet Siewert, der als Mieter in dem Geschäft ansässig war. Auch seine Kunden haben die Situation kritisiert und die Frage gestellt, warum überhaupt Barrieren in der Innenstadt vorhanden seien. Abhilfe versprach er sich durch einen früheren telefonischen Kontakt zum Bauamt der Verbandsgemeinde. Siewert wollte eigentlich gerne direkt zu Beginn seine Tätigkeit in der Fußgängerzone eine Rollstuhlrampe aus Holz oder Stahl vor seinem Eingang anbringen. Auf seine Anfrage hin wurde ihm damals laut seiner Aussage vom Bauamt mitgeteilt, dass „man die Fußgängerzone gerade so schön gemacht habe und das Bild nun nicht durch Rampen verschandeln wolle“.

Das vorherige Geschäft in der Wilhelmstraße 29 in der Fußgängerzone, in der Axel Siewert fünf Jahre lang Mieter war. Die Stufe ist durch eine leichte Markierung zu erkennen.
Annika Stock

Siewert, der selbst eine Hörbeeinträchtigung hat, zeigt sich im Gespräch mit unserer Zeitung enttäuscht von der damaligen Reaktion. „Ich habe keinen offiziellen Antrag dafür eingereicht, sondern ich wollte mit dem Bauamt sprechen, um herauszufinden, was ich tun muss. Da habe ich direkt diese Aussage bekommen, dass man das nicht machen will“, so Siewert. Die damalige Aussage habe ihn entmutigt. Ihm ist das Thema Barrierefreiheit ein persönliches Anliegen für seine Kundschaft. Er findet, man müsse generell barrierefrei bauen und für Veränderungen diesbezüglich offen sein. Seiner Meinung nach sei es zudem nicht die Aufgabe der Bürger, das Anrecht „durchzuboxen“, sondern Aufgabe der Stadt. „Es ist ein Anrecht eines Behinderten, dass er auf barrierefreie Zugänge trifft“, ist der 59-Jährige überzeugt.

In seinem neuen Geschäft ist ein barrierefreier Zugang gewährleistet, obwohl es dort sieben Stufen gibt. Jüngst wurde noch eine Verbindung geschaffen mit Geländer, um Kunden einen sicheren Weg in die neuen Räumlichkeiten zu gewährleisten. Die Kosten beliefen sich auf 6000 Euro – die Hälfte habe der Vermieter gezahlt, wie Siewert berichtet. Im Innenraum ist ein mobiler Treppenlift (Kostenpunkt: 6000 Euro) installiert, um den Zugang zu den Toiletten für die (meist ältere) Kundschaft problemlos zu ermöglichen. Auch die Parksituation ist laut dem Hörakustiker besser als in der Fußgängerzone – hier hat er zwei direkte, kostenfreie Parkplätze für seine Kundschaft und auch in der Umgebung sind genügend kostenfreie Parkplätze vorhanden. „Die individuelle Betreuung meiner Kunden ist sehr zeitintensiv, etwa zwei Stunden“, betont er. Deshalb sei die Parksituation am alten Standort an der Wilhelmstraße nicht ideal gewesen – oft hätten Kunden Parktickets nachlösen müssen. Siewert findet den neuen Standort klasse und betont, dass er den Konrad-Adenauer-Platz nicht als Angstraum empfinde – im Gegenteil. Er finde es toll, dass dieser „so belebt ist“.

Ein Geländer und ein barrierefreier Zugang runden den neuen Standort ab. Hörakustiker Axel Siewert (links) ist zufrieden mit seiner neuen Geschäftsadresse, wünscht sich aber generell mehr Verständnis beim Thema Barrierefreiheit.
Annika Stock

Auf Anfrage unserer Zeitung, ob dem Bauamt eine derartige Anfrage bezüglich der Schaffung einer Rampe für das Geschäft in der Wilhelmstraße 29 bekannt sei, äußert sich Büroleiterin Sonja Hackbeil der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld: „Der Verbandsgemeindeverwaltung waren zu Zeiten der Neuplanung der Fußgängerzone mehrere Anfragen von Eigentümern in der Wilhelmstraße bekannt.“ Daher habe der zuständige Fachbereich Infrastruktur, Umwelt und Bauen seinerzeit die Anlieger dazu eingeladen, im Rahmen von mehreren Workshops an der Neugestaltung der Fußgängerzone mitzuwirken. „Eine aktuelle Anfrage von Herrn Siewert ist uns nicht bekannt“, so Hackbeil.

