Das neueste Buch „Altern“ der Autorin Elke Heidenreich war ein Kassenerfolg. Obwohl es erst im Mai 2024 erschienen ist, war es das meistverkaufte Buch des vergangenen Jahres. Da wundert es nicht, dass die Halle im Wissener Kulturwerk bis auf den letzten Platz besetzt ist, als Heidenreich am vergangenen Donnerstagabend in der Reihe der Westerwälder Literaturtage aus ihrem Buch vorliest.
Dabei wollte sie dieses Buch eigentlich gar nicht schreiben, gibt Heidenreich am Anfang unumwunden zu. Der Verlag sei auf sie zugekommen, er wollte eine Reihe herausbringen, in denen zehn verschiedene Themen des Alltags in Essays behandelt werden sollten. Darunter die Themen Schlafen, Streiten, Lieben, Arbeiten, Essen, Wohnen und eben auch Altern. Für Heidenreich sei sofort klar gewesen, Wohnen ist ihr Thema. 23 Mal ist sie in ihrem Leben umgezogen, mit Wohnen kennt sie sich aus. Doch das Thema hatte schon Doris Dörrie, der Themenvorschlag des Verlags an Heidenreich: Zum Altern solle sie etwas schreiben. „Das mache ich nicht“, ist ihre erste Reaktion gewesen. Doch schon am nächsten Tag konnte sie sich mit der Idee anfreunden und sagte dem Verlag zu. Mit leichter Hand habe sie das Buch dann geschrieben und dass es am Ende so ein Erfolg werden würde, damit habe sie nicht gerechnet.
Zwei Lebensvisionen zu Beginn
Doch worum geht es in ihrem 111 Seiten langem Essay über das Altern? Natürlich um sie selbst, Heidenreich beginnt bei der Lesung mit den ersten Seiten des Buches. Darin beschreibt sie ihr Leben einmal im negativen und einmal im positiven Licht. Einmal beschreibt sie, wie sie ihr Leben „in den Sand gesetzt“ hat, ein zweites Mal schreibt sie darüber, was für „ein unfassbar wunderbares Leben“ sie hatte. „So. Und nun suchen Sie sich aus diesen zwei Lebensversionen doch bitte eine aus“, liest sie dem Publikum weiter aus dem Buch vor.
Doch Heidenreich wäre nicht Heidenreich, wenn es in diesem Essay nicht auch um ihre größte Leidenschaft ginge: Literatur. Von unzähligen Autorinnen und Autoren lässt sie den Leser bzw. die Leserin wissen, was sie über das Altern geschrieben haben. Etwa von der italienischen Autorin Natalia Ginzburg, die in einer ihrer Erzählungen („Die Frauen“) schreibt: „Mit vierzig haben sie begonnen, sich zu fragen, was sie tun könnten, um nicht jenes lächerliche, unsympathische und traurige Tier zu werden, das ’eine Frau mittleren Alters’ genannt wird.“
„Die Jugend wäre schön, wenn sie etwas später käme und wir schon etwas klüger wären, oder?“
Elke Heidenreich
Altern heißt nicht, noch nicht tot sein, liest Heidenreich weiter vor und erhält vom Publikum zustimmendes Klatschen. Für die Autorin ist es ein ganz normaler Teil des Lebens. Das Jungsein sei für sie viel schlimmer. „Ins Jungsein bin ich ahnungslos reingerasselt, das Alter kam Schritt für Schritt, man ahnt ungefähr, was einem blüht, auch wenn man den Gedanken daran so lange wie möglich verdrängt“, übermittelt sie ihrem Publikum. „Die Jugend wäre schön, wenn sie etwas später käme und wir schon etwas klüger wären, oder?“
Und mit manchen Aussagen berühmter Autoren über das Älterwerden ist sie so gar nicht einverstanden. Etwa mit Oscar Wilde. Dieser habe doch behauptet, das Alter sei die Rumpelkammer des Lebens. Und diese Aussage von jemandem, der noch nicht mal das 46. Lebensjahr erreicht hat. „Ich finde: Das Gegenteil ist der Fall“, kontert Heidenreich in ihrem Buch. „Man mistet ja aus – Sachen, Vorhaben, Träume“, zählt die 82-jährige Schriftstellerin auf.
Lesung wird von Klavierklängen begleitet
Ihr zur Seite an diesem Abend ist ihr Partner Marc-Aurel Floros. Er lockert die Beiträge von Elke Heidenreich auf dem Klavier auf, mit Stücken wie ´Moonriver`. Nach etwa einer Stunde ist Pause und Heidenreich nimmt sich die Zeit, ihre Bücher zu signieren. „Keine Sorge, jeder wird dran kommen“, sagt sie dem Publikum. Denn schon in der Pause ist die Schlange zum Signieren ellenlang.
Heidenreichs Buch „Altern“ ist dann auch an diesem Abend wieder ein Kassenschlager. Alle Ausgaben, die auf einem Tisch neben weiteren Werken der Autorin ausgebreitet liegen, sind bis zum Ende der Veranstaltung restlos ausverkauft.