Laut der Handwerkskammer in Koblenz waren es zum 31. Dezember 2020 im Kammerbezirk 8034 Auszubildende, davon waren 1509 Frauen, das ist ein Anteil von 19 Prozent. Dieser Anteil entspricht dem der vergangenen Jahre. Der Anteil bei von Frauen geführten Handwerksbetrieben ist sogar noch höher: Im Kreis Altenkirchen liegt er bei 25,93 Prozent, oder in Zahlen: 441 Betriebe.
Gerade bei Berufen, in denen auch harte, körperliche Arbeit im Vordergrund steht, scheuen sich Mädchen und Frauen jedoch oftmals noch, eine Karriere anzustreben. Die RZ hat zwei Mädchen getroffen, die sich davon nicht abschrecken ließen.
Merle Hasselbach aus Michelbach ist 18 Jahre jung und im dritten Lehrjahr als Schreinerin bei der Möbelwerkstätte Gert Schumann in Altenkirchen. „Meine Familie fand es cool, als ich mich dafür entschieden hab“, erinnert Merle sich. Es läge auch ein bisschen in der Familie, viele arbeiteten im Handwerk, der Opa war ebenfalls Schreinermeister.
Gut gegen den Fachkräftemangel
Ihr Weg stand für Merle schon früh fest. Bereits in der Schule schnupperte sie bei ihrem jetzigen Lehrbetrieb mehrfach in den Berufsalltag rein. „Ich glaube, wir hatten keinen, der so oft zum Praktikum da war wie Merle“, sagt ihr Ausbilder Stefan Fuchs. Die Schülerin absolvierte je ein drei- und ein zweiwöchiges Praktikum bei der Möbel-Werkstätte, dazu war sie ein halbes Jahr jeden Dienstag da für ihren Praxistag und auch nach dem Schulabschluss überbrückte sie die Zeit bis zur Ausbildung mit Praktika. So war sie schon gut eingearbeitet, als sie 2019 mit ihrer Ausbildung begann.
„Es war gar keine Frage, dass wir Merle genommen haben“, so Stefan Fuchs, der aber auch weiß, dass der Anteil an weiblichen Bewerbern sehr gering ist. „Von etwa 10 Bewerbungen im Jahr für die Werkstatt ist vielleicht mal eine von einer Frau dabei.“ Umso beachtlicher, das Merle nicht die einzige weibliche Auszubildende bei Schumann ist. Von den derzeit sieben Azubis sind zwei weiblich.
„Von etwa 10 Bewerbungen im Jahr für die Werkstatt ist vielleicht mal eine von einer Frau dabei.“
Stefan Fuchs, Ausbilder bei der Möbel-Werkstätte Gert Schumann
Anna Lea Schütz aus Wissen hat gerade frisch angefangen. Auch sie will Schreinerin werden. „Es gefällt mir sehr gut. Die Arbeit macht Spaß, es war die richtige Entscheidung“, sagt sie. Auch Anna Lea kommt aus einer Handwerkerfamilie. „Ich hab schon früher immer mit meinem Papa Sachen zusammengebaut. Und mein Bruder ist auch Tischler hier.“
Die beiden jungen Frauen wollen auf jeden Fall in ihrem Beruf bleiben, wenn die Ausbildung vorbei ist. Das ist gut, denn Stefan Fuchs weiß, dass der Fachkräftemangel auch daher kommt, dass viele Auszubildende am Ende ihrer Lehrjahre noch Weiterbildungen machen oder studieren und so gar nicht in den Beruf einsteigen. Auch die Qualifikation der Bewerber habe abgenommen, hat Eileen Rzytki festgestellt, die Assistentin der Geschäftsführung bei der Möbel-Werkstätte Gert Schumann ist.
„Und dabei sind es nicht immer nur die Noten, oft geht es hier auch um hohe, nicht entschuldigte Fehlzeiten.“ Und Stefan Fuchs weiß, dass sich viele Bewerber heute eher kurz vor knapp melden, nicht wie früher, wo die Interessenten sich teils schon ein Jahr im Voraus um einen Ausbildungsplatz bemühten. Vielleicht ebnet dieser Umstand auch den Frauen den Weg in Berufsfelder, die bislang oft eher männlichen Bewerbern vorbehalten waren.
Kunden schauen manchmal noch überrascht, wenn sie Handwerkerinnen antreffen
Was das Körperliche angehe, so würde man schon genau darauf achten, auf welchen Baustellen Merle oder später dann auch Anna Lea eingesetzt würden, sagt Stefan Fuchs. „Wenn es darum geht, dass schwer getragen werden muss, ist hier in der Werkstatt immer jemand da, der mit anpackt. Das ist auf der Baustelle anders, da muss man dann eben drauf achten.“ Aber ansonsten sei es ein Vorurteil, dass Frauen den Job nicht so hinkriegen könnten wie Männer, weiß Stefan Fuchs – im Gegenteil, so manch männlicher Bewerber sei auch nicht stärker als die beiden Mädchen.
Trotzdem gäbe es auch immer wieder Kunden, die überrascht wären, wenn man weibliche Mitarbeiter zu einer Baustelle mitbringen würde. „Einmal hat einer zu mir gesagt: Herzlichen Glückwunsch, Sie sind die erste, die ich hier erlebe“, erinnert sich Merle.
Sie überlegt übrigens schon, was sie als Gesellenstück anfertigen will, „vermutlich eine Kommode mit zwei Türen und zwei Schubladen und Rattangitter.“ Ihr gefällt das Arbeiten mit Holz, der Geruch, das Nachhaltige. „Und es ist schön, dass man am Ende des Tages sieht, was man geschafft hat.“