Es war schon ein Paukenschlag, als Bundestagspräsidentin Julia Klöckner am Dienstagvormittag verkündete, dass Friedrich Merz im ersten Wahlgang nicht die erforderliche Stimmenmehrheit erreicht hat, um neuer Bundeskanzler zu werden. Dazu bedurfte es dann Stunden später einer zweiten Abstimmung. Wie ist diese denkwürdige Bundestagssitzung im AK-Land aufgenommen worden? Sowohl der CDU-Kreischef Matthias Reuber als auch Jan Hellinghausen, Co-Vorsitzender der SPD, sprechen sich dafür aus, dass das Scheitern des neuen Regierungschefs im ersten Anlauf nicht überbewertet wird.
„Ich habe den Dienstag mit Bürgergesprächen und der Vorbereitung unserer Kreisvorstandssitzung verbracht und die Kanzlerwahl zunächst nebenbei verfolgt“, so Reuber im Gespräch mit unserer Zeitung. Friedrich Merz sei im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt worden, das sei gut und „ein wichtiges Zeichen für unser Land und Europa“, so der Landtagsabgeordnete. Jetzt gelte es, dass die neue Regierung schnell anfange zu arbeiten und Lösungen für die Probleme in unserem Land findet. Dennoch räumt der CDU-Mann ein, dass der Start nicht optimal war. Zu hoch hängen will er die Abstimmungsniederlage in Runde eins aber auch nicht. „Wenn Friedrich Merz mit seiner Regierung nun durch gute Politik für die Bürgerinnen und Bürger in unserm Land überzeugt, wird über die Umstände der Wahl in wenigen Monaten niemand mehr reden“, ist Reuber überzeugt.
„Sauerländischer Trump“ unerwünscht
Von einem „Novum in der bundesrepublikanischen Geschichte“ spricht sein sozialdemokratisches Gegenüber Jan Hellinghausen mit Blick auf das Abstimmungsergebnis zur Kanzlerwahl. Dennoch sei dies Teil des demokratischen Prozesses. „Ich habe die zweite Abstimmung am Nachmittag in der Liveübertragung verfolgt“, berichtet der Genosse. Für ihn zeige das Ergebnis auch, dass Merz nicht als „sauerländischer Trump“, wie ihn einige Medien im Vorfeld der Wahl bezeichnet hätten, diese Bundesregierung führen könne, sondern parteiübergreifende Zusammenarbeit jetzt Chefsache sein müsse. Die Zusammenarbeit mit den Linken setze hier ein deutliches Signal. Hintergrund: Erst durch die Zustimmung der Linken – und von Bündnis 90/Die Grünen – wurde im Bundestag die erforderliche Zweidrittelmehrheit dafür erreicht, dass ein zweiter Wahlgang noch am selben Tag stattfinden konnte.
Auf die Frage, ob sich der neue Vizekanzler und Co-Parteivorsitzende Lars Klingbeil verzockt habe, antwortet Hellinghausen: „Die SPD steht zu ihrer Verantwortung und zum eindeutigen Ergebnis des Mitgliederentscheids. Hieran, davon bin ich überzeugt, hat und wird sich die Bundestagsfraktion halten.“ Aus seiner Sicht sollte man die Ereignisse im Reichstag nicht überdramatisieren. Es gehe nun darum, möglichst schnell in den Arbeitsmodus zu kommen. Erst danach sollte eine erste Bilanz erfolgen, so seine Überzeugung.
Was die Bundestagsabgeordnete Ellen Demuth sagt
Als für den Wahlkreis Neuwied-Altenkirchen frisch gewählte Bundestagsabgeordnete erlebte Ellen Demuth (CDU) die historischen Stunden in Berlin hautnah mit. Auch ihre Stimme ist ein maßgeblicher Baustein für den angehenden Kanzler. Vor der Wahl hatte sich Demuth gegenüber unserer Zeitung klar für Friedrich Merz als Bundeskanzler ausgesprochen. Auf die Frage, wie sie die Situation nach der gescheiterten Wahl im Bundestag einschätzt und welches weitere Vorgehen sie für sinnvoll halte, schreibt die Linzerin kurz und knapp: „Ich werde während der laufenden Beratungen keine spekulativen Fragen zum weiteren Verfahren beantworten.“ Wenig später ist klar: Es wird noch am Dienstagnachmittag einen zweiten Wahlgang geben. Aus diesem geht schließlich Friedrich Merz als gewählter Kanzler hervor. mwa