Sandra Schäfer aus Isert ist Kunstprofessorin
Große Lebensfragen künstlerisch verarbeitet: Westerwälderin zeigt Werke auch in München
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Blick auf die Rückseite der Billboard-Kunsttafel, bei der das Motiv ambivalent gehalten ist: Handelt es sich hierbei um eine übergriffige oder fürsorgliche Geste des Menschen? Foto: Tobias Hase/Kulturreferat der LHM
Tobias Hase / Kulturreferat der LHM. Tobias Hase

Sandra Schäfer geht mit ihren künstlerischen Projekten den großen Lebens- und Gesellschaftsfragen auf den Grund. „Mit 20 Jahren entschied ich mich, Kunst zu studieren, weil ich mich mit Zeichnungen, Fotografie und anderen Gestaltungselementen besser ausdrücken konnte als im wissenschaftlichen Rahmen“, berichtet die geborene Altenkirchenerin.

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Blick auf die Rückseite der Billboard-Kunsttafel, bei der das Motiv ambivalent gehalten ist: Handelt es sich hierbei um eine übergriffige oder fürsorgliche Geste des Menschen? Foto: Tobias Hase/Kulturreferat der LHM
Tobias Hase / Kulturreferat der LHM. Tobias Hase

Aktuell ist eines ihrer Werke mit dem Titel „What is nature to your culture?“ (Übersetzt: „Was bedeutet Natur für ihre Kultur?“) an einem Billboard am Lenbachplatz in München noch bis Ende Juli ausgestellt. Die Motive für ihre Billboard-Arbeit hat sie im Rahmen der Public Art München erarbeitet.

Die 54-Jährige hat schon früh in ihrem wissenschaftlichen Studium gerne gezeichnet und fotografiert. „Ich habe immer schon gerne über Bilder kommuniziert“, führt sie im Gespräch mit unserer Zeitung aus. Die geborene Altenkirchenerin hat ihr Abitur in der Kreisstadt gemacht und ist in Isert aufgewachsen. Nach dem Abitur besuchte sie verschiedene Städte und das Ausland, um zu studieren. Sie studierte Politikwissenschaft und Kunst.

Es verschlug sie unter anderem nach Köln, Frankfurt und Kassel (Kunsthochschule Kassel), Karlsruhe (HfG). Auch die Slade School in London war eine ihrer Stationen. „Das hat mir auch noch mal die Augen geöffnet für andere gesellschaftspolitische Fragen, das war mir sehr wichtig“, berichtet die Künstlerin, die seit 2020 Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in München ist und international in der Künstlerszene bekannt ist. Nach Berlin kam sie 2003, mittlerweile ist sie sowohl dort als auch in München zu Hause.

Je nachdem, wie es ihre Arbeit verlangt, pendelt sie zwischen den beiden Großstädten Berlin und München. „Ich finde die beiden Städte interessant, sie sind auch sehr unterschiedlich und es ist gerade schön, München kennenzulernen und auch hier zu arbeiten“, berichtet Schäfer. Ihr macht die Arbeit an der Akademie der Bildenden Künste viel Freude, ebenso die Arbeit an Ihren Projekten wie dem Billboard. Im September eröffnet sie eine Ausstellung im Kunstraum München.

Bei ihrer aktuellen Arbeit, die auf eine PVC-Leinwand gedruckt wurde und Motive aus dem Westerwald zeigt, stellt Sandra Schäfer das Verhältnis von Menschen zur lebendigen Umgebung in den Fokus. „Besonders ist hierbei, dass es auf einem Billboard gezeigt wird, das zwei Seiten hat. So ein Billboard ist ganz selten und ursprünglich auch eine Arbeit von dem Künstlerduo Elmgreen & Dragset gewesen“, erklärt Schäfer. Die Vorderseite des Kunstdrucks zeigt den Ausblick vom Westerwälder Köppelturm auf den zerstörten Wald.

