Wenn die Welt kopfsteht, überfällt viele Menschen eine heftige Verstörung. Sie sehnen sich nach Erklärungen für die allgegenwärtigen Krisen und nach Antworten auf die drängenden Fragen unserer Gesellschaft. Peter Thomas kann von dieser Suche buchstäblich ein Lied singen. Seit Jahrzehnten widmet sich der leidenschaftliche Gitarrist und Sänger den Themen, die unsere Geschichte prägen. Unermüdlich ist er auf den Spuren derer, die sich mutig und ohne Rücksicht auf den eigenen Komfort zu Wort melden. Und da sind die deutschen Liedermacher ganz weit vorne.
Zum Saisonbeginn der Birnbacher Kirchenkonzerte war Peter Thomas nun mit einer Hommage an zwei Urgesteine der Szene zu Gast. Unter dem Motto „Lieder meines Lebens“ präsentierte der Birnbacher Künstler ausgewählte Titel von Wolf Biermann und Franz Josef Degenhardt, und es überraschte nicht, dass er es keinesfalls beim Vortrag der Songs beließ. Der „Liedersammler“ lieferte vielmehr eine solche Fülle an Hintergrundinformationen, dass Quereinsteiger ohne Vorkenntnisse gut beraten waren, die Kurzbiografien im Programmheft zu studieren und im Laufe der Moderationen am Ball zu bleiben. Peter Thomas hatte eben seine Hausaufgaben als Musiker und sorgfältiger Beobachter gründlich gemacht.

Der erste Konzertteil war dem 1936 in Hamburg geborenen Wolf Biermann gewidmet. Peter Thomas schickte den ausgewählten Liedern das „Große Gebet der alten Kommunistin Oma Meume in Hamburg“ vorweg – eine erschütternde Klage und ernüchternde Lebensbilanz. Dieser folgte die „Moritat auf Biermann seine Oma Meume in Hamburg“ und damit eine Erinnerung an eine Aktivistin, die nie aufgegeben hat. Neben dem sanften Liebeslied „Die grüne Schwemme“ zeigten „Soldat, Soldat“, „Der Hugenottenfriedhof“ oder „So soll es sein, so wird es sein“ ein erschreckendes, beklemmendes Antlitz.
Die Lieder des 1931 in Schwelm geborenen Franz Josef Degenhardt schwankten zwischen subtiler Ironie, bitterböser Abrechnung und einer gewissen Heiterkeit. Nicht fehlen durfte der legendäre Song „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“, den Peter Thomas mit Titeln wie „Wo sind eure Lieder?“, „Armer Felix“, „Deutscher Sonntag“, „Rumpelstilzchen“ oder „P. T. aus Arizona“ umrahmte. Texte voller Protest gegen Spießertum und verlogene Doppelmoral, die auch nach all den Jahren noch aufrütteln und manchen Zuhörer nachdenklich nicken ließen.
Respekt und Zuneigung des Publikums
Was aber ebenso tief berührte, waren der Respekt und die Zuneigung, die das Publikum Peter Thomas bereits mit jedem Zwischenapplaus entgegenbrachte. Er, der nie aufhört, den Finger in die Wunden der Vergangenheit zu legen, war auch in diesem Konzert vollends durchdrungen von seiner Mission, zu mahnen und zu erinnern. Dabei blieb er ganz er selbst – in sich ruhend, frei von eitlen Attitüden.
Nachdem sich der Musiker mit einer Zugabe verabschiedet hatte, applaudierten die Besucher begeistert im Stehen. Und das war die angemessene Würdigung für einen Abend, der trotz vieler historischer Exkurse nicht aktueller hätte sein können.