Der Mai 2000 hatte viel zu bieten: Der FC Bayern holte das Double, in Florida startete eine Space-Shuttle-Mission und in Wissen wurde die Zukunftsschmiede aus der Taufe gehoben: Somit schlug damals auch die Geburtsstunde des Arbeitskreises Kultur, einer von zunächst vier (heute fünf) Untergruppen der Wissener Zukunftsschmiede. 25 Jahre später kann der Arbeitskreis Kultur, dessen Bezeichnung „Wissener Eigenart“ ursprünglich rein das Veranstaltungsformat bezeichnete, jetzt sein Silbernes Jubiläum feiern.
Und da mangelt es den Ehrenamtlern weder an Ideen noch an Tatkraft. Gemeinsam mit Dominik Weitershagen und seinem Team vom Kulturwerk haben sie ein fulminantes Programm für die kommenden Werktage zusammengestellt. Sieben großartige Konzerte beziehungsweise Auftritte füllen den Kulturkalender der kommenden Wochen und Monate. Anlässlich des Jubiläums kommen sowohl Hochkaräter wie Colosseum (26. April) und Gregor Meyle & Band (20. Juni) als auch weniger bekannte Bands wie Voyager IV (30. Mai) und Lucy van Kuhl (12. Juni) an die mittlere Sieg. Ein Wiedersehen wird es mit dem Kölner Ensemble von „Stunk Unplugged“ (28. Mai) sowie mit Kabarettist Jürgen Becker (15. Juni) geben, dann schließt sich sozusagen ein Kreis, denn die beiden Kulturexporte aus der Domstadt waren schon 2009 bei den ersten Werktagen im Kulturwerk dabei.

Zurück also zum Arbeitskreis Kultur: Jahre nach dem Niedergang des identitätsstiftenden Walzwerks kam die ungeheure Aufbruchstimmung gerade zur rechten Zeit; sozusagen ein Weckruf nach jahrelangem Dornröschenschlaf. In großer Zahl meldeten sich die Wissener bereit, aktive Kulturarbeit zu betreiben und dieses junge Pflänzchen zu hegen. Von Beginn an schwebte der Begriff der „Industriekultur“ mit im Raum, vor allem der frühere Arbeitskreisleiter Berno Neuhoff erkannte früh das Potenzial. In diesem Sinne unternahmen die Eigenartler schon früh Infofahrten ins Ruhrgebiet und holten sich dort Inspirationen. Rückblickend spricht Neuhoff von der „größten positiven Bürgerbewegung in Wissen“. Mit viel gemeinsamer Tatkraft von Bürgern, Verbandsgemeinde und der Spedition Brucherseifer sei der Traum „kulturWERK“ Wirklichkeit geworden. Der heutige Bürgermeister leitete den Arbeitskreis Kultur von 2000 bis 2017 und gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Fördervereins.
Kennzeichnend für die Anfangsjahre war der stetige Ortswechsel – mangels Kulturwerk (das kam erst 2009) hauchten die Kulturenthusiasten den unterschiedlichsten Spielstätten Leben ein. Vom ehemaligen Hoesch-Gelände (Magazinhalle, große Versand- und Lagerhalle) über das katholische Pfarrheim und die Turnhalle der ehemaligen Hauptschule bis zum Refugium-Seniorenzentrum (heute St. Josef) und dem Alten Zollhaus. Auch draußen auf dem Kirchplatz („Halbmond“) und in den Gemeinden des Wisserlandes kam das Publikum zusammen.

„Der Zuspruch war riesig“, erinnert sich der heutige Arbeitskreisleiter Michael Stahl. Das gilt unverändert auch für die Motivation der Ehrenamtler. Personell startete die „Wissener Eigenart“ mit rund 25 Freiwilligen, in späteren Hochphasen waren es mehr als 40. „Andere Kulturakteure haben uns beneidet“, unterstreicht Mitbegründerin Maria Bastian-Erll und liefert eine mögliche Erklärung für das gute Echo: „Die Künstler wussten die Freundlichkeit und den Service genauso zu schätzen wie das Publikum.“
Arbeit gab es von Anfang an mehr als genug; Stühle schleppen, Leisten montieren, Stromversorgung sicherstellen und vieles mehr. Trotz aller Fluktuation ist die Eigenart ein zupackendes und verlässliches Team geblieben; damals wie heute zählt der ’harte Kern’ etwa 10 bis 15 Köpfe. Nachwuchsprobleme gibt es kaum, nach Corona haben auch wieder ein paar junge Leute den Weg zum Arbeitskreis gefunden. „Die Mischung macht’s“, freut sich Stahl, „wir können uns im Moment nicht beschweren.“

Und auf der Bühne? Viel Nachholbedarf gab es anfangs zum Beispiel in Sachen Kabarett – den stillten etwa namhafte Künstler wie Dieter Hildebrandt, Alice Hoffmann und das Frankfurter Fronttheater, ebenso Bill Mockridge und Pause & Alich. Lokale Vereine und regionale Kulturschaffende wurden ebenfalls miteinbezogen, vom Geheimen Küchenchor über das Team der Musicalkultur Daaden bis zu Tanzgruppen. Literaturabende sowie Gemälde- und Fotoausstellungen rundeten das Portfolio ab. Nicht zu vergessen die riesigen Publikumsmagnete „Musik und Theater“ sowie in späteren Jahren die sieben NachtSchichten.
Eine wichtige Verstärkung erfuhr die Wissener Eigenart im Juni 