Dittmann obliegt die Verantwortung für den Abfallwirtschaftsbetrieb und damit auch für den drohenden Verlust von Anlagen in Höhe von 3,6 Millionen Euro infolge der Greensill-Insolvenz.. Unausgesprochen, aber dennoch recht unverblümt, legen sie Dittmann den Rücktritt nahe. Die CDU stützt sich dabei auf ein noch nicht veröffentlichtes Gutachten, dass die Kreisverwaltung mit Landrat Peter Enders an der Spitze intern in Auftrag gegeben hat und mit dem die versicherungsrechtlichen Ansprüche rund um die beiden Anlagen von 2 Millionen Euro im Dezember 2019 und 1,6 Millionen Euro im September 2020 untersucht werden sollten. „Das Gutachten ist den Fraktionsvorsitzenden am 29. November zugesandt worden“, berichtet CDU-Fraktionschef Josef Rosenbauer, der beim Termin in der Betzdorfer Geschäftsstelle vom Kreisvorsitzenden Michael Wäschenbach sowie den Kreistags- und AWB-Ausschussmitgliedern Albert Hüsch, Josef-Georg Solbach und Burkhard Hensel flankiert wird.
Der „rauchende Colt“ in dem 40-Seiten-Dokument, das Rosenbauer noch nicht weitergeben, wohl aber daraus zitieren darf: Bereits seit 2015 existiert eine interne Dienstanweisung des AWB-Geschäftsführers, Werkleiter Werner Schumacher, laut der die Kassenleitung „nicht benötigte Geldmittel“ im Einvernehmen mit der Sachbereichsleitung, derzeit der stellvertretende Werkleiter Sebastian Blumberg, „mündelsicher“ anlegt. „Soweit Gelder über einen Zeitraum von einem Jahr und länger angelegt werden sollen, ist die Zustimmung des Werkleiters einzuholen“, heißt es weiter, in dem Dokument, das laut Rosenbauer in jüngster Zeit dreimal aktualisiert wurde: am 31. Mai 2019, am 25. November 2020 und am 3. Mai 2021. In den beiden älteren Versionen ist der zentrale Begriff der Mündelsicherheit weiterhin enthalten, nicht jedoch in der jüngsten Version, die nach dem Bekanntwerden der Greensill-Pleite angepasst wurde.
Der Begriff ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt und lässt an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig, wie Burkhard Hensel erklärt. Mündelsicher sind demnach nur Anlagen mit sehr weitreichenden Garantien wie Schatz- oder Pfandbriefe sowie Sparbücher und Konten bei Sparkassen und Banken, „die einem Einlagensicherungsfonds angehören“. Die zentrale Anforderung ist Hensel zufolge: „Das Kapital kann nicht kaputtgehen.“ Genau diese Anforderung war aber laut CDU bei den jüngsten zwei Greensill-Anlagen nicht mehr erfüllt, da seit 2017 kommunale Guthaben bei Privatbanken nicht mehr über den Einlagensicherungsfonds geschützt sind. Mit den durch seine Unterschrift genehmigten Anlageentscheidungen habe Schumacher daher „gegen seine eigene Dienstanweisung verstoßen“, so Rosenbauer. „Es war alles geregelt. Hätte man sich an die Dienstanweisung gehalten, wäre kein Schaden entstanden“, betont er weiter. Das Gutachten bewerte dieses Verhalten übrigens als grob fahrlässig, was möglicherweise Folgen für die Regressansprüche des AWB habe und dessen kürzlich beschlossenen Beitritt zur Interessengemeinschaft kommunaler Gläubiger der Greensill Bank ad absurdum führe.
Die politische Verantwortung, zu der dieser sich im Übrigen auch in der Sitzung des Werkausschusses im September bekannt habe, sehen die Christdemokraten allerdings bei Geschäftsbereichsleiter Gerd Dittmann. Sie verweisen dabei auf die erste Werkausschusssitzung nach Bekanntwerden der Pleite im April, bei der schon nach einer Konkretisierung einer bereits seit Ende 2006 gültigen allgemeinen Dienstanweisung über das Kassen- und Rechnungswesen des AWB gefragt und eine Überarbeitung vereinbart worden sei. „Wir haben wochenlang darüber diskutiert, und jetzt wird klar: Diese Konkretisierung gab es bereits“, stellt Rosenbauer fest.
Sein zentraler Vorwurf gegen Dittmann: „Er hat diese Information, dass es eine Dienstanweisung gibt, nirgendwo erwähnt. Weder beim Landrat, noch in der Öffentlichkeit, noch bei den Kreistagsmitgliedern.“ Erst durch die interne Recherche zu besagtem Gutachten sei der Umstand auch Landrat Enders bekannt geworden. Dadurch sieht die CDU das Vertrauensverhältnis zwischen Kreischef und Dittmann massiv beeinträchtigt.
Warum sich Werkleitung und Beigeordneter nicht freiwillig dazu geäußert hätten, darüber könne man nur spekulieren, so Rosenbauer, der aber vielsagende rhetorische Fragen stellt. Sowohl Richtung Schumacher: „Glauben Sie, dass man eine Dienstanweisung vergisst, die man dreimal in zwei Jahren angepackt hat?“Als auch Richtung Dittmann: „Glauben Sie, dass ein Beigeordneter, der neu in den Job kommt, nicht weiß, wo das Geld hinkommt?“
Spätestens nach dem Bekanntwerden der Greensill-Pleite habe Dittmann sich doch alle relevanten Unterlagen – und somit auch besagte Dienstanweisungen – vorlegen lassen müssen. „Das ganze Verhalten baut dem Eindruck vor, dass wir getäuscht werden sollten und das Ganze unter den Teppich gekehrt werden sollte“, wird Rosenbauer dann eindeutig.
Dittmann hält er dessen Zitat aus einem Gespräch mit der RZ Anfang November vor: „Wir sind Opfer und Betrogene, und keiner hier hat selbst einen Schaden verursacht“. Das sei nach dieser Sachlage nicht zu halten, die Ausgangssituation eine völlig andere. Die Schlussfolgerung der CDU: Wen Dittmann sich an den moralischen Maßstäben, die seine und andere Parteien an politisches Handeln anlegten, messen lassen wolle, dann könne nur eine persönliche Konsequenz – sprich: der Rücktritt – die Folge sein.
Besonders ärgern sich Rosenbauer und Wäschenbach in dem Zusammenhang über den von Bernd Becker (SPD) erhobenen Vorwurf gegen die alte Kreisspitze, sie habe nicht auf die geänderten Rahmenbedingungen durch den Wegfall der Einlagensicherung reagiert. Durch das Bekanntwerden der Dienstanweisung sehen sie Altlandrat Michael Lieber und den früheren Ersten Beigeordneten Konrad Schwan vollständig rehabilitiert und fordern eine Entschuldigung.
„Hier wird öffentliches Storytelling betrieben“, analysiert Michael Wäschenbach das Verhalten von Schumacher und insbesondere Dittmann. Dessen Narrativ: Nichts sei vorhersehbar gewesen, niemand trage Verantwortung, die Schuldigen seien außerhalb des Kreises zu suchen. Diesen „Geschichten“ vorzubeugen sei Sinn und Zweck des Pressetermins im Vorfeld der Kreistagssitzung am Montag. Außerdem, so Rosenbauer, seien die Ergebnisse des Gutachtens zu komplex, um sie allein in der Sitzung zu erörtern. Deshalb habe sich die CDU, die zuvor nie eine Pressemitteilung zum Thema veröffentlicht habe, entschlossen, die Öffentlichkeit zu suchen.
Von unserem Redakteur Michael Fenstermacher