SPD-Fraktionschef Benjamin Geldsetzer: „Man macht die mehrheitlich beschlossene Ausschreibung zur Farce. Wenn man ohne Wenn und Aber den eigenen Kandidaten installieren wollte, hätte man das offen sagen sollen. Offenbar stand die Versorgung des Kandidaten im Vordergrund und nicht die Frage, ob wir überhaupt die Hauptamtlichkeit brauchen“.
Zur Erinnerung: Eine Mehrheit aus FWG, CDU und Linken hatte gegen die Stimmen der anderen Fraktionen die Einführung der Hauptamtlichkeit durchgesetzt. Geldsetzer: „Eine achtzehnmonatige Vertretungsarbeit während der Erkrankung des Bürgermeisters kann nicht das Entscheidungskriterium für die sehr teure Einführung der Hauptamtlichkeit sein. Hier geht es um Aufbau- und Ablauforganisation unserer Verbandsgemeinde zur ebenso effizienten, wie effektiven Aufgabenerledigung.“ Geldsetzers Vertreter Bernd Becker ergänzt: „Aus unserer Sicht geht es insbesondere darum, die Fusion der beiden Alt-VGen zu vollenden, statt Trennendes zu forcieren.“
Auch FDP-Sprecher Jannik Blähser ist bestürzt: „Angesichts der enormen Kosten von über 1,3 Millionen Euro in acht Jahren an Gesamtkosten, wollen wir ein offenes Bewerbungsverfahren, um den besten Bewerber zu finden, der mit uns zusammen die gesamte Verbandsgemeinde nach vorne bringt. Wir wollen durch die Kompetenzen, Erfahrungen und Kenntnisse dieser Person profitieren. Ein Ausschreibungs- und Auswahlverfahren muss das Ziel haben, am Ende den Bewerber mit der bestmöglichen Qualifikation auszuwählen und nicht einen Bewerber von vorn herein als ,gesetzt' zu betrachten, ohne die weiteren Bewerber überhaupt zu berücksichtigen. Hier darf es nicht um persönliche Beziehungen, Gefälligkeiten oder Parteizugehörigkeiten gehen.“
Christel Mies, die Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, zeigt sich ob der Art und Weise, wie „vor allem CDU und FWG gezielt eine Person zum hauptamtlichen Ersten Beigeordneten machen wollen“ fassungslos: „Im Hauruckverfahren wurde auf Kosten der Steuerzahler ein neuer Posten geschaffen, ohne dass die Notwendigkeit und die einzelnen Aufgabengebiete vorher geklärt wurden. Sinnvolle Maßnahmen, wie die Aufstockung von Personal, die Aufwertung der Fachbereichsleitungen oder Aufgabenverschiebungen, wurden gar nicht zur Diskussion angeboten. Es scheint ja auch schon klar zu sein, dass der neue Hauptamtler in Gebhardshain sitzen soll. Man sollte sich fragen, ob zwei Chefs an zwei Orten dem Sinn der Fusion entsprechen, die vor allem die Einsparung von Steuermitteln und Zusammenlegung von Arbeitseinheiten zum Ziel hatte.“
In einem an Bürgermeister Bernd Brato gerichteten Schreiben macht die SPD deutlich, worum es ihr im Verfahren geht und welche Ziele sie verfolgt: „In dem Zusammenhang ist es für die SPD-Fraktion ganz besonders wichtig, dass der oder die Bewerber mit uns zusammen die Ziele der Fusion der beiden Alt-Verbandsgemeinden verfolgt. Um es klar zu sagen: Unser Ziel ist eine effiziente und effektive Verwaltung als guter Arbeitgeber an einem Standort mit Bürgerbüros (mit eingeschränkten Öffnungszeiten oder nach Vereinbarung) in Gebhardshain und Betzdorf. Wer eine ,Zwei-Rathaus-Lösung' mit ,eigenem Bürgermeister' in Gebhardshain verfolgt, kann unsere Zustimmung keinesfalls erhalten.“
In dem auch von FDP und Grünen unterstützten Schreiben postuliert die SPD-Fraktion: „Es gibt eine Vielzahl hochqualifizierter Bewerber für das ebenso attraktive wie lukrative Amt eines hauptamtlichen Beigeordneten. Diese haben es auch verdient, in einem korrekten Auswahlverfahren in Konkurrenz treten zu können, auch dann, wenn es dazu keine rechtliche Verpflichtung geben sollte. Das hat auch etwas mit Umgangsformen und Anstand zu tun.“
Und weiter: „Die Vorstellungsgespräche sollten in nicht öffentlicher Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses stattfinden. Es geht in einem solchen Gespräch – neben dem Kennenlernen – auch darum, zu erfahren, mit welchen Vorstellungen der Bewerber oder die Bewerberin dieses Amt antreten und ausführen möchte und für welche Fachbereiche – ergänzend zu denen des Bürgermeisters – besondere Interessen, Neigungen und Kenntnisse vorhanden sind.“
Der Brandbrief der Fraktionen ist eine Replik auf Folgendes: Die FWG-Fraktion im VG-Rat Betzdorf-Gebhardshain traf sich jetzt aus aktuellem Anlass zur Sitzung im Bürgerhaus Elkenroth. Ganz oben auf der Tagesordnung stand die Beratung über das künftige Amt sowie über die bevorstehende Wahl eines hauptamtlichen Beigeordneten in der Verbandsgemeinde. Nach rund zweistündiger Sitzung mit sehr intensiver Beratung stellte FWG-Fraktionssprecher Peter Schwan in der zentralen Frage glatte Einmütigkeit fest. Demnach spricht sich die sechsköpfige Ratsfraktion klar dafür aus, den bisherigen Ersten VG-Beigeordneten Joachim Brenner (49) aus Gebhardshain bei der Wahl zum „Hauptamtlichen“ zu unterstützen.
„Er versteht sein Handwerk und hat hervorragende Arbeit geleistet“, hieß es jetzt in Elkenroth übereinstimmend. Das dicke Lob bezieht sich vor allem auf die rund achtzehmonatige Dienstzeit, in der Brenner den erkrankten Bürgermeister Brato im Amt maßgeblich vertreten hatte. Aber ebenso allgemeine Befähigungskriterien wie fachliche Voraussetzungen und amtliche Kompetenz kamen in der FWG-Sitzung anerkennend zur Sprache. Über die geheime Wahl des hauptamtlichen Beigeordneten wird der Verbandsgemeinderat demnächst in öffentlicher Sitzung entscheiden.