Kreis Altenkirchen
Glasfaser in Altenkirchen: Kommt es zu einer Zweiklassengesellschaft?
Der Glasfaserausbau ist momentan im Kreis Altenkirchen ein großes Thema. Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Kunden, an das schnelle Internet heranzukommen. Eine einheitliche Lösung für den gesamten Kreis wird es aber nicht geben können.
Matthias Rietschel/dpa

Schnelles Internet auch in Altenkirchen – aber wie? Inzwischen gibt es mehrere private Anbieter auf Kundenjagd und auch Modelle, bei denen die öffentliche Hand gefragt ist. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Glasfaseranschluss.

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Der Glasfaserausbau ist momentan im Kreis Altenkirchen ein großes Thema. Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Kunden, an das schnelle Internet heranzukommen. Eine einheitliche Lösung für den gesamten Kreis wird es aber nicht geben können.
Matthias Rietschel/dpa

Das Thema Glasfaserausbau ist derzeit in aller Munde. Während die Deutsche Glasfaser in diesen Tagen in 50 Gemeinden im Kreis Altenkirchen noch einmal verstärkt für einen Vertragsabschluss wirbt, ist mit der Glasfaser plus (einer Tochter der Deutschen Telekom), inzwischen ein weiterer privatwirtschaftlicher Anbieter auf der Jagd nach Kunden. Auf der anderen Seite steht der staatlich geförderte Ausbau, bei dem allerdings die Kommune ins Boot einsteigen muss.

In einem Pressegespräch haben Landrat Peter Enders, Lars Kober (Leiter der Wirtschaftsförderung) sowie Projektleiter Joschka Hassel den Stand der Dinge rund um den Netzausbau erläutert.

1. Worin unterscheidet sich der eigenwirtschaftliche vom geförderten Glasfaserausbau?

Telekommunikationsunternehmen wie die Deutsche Glasfaser oder jetzt auch Glasfaser plus bieten einen kostenlosen Glasfaseranschluss bis ins Haus an. Im Gegenzug verpflichtet sich der Kunde, sich mindestens zwei Jahre an diesen Anbieter vertraglich zu binden. Beim staatlich geförderten Ausbau geht der Kunde diese Verpflichtung nicht ein. Der Landkreis scheibt die Leistungen aus und vergibt einen Auftrag. Dieses steuerfinanzierte Modell („Graue-Flecken-Programm“) sieht zwar eine Förderung von 50 Prozent durch den Bund und 40 Prozent durch das Land vor, die verbleibenden Kosten in Höhe von 10 Prozent muss aber die Heimatkommune tragen. Diese müsste dann nach Berechnung der Wirtschaftsförderung je Anschluss zwischen 750 bis 1400 Euro stemmen.

2.Worin unterscheiden sich die privatwirtschaftlichen Angebote untereinander?

Während bei der vertraglichen Bindungszeit von zwei Jahren kein Unterschied besteht, hat die Deutsche Glasfaser, die in 50 Kommunen im Kreis rund 36.000 Anschlüsse bereitstellen will, eine Vorvermarktungsquote von 33 Prozent eingebaut. Heißt: Ausgebaut werden nur Orte, in denen ein Drittel Vertragsabschlüsse zustande kommen. Hier endet die Frist Anfang Dezember – und der Zuspruch reicht aktuell von 43 Prozent in Burglahr bis zu 13 Prozent in Fürthen (nachzuschauen unter https:// glasfaser-ak.de). Die Glasfaser plus konzentriert sich bei ihrem Angebot auf Altenkirchen, Michelbach, Schöneberg und Weyerbusch – sowie in Konkurrenz zur Deutschen Glasfaser um die Stadt Wissen sowie um die Ortsgemeinden Flammersfeld und Horhausen (insgesamt 8400 Anschlüsse). Eine Vorvermarktungsquote besteht nicht.

3.Warum macht sich der Kreis für den privatwirtschaftlichen Ausbau stark?

