Sabine Bätzing-Lichtenthäler und Minister Schweitzer im Bürgerdialog in Hamm
Gefahr von rechts droht auch digital: SPD-Politiker diskutieren in Hamm über Demokratiestärkung
Diskutieren Strategien zur Stärkung der Demokratie (von links): Colin Haubrich, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Alexander Schweitzer und Philip Schimkat. Foto: Sonja Roos
Sonja Roos

Um Demokratiestärkung und den Kampf gegen Rechtsextremismus ging es am Freitagnachmittag in Hamm bei einer Podiumsdiskussion, zu der die Landtagsabgeordnete Sabine Bätzing-Lichtenthäler den Minister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitales, Alexander Schweitzer, (beide SPD) eingeladen hatte. „Das Thema ist mir eine Herzensangelegenheit“, so Bätzing-Lichtenthäler.

Mit Blick auf die zahlreichen Zuhörer – darunter auch einige Schulleiter und Lehrer – führe sie die Idee hinter der Veranstaltung aus: „Wir wollen ein Forum des Voneinander-Lernens schaffen und Menschen zusammenbringen, die sich tagein, tagaus für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen. Es gehe auch darum, über Bildungsarbeit in Parteien, Schulen, Vereinen, Verbänden und Gewerkschaften, demokratische Werte wie Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zu pflegen.

Die Ministerin brachte ihre Sorge zum Ausdruck, dass eine stabile Demokratie heute zwar nötiger denn je sei, aber auch von außen Angriffe erleide, wie sie schon lange nicht mehr da gewesen seien. „2023 gab es in Rheinland-Pfalz so viele rechtsmotivierte Straftaten wie noch nie: insgesamt 1245 Taten und damit 70 Prozent mehr als 2022. Propagandadelikte und rassistische Beleidigungen, Gewalttaten und ein versuchter Totschlag“, zählte Bätzing-Lichtenthäler auf und gestand: „Die braune Saat geht leider teilweise auf.“

Das alles sei nicht aus dem Nichts entstanden. „Es wurde angestachelt, ein Klima des Hetzens und Zuschlagen geschaffen. Täter haben offenbar das Gefühl oder die Überzeugung gewonnen, zu Taten schreiten zu können.“ Umso wichtiger seien fünf grundlegende Punkte, damit die Demokratie nicht in die Knie gezwungen werde: Jugend- und Bildungsarbeit, Hass und Hetze bekämpfen – vor allem auch im Netz, wo diese ungefiltert bei den jungen Leuten ankommen, Polizei und Verfassungsschutz die Möglichkeit geben, gegen die Finanzströme von Rechtsextremisten vorzugehen, die AfD mit ihrer braunen Gesinnung zu entlarven, sowie als Volk gemeinsam eine Brandmauer gegen Rechtsextremismus zu bilden.

Nach dieser deutlichen Botschaft übernahm Schweitzer das Mikrofon, der wie seine Parteikollegin versuchte, gemeinsam mit dem Publikum Demokratie-Bausteine und Demokratie-Booster zu identifizieren und vor allem zu überlegen, wie man die Jugend erreichen kann. Denn hier hatte der Digitalisierungsexperte Schweitzer schlechte Nachrichten im Gepäck: die AfD sei da viel weiter als andere Parteien, nehme schon in den Kinderzimmern Einfluss und das nicht unbedingt unter eigener Flagge, sondern mithilfe von Influencern. Besonders auf der bei jungen Leuten beliebten Plattform Tiktok, die, überhaupt nicht reguliert sei und damit einen rechtsfreien Raum bilde.

Gerade zugespitzte Postings von Rechtsradikalen, in denen mit Mitteln der Übertreibung gearbeitet und wo alles in Superlativen verkauft werde, fänden Beachtung. Da würde dann sowohl in die eine wie auch die andere Richtung kommentiert, was sich wiederum der Algorithmus merke, so dass solche Beiträge ganz nach oben gespült würden. „Wir sollten den Mut haben und sagen, so eine Plattform findet in Europa nicht mehr statt“, so Schweitzer, der anfügte: „Ich hoffe, die EU hat noch die Kraft dazu.“

Das alles klingt erst einmal wenig hoffnungsvoll, zumal der Minister zugab, dass die Pandemie vielen Problemen noch Vorschub geleistet habe. So sei Einsamkeit, sowohl bei jungen wie auch bei alten Menschen ein großes Thema – und Einsamkeit mache offen für die kruden Ideen von Verschwörungstheoretikern sowie für rechtsradikales Gedankengut. Umso wichtiger sei eine frühzeitige Partizipation junger Menschen, weshalb er für eine Absenkung des Wahlalters plädierte, denn das Mindeste, was man als Demokrat tun könne, sei, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen.

Die aktuellen Zeiten würden ihn oft an die Endphase der Weimarer Republik vor dem Nationalsozialismus erinnern. Aber es erleichtere und freue ihn, wie viele Menschen derzeit aufstünden, um sich gegen Hass und Hetze zu positionieren. Auch gebe es überall Beteiligungsmöglichkeiten: in der Schule, der Nachbarschaft, im Verein und in Orts- und Verbandsgemeinderäten – auch das sei gelebte Demokratie.

Im Anschluss an Schweitzers Vortrag gab es noch eine Diskussionsrunde, von Philip Schimkat moderiert, an der, neben den beiden Ministern, auch Juso-Vorsitzender Colin Haubrich, SPD-Kreisvorsitzender Jan Hellinghausen, sowie der Schülersprecher des Freiherr-vom-Stein Gymnasiums in Betzdorf, Yasin Kasan, teilnahmen.

Von Sonja Roos

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