Die Brachbacherin Christel Hussing, die Witwe des international bekannten Schwergewichtsboxers Peter Hussing, engagiert sich seit Jahren bei der Bürgerinitiative (BI) Siegtal, die sich vor allem gegen Windräder auf den Höhen rund um Brachbach und Mudersbach einsetzt. Seit dem Tod ihres Mannes 2012 ist sie zudem Vorstandsmitglied im Landesbündnis „Energiewende für Mensch und Natur Rheinland-Pfalz/Saarland“.
Aktuell wendet sich Hussing, die auch Ratsmitglied ist, mit der BI gegen die Pläne, in Eiserfeld (Nordrhein-Westfalen) vier 260 Meter hohe Windräder auf dem Höhwald zu errichten, die auch in den beiden Orten im AK-Land gut sichtbar wären. Dabei bringt sie auch bergbau-historische Argumente gegen den von den Haubergsgenossen anvisierten „Windpark Kreuzeiche“ vor.
Längst hatten sich die Eiserfelder Haubergsgenossen mit einer detaillierten Stellungnahme zu dem Windpark an die Öffentlichkeit wenden wollen; indes ist eine solche bislang ausgeblieben. Das wurmt auch Christel Hussing: „Ich habe noch immer keine genauen Angaben von den beiden Vorhaben im Oberschelder Hauberg. Auch die Mudersbacher und Brachbacher Haubergsgenossen, die Anteile auf dem Giebelwald haben, äußern sich nicht.“
Zu geringer Abstand der Windräder zu Eiserfelder Siedlung bemängelt
Auch der Mudersbacher Ortsbürgermeister Christian Peter habe ihr nicht mehr sagen können. „Offensichtlich ist die Gangart der Haubergsgenossen“, so Hussing, „wie jetzt auf der Kreuzeiche, die Planungen so lange wie möglich zurückzuhalten, damit der Zeitraum für kritische Unternehmungen und Argumentationen möglichst gering gehalten wird.“
Ein Kritikpunkt der BI-Sprecherin ist der ihrer Ansicht nach zu geringe Abstand der Windräder zu der kleinen Eiserfelder Siedlung „Auf dem Kaiserschacht“ nahe dem ehemaligen Bergwerk „Eisenzecher Zug“. Diese Siedlung liegt im Tal zwischen Eichert (438 Meter), Pfannenberg (499 Meter), Römels-kopf (470 Meter) und der Kreuzeiche (473 Meter). „Auf diese letzte Höhe kommen dann noch einmal die Windräder oben drauf. Die Menschen auf dem ,Kaiserschacht' befürchten, dass durch die Verdichtung des Erdreiches heftige Regengüsse nicht mehr wie bisher im Waldboden versickern, sondern mit nicht kalkulierbaren Folgen ins Tal schießen. Nach der Katastrophe im Ahrtal im letzten Jahr kann ich diese Angst gut verstehen.“
Edelgard Wirths vom „Kaiserschacht“ ist bereits seit 2013 Mitglied in der BI Siegtal. „Viele hier in der Siedlung sind besorgt“, erklärt sie im im RZ-Gespräch. „Wenn bei einem Starkregen der ganze Bergrücken mit runterkommt, dann sind wir hier gefährdet. Mein Haus ist zum Beispiel nur halb unterkellert, dann würde das ganze Gebäude weggeschoben oder kippt ins Nachbarhaus.“
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Gefahr vor Eiswurf?
Auch habe sie Angst vor Eiswurf: „Wir sind ziemlich nah an diesen Großanlagen dran. Man hört von 600 bis 850 Metern Abstand. Der Eisregen hat bei diesen Höhen eine Reichweite bis zu 1000 Meter und mehr. Wenn uns so ein Eisbrocken aufs Dach fällt, wer bezahlt dann den Schaden? Und wenn die Wahrscheinlichkeit auch noch so gering ist: Es könnte auch ein Mensch getroffen werden. Manche hier haben auch Angst vorm Infraschall. Und was ist mit Schattenwurf und Lärmbelästigung ...?“
Generell nennt die Bürgerinitiative Siegtal trotz der Energiekrise im Gefolge von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine folgende Argumente gegen den massiven Ausbau der Windkraft durch die „forcierte Energiewende“:
- Es gibt noch immer keine großtechnischen Speicher. Daher sind Windkraftanlagen hochvolatil. Eine sichere Stromversorgung ohne Back-up-Kraftwerke ist nicht möglich.