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Künstlerin Sandra Schäfer stammt aus Altenkirchen
privat/Schäfer

„Es gibt diese Betonarchitektur, man weiß nicht direkt, um welche Architektur es sich handelt, also ob sie militärisch ist oder es sich um einen touristischen Aussichtspunkt handelt. Das habe ich bewusst ganz ambivalent so gehalten“, führt Schäfer aus. Auf der Rückseite ihres Kunstdrucks ist ein Vogel abgebildet, der von einer menschlichen Hand gehalten wird, die das Gefieder des Tieres aufspreizt. „Das ist auch eine Geste, die ebenfalls ambivalent bleibt, wo man nicht weiß, ob es eine übergriffige oder fürsorgliche Geste ist“, so Schäfer.

„Ich habe immer schon gerne über Bilder kommuniziert.“

Künstlerin Sandra Schäfer stammt aus Altenkirchen

Das Zitat in Schäfers Billboard-Arbeit bezieht sich auf das ursprüngliche gender-kritische Zitat „We won't play nature to your culture“ (Übersetzt: „Wir werden Ihrer Kultur nicht die Natur vorspielen“) von der amerikanischen Künstlerin Barbara Kruger aus dem Jahr 1983. Diese hatte die Gleichstellung der Frau und der Natur kritisiert. „Ich habe das Zitat umgewandelt auf das Verhältnis des Menschen zu seiner lebendigen Umgebung und auch dieser Vorstellung, dass die Natur als das hierarchische Andere im Unterschied zur menschlichen Kultur und Zivilisation angesehen wird“, berichtet Schäfer im Gespräch mit unserer Zeitung.

Sie blickt dabei auch kritisch auf die Zähmung der Natur. Wichtig ist der Künstlerin, dass der Titel ihres Werkes direkt an den Betrachter adressiert ist und prominent in der bayerischen Landeshauptstadt hängt. „Dort ist viel Verkehr und viele Passanten gehen daran vorbei, so kommen auch Leute mit dem Thema in Berührung, die sich sonst nicht für Kunst interessieren“, so die 54-Jährige.

Die Billboard-Fotos stammen aus Schäfers Film „Into the magnetic fields“ (Übersetzt: „In die magnetischen Felder“), ein Film, der teilweise auch im Westerwald gedreht wurde und der sich mit der Automatisierung in der Landwirtschaft befasst, aber ebenso den Blick darauf richtet, wie Wildtiere sich im Raum bewegen und sich dem menschlichen Zugriff entziehen. „Es gibt hierbei auch Sound, mit dem ich arbeite, den Menschen gar nicht hören können, sondern den wir nur körperlich wahrnehmen können“, berichtet die Professorin. Ihr liegt bei dieser Arbeit viel daran, auch an die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung zu gehen und diese zu beleuchten sowie erfahrbar zu machen.

Sie ist für ihre Kunst auch im Westerwald unterwegs. Ein Projektbeispiel: Der Film „Westerwald – eine Heimsuchung“, der eine Doppelprojektion zeigt. Zum einen ist ein Essayfilm über August Sanders Porträts ihrer Ururgroßtante und -onkel, Mitglieder einer Bauernfamilie im Westerwald, zu sehen. Auf der anderen Seite sind Landschaftsaufnahmen durch Laserscanning (Lidartechnik) zu sehen. „Mir war es bei dem Projekt auch wichtig, diejenigen, die von August Sander damals porträtiert wurden, oder ihre Nachfahren, zu Wort kommen zu lassen. Ich fand es sehr interessant, wie sie über die Fotografien sprechen und welches Wissen sie haben. Und das habe ich dann der Art und Weise gegenüber gestellt, wie im Kunstkontext mit diesen Fotografien umgegangen wird“, sagt Schäfer

Schwerpunktmäßig konzentriert sich die Künstlerin bei ihrer Arbeit auf die Medien Film, Installation und Fotografie. „Mich beschäftigt, wie städtische, ländliche oder auch transregionale Räume hergestellt werden. Ich habe in den vorherigen Jahren sehr viel im ländlichen Raum gearbeitet, auch im Westerwald.“ Die Installation „Westerwald: Eine Heimsuchung“ war auch im Museum für Gegenwartskunst in Siegen ausgestellt. Schäfers Arbeiten wurden schon beim Berlinale-Filmfestival in Berlin ausgestellt, sowie in Wien, Istanbul und Barcelona. Zu Schäfers Tätigkeit gehört auch das Kuratieren von Film- und Vortragsprogrammen.

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