Die Rechnung ist einfach: Der privatwirtschaftliche Ausbau spart Steuergelder, weil die Zuschüsse des Bundes und des Landes ebenso wie der Eigenanteil der Kommunen entfallen. Aufgrund des Interesse an privatwirtschaftlichen Ausbauprojekten kann der Kreis nun zweigleisig fahren. Dies sieht er auch mit Blick auf etwaige Veränderungen bei der Bewilligung von Zuschüssen positiv. Denn der Bund hat das Stellen von Förderanträgen für das Jahr 2022 gestoppt, auch wenn es die Zusage gibt, dass das Förderprogramm im kommenden Jahr fortgeführt werden soll. „Der Kreis wird, sobald eine Antragstellung möglich ist, einen Förderantrag für die förderfähigen Gebiete stellen“, so Kober.

Landrat Peter Enders benennt ein klares Limit für öffentlich geförderten Glasfaserausbau: 200 Millionen Euro.
Kreisverwaltung/Gerd Asmussen

4.Müssen förderfähige Gebiete, die nicht in den Genuss eines privatwirtschaftlichen Ausbaus kommen, um ihre Glasfaser bangen?

Der Kreis hat den Rechenstift gezückt. Für ihn hängt der Erfolg des Förderprojekts entscheidend vom Erfolg der eigenwirtschaftlichen Ausbauprojekte ab. Einen Förderantrag von maximal 200 Millionen Euro hält man für umsetzbar. Darüber hinaus dürfte es schwierig werden. „Nur wenn der geförderte Ausbau die magische Grenze von 200 Millionen Euro nicht überschreitet, ist dieser finanziell zu stemmen“, bringt es Landrat Enders auf den Punkt.

5.Entsteht durch die unterschiedlichen Angebote und Programme eine Zweiklassengesellschaft beim Glasfaserausbau?

Der Kreis räumt hier schon eine „Ungleichbehandlung“ der Kommunen ein und bezeichnet diese auch als unbefriedigend. Denn beim geförderten Ausbau bleibt der Restbetrag von zehn Prozent, den die Kommunen aus eigener Tasche zahlen müssen. „Dies leitet sich aber aus der vorgegebenen Ausbausystematik des Bundes ab“, heißt es.

6.Wie viele Anschlüsse kommen im Kreis Altenkirchen überhaupt für einen Anschluss infrage?

Die Summe aller theoretisch förderfähigen Adressen beziffert die Wirtschaftsförderung auf 40.479. Dieser Wert setzt sich aus den 53 960 Gebäuden zusammen, die über einen Telefonanschluss verfügen. Davon abgezogen werden müssen die 6393 Gebäude in der Alt-Verbandsgemeinde Betzdorf und der Ortsgemeinde Steineroth, die außerhalb des Fördergebietes liegen. Auch die 6298 Kabelnetzanschlüsse (Vodafone und Kevag), die 741 bereits vorhandenen oder sich im Bau befindlichen Glasfaseranschlüsse sowie geschätzte 49 schwer erschließbare Einzellagen müssen von der Gesamtzahl abgezogen werden. Reduziert wird diese theoretische Größe dann durch die Zahl der Anschlüsse, die privatwirtschaftlich umgesetzt werden – und von denen sich der Kreis dann eine deutliche Reduktion bei den benötigten Fördermitteln verspricht.

7.Und wie geht es jetzt beim geförderten Glasfaserausbau weiter?

Eine konkrete Kostenkalkulation pro Kommune hat die Wirtschaftsförderung den Verbandsgemeinden zugeschickt. Die Präzisierung der einzelnen Fördergebiete soll bis Ende des Jahres vorliegen. Dafür müssen die Kommunen gemeinsam mit den Breitbandbeauftragten der einzelnen Verbandsgemeinden eine Adressprüfung vornehmen. Haushaltsmittel, darauf macht Wirtschaftsförderer Kober aufmerksam, müssen im Haushaltsjahr 2023 weder in den Verbands- noch in den Ortsgemeindeetats veranschlagt werden. Ausnahme seien die Kommunen (vornehmlich in der VG Altenkirchen-Flammersfeld), die einen Doppelhaushalt für die Jahre 2023 und 2024 aufstellen. Die Kommunen können bis zur öffentlichen Bekanntmachung der Vergabe an der Teilnahme am „Graue-Flecken-Programm“ komplett oder auch teilweise zurücktreten.

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