- Es gibt keine Vergleichmäßigung der Leistungseinspeisung (auch europaweit nicht), da Wetterlagen großflächig sind. Wenn also in Deutschland kein Wind ist, dann ist auch im europäischen Ausland Flaute.
- Durch die Doppel- und Mehrfachstrukturen und zeitweise Stromknappheit entstehen hohe Stromkosten. Zusätzlich muss ein wachsender Anteil an erneuerbarer Energie mit Negativstrompreisen „verklappt“ werden.
- Windräder erfordern einen großen Materialverbrauch, verbunden mit hohen Kosten. Der Rohstoffbedarf bezogen auf produzierte kWh relativ zu Kohle und Kernenergie ist sehr hoch; daher gibt es seit den letzten Jahren sehr große Kostensteigerungen.
- Es gibt keine Nachhaltigkeit für lange Zeiträume: Notwendig ist eine Ersatzbeschaffung neuer Anlagen nach relativ kurzer Nutzungszeit (20 Jahre) für hohe Stückzahlen (mehr als 100.000 Anlagen bei angepeilten Ausbauzielen).
- Bis jetzt gibt es keinen Hinweis auf Erreichung des eigentlichen Ziels der Energiewende: CO2-Einsparung durch den bisherigen Ausbau der Windenergie.
- Windkraftanlagen erfordern einen hohen Flächenverbrauch, auch der Horizont wird verbaut. In Deutschland sollen 2 Prozent Windflächen für 250/300 Meter hohe Windturbinen ausgewiesen werden, auch in Wäldern und Landschaftsschutzgebieten.
- Wälder und Landschaftsschutzgebiete als Naherholungsräume werden zerstört.
- Die neuen Regelungen für den Artenschutz müssen auf ihre Vereinbarkeit mit europäischem Recht überprüft werden. Windkraftsensible Arten, kleine Vögel, Fledermäuse und Insekten müssen weiterhin geschützt werden.
- Lebensbedingungen und Gesundheit der Anwohner (Schattenwurf, Lärm, Infraschall) werden beeinträchtigt.
- Unsere Region ist ein „Schwachwindgebiet“. Es sind keine wirtschaftlichen Beträge zu erwarten.
- Durch den Bau und die Zuwegungen wird der Boden befestigt, was Bodenlebewesen schadet und die Wasserführung stört.
- Durch Zementabwaschungen des Sockels und mögliche Öl-Leckagen wird die Trinkwassergewinnung vor Ort gefährdet.
Hussing und ihre weiteren Kämpfe
Christel Hussing sagt: „Ein Nabu-Gutachten kam noch 2018 zu dem Ergebnis, dass sich die damaligen Klimaziele ohne einen weiteren Ausbau von Windkraft und Biogas erreichen lassen. Vor dem Hintergrund und einschließlich des Kriegs in der Ukraine sind die Maßnahmen der Bundesregierung und ihres Wirtschaftsministers Anfang 2022 zu hinterfragen.“
Hussing engagiert sich auch in Freudenberg gegen Windräder. Hier wird seit Jahren um einen Windpark auf dem Knippen gestritten. „Seit 2015 stehe ich an der Seite der Knippener in Freudenberg“, berichtet die streitbare Brachbacherin. „Wir haben sechs gerichtliche Auseinandersetzungen hinter uns, letztlich warten wir auf das endgültige Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster. Heute muss man allerdings nicht mehr fragen, wie das aussehen wird. Aber wir haben uns alle bemüht.“