Legenden leben auch nach ihrem Tod, besonders wenn ihr Vermächtnis ins Ohr und ins Herz geht. Genau das erlebten mehr als 800 Gäste im restlos ausverkauften Kulturwerk in Wissen. Zum wiederholten Mal veredelten mehr als ein Dutzend heimische Musiker den Jahreswechsel mit ihrem kultigen „Heritage“-Konzert.
“Im Jahre 2023 sind viele Musiker gestorben, die sozusagen in der zweiten Reihe tätig waren, die aber großen Bands zu ihrem Ruhm verholfen haben„, sagte Moderator und Sänger Bernd Guternatsch zu Beginn des mehr als dreieinhalbstündigen Konzerts. Das hatte es in sich, im wahrsten Sinne des Wortes, denn von Rock über Pop, von Country über Folk bis hin zu sanften Balladen reichte das Repertoire der insgesamt 15 Akteure auf der Bühne, alles serviert mit Können, Hingabe und mitreißender Leidenschaft.

Der Beginn: eine legendäre Hymne! Mit “Eye in the Sky„ vom Alan Parsons Project versetzen die Protagonisten schon zu Beginn das Kulturwerk um Jahrzehnte zurück in eine Ära, in der es keine Handys gab und keine Computer, in der aber die Magie von reiner, unverfälschter Musik eine ganze Generation bewegte. Schon dafür gibt es anhaltenden Applaus und vielfache “Bravo„-Rufe – was sich bis zum Ende fortsetzte. So auch beim zweiten Stück, bei dem das “Lady-Trio„ des Ensembles mit dem Song “The purple speed queen„ von Curved Air eine Spur Hardrock-Feeling in den Saal brachte (Tanz und gesangliche Höchstleistungen inbegriffen), ebenso wie Joi Dreisbach kurz danach mit “Fresh„ die etwas sanftere Version des Musikstils.
Was dann folgte, lässt sich vielleicht am ehesten mit dem Poker-Begriff “All In„ charakterisieren, denn alle Musiker gaben buchstäblich alles: Ob es Bernd Gudernatsch, JoJo Weber, Joi Dreisbach, Melanie Bernhard, Kerstin Wittenius und Kerstin Kargel an den Mikrofonen waren, die mal mit sanften, mal mit rockigen Stimmen begeisterten, Matthias Mille, Jörg Schenk und Ralf Friedrich an den Gitarren, Armin Lübcke und Micha Becher an den Keyboards, Guillermo Banz am Schlagzeug, Moritz Mann an den Percussion-Instrumenten, Lothar Jung am Bass oder Dominik Engel an der Geige, sie alle ließen mit viel Gefühl und einer hohen Authentizität eine Welt auferstehen, die sicherlich viele Besucher in ihre Jugend zurückversetzte: musikalische Zeitreisen in Discos, erste Liebe und Zukunftsträume.

Zu jedem Song erzählte Gudernatsch eine kleine Geschichte von denjenigen, die diese Musik geschaffen haben und an die dieser Abend besonders erinnern soll. So auch beim Song “You Aint Seen Nothing Yet„von Bachmann-Turner-Overdrive , bei dem der “Stottergesang„ im Refrain eher Zufall war: “Die Musiker waren damals im Tonstudio, alles ohne künstliche Intelligenz„, sagte er und beschrieb humorvoll, dass der Sänger die abgehackten Sequenzen quasi für seinen stotternden Bruder improvisiert habe: Den daraus entstandenen Welthit interpretierte JoJo Weber im Kulturwerk in einer Rock-Version, die erneut für Begeisterungsstürme sorgte.
So wie anschließend der nahezu sphärisch wirkende Gesang von Kerstin Kagel, die die Liedzeilen von Sinead O`Conners “Nothing Compares 2 U„ in ebenso meisterlicher Weise in den Saal transportierte wie Kerstin Wittenius kurze Zeit später “Please Mr. Postman“. Choral wird es, als Gudernatsch, Weber, Dreisbach und Bassist Lothar Jung (Urgestein und Hauptinitiator von Heritage) unter fulminanter Begleitung ihrer Mitstreiter das Kulturwerk für wenige Minuten mit dem Harry-Belafonte-Hit „Island in the Sun“ in karibisches Flair tauchen. Auch hier sprang der Funke flott über und viele Besucher sangen mit.

Ebenso beim letzten Song des offiziellen Teils vor den vehement geforderten Zugaben: JoJo Weber sang Steve Harleys Kulthit „Sebastian“, in Tonlage und Attitüde ganz nah am Original, so wie nahezu alle Songs an diesem Abend, der nicht nur im Jahre 2023 verstorbene musikalische Genies ehrte, sondern darüber hinaus in eine Welt versetzte, die auch heute noch lebendig ist, in den Erinnerungen und in einer unbeschreiblichen Musik.