Laut VG-Verwaltung wurden im Zuge der Neugestaltung der Fußgängerzone im öffentlichen Verkehrsraum Oberflächenmodellierungen in der Art und Weise vorgenommen, dass Stufen, die bis dahin vor den Gebäuden lagen, weitestgehend mit in die Gestaltung der Fußgängerzone aufgenommen werden konnten. „Innerhalb der Gebäude hat jeder Hauseigentümer die Möglichkeit, seine Treppenanlage im Gebäude baulich so umzugestalten, dass ein barrierefreier Zugang möglich ist“, führt Hackbeil aus.

Am Konrad-Adenauer-Platz besteht ein barrierefreier Zugang für die meist ältere Kundschaft von Hörakustiker Axel Siewert.
Annika Stock

Schon im Zuge der Planung für die Sanierung der Fußgängerzone wurde die Frage aufgeworfen, ob eine barrierefreie Zuwegung zu den Geschäften realisierbar ist. „Grundsätzlich bleibt aber festzuhalten, dass aufgrund der Topografie der Fußgängerzone mit ihrem relativ starken Gefälle entlang aller Gebäude die Anforderungen an eine Barrierefreiheit teilweise nur bedingt erfüllt werden können“, so Büroleiterin Sonja Hackbeil. So sei bei der Nutzung der Fußgängerzone im Rahmen von Veranstaltungen, zum Beispiel an Karneval oder beim Schützenfest, der zur Verfügung stehende Platz ohnehin schon sehr begrenzt. „Um diesen Platz nicht noch weiter durch einragende Rampenkonstruktionen zu reduzieren, haben sich die Planer im Rahmen der Neugestaltung der Fußgängerzone in Abstimmung gemeinsam mit dem Stadtrat dazu entschlossen, diese nicht auf der städtischen Fläche ausführen zu lassen.“

„Um diesen Platz nicht noch weiter durch einragende Rampenkonstruktionen zu reduzieren, haben sich die Planer im Rahmen der Neugestaltung der Fußgängerzone in Abstimmung gemeinsam mit dem Stadtrat dazu entschlossen, diese nicht auf der städtischen Fläche ausführen zu lassen.“
Büroleiterin Sonja Hackbeil von der Verbandsgemeindeverwaltung auf Anfrage unserer Zeitung.

Laut VG-Verwaltung müssen beim Anbau einer Rampe von Eigentümern auf ihrer Parzelle die statischen Anforderungen im Rahmen der Technik berücksichtigt werden. So sollte im Idealfall bei der Realisierung einer Rampe ein Gefälle von 6 Prozent realisiert werden. Neben den baulichen Oberflächenmodellierungen im Rahmen der Neugestaltung der Fußgängerzone sind der Verwaltung vereinzelte Anlieger bekannt, „die im Bedarfsfall im Bereich ihres Gebäudeeingangs eine Metallplatte über ihre Treppenstufen anbringen, um so eine Zuwegung zu den Geschäftsräumen zu erleichtern“, führt Hackbeil aus.

Statement vom Stadtbürgermeister

„Die Kreisstadt Altenkirchen unterstützt generell das Bestreben, eine Barrierefreiheit herzustellen, damit Personen mit Beeinträchtigungen nicht benachteiligt sind. Allerdings ist dabei immer abzuwägen, ob feste Einbauten in jedem Fall die beste Lösung darstellen. Neben Festeinbauten besteht auch die Möglichkeit mittels mobiler, preisgünstiger Rampen, Hindernisse zu überwinden. So wurde zum Beispiel für den Zugang zum historischen Quartier eine mobile Rampe durch den Bismarckturmverein angeschafft und zusätzlich eine Klingel, um diese Hilfe anzufordern“, äußert sich Stadtbürgermeister Ralf Lindenpütz zur Barrierefreiheit in der Stadt. „Es ist stets der Einzelfall zu betrachten, und eine Lösung kann immer gefunden werden. Daher bin ich über die Aussage von Herrn Siewert sehr irritiert; mir ist seit meiner Amtsübernahme als Stadtbürgermeister im Oktober 2022 keine Anfrage von ihm bezüglich seines ehemaligen Geschäftsstandortes und der fehlenden Barrierefreiheit angetragen worden.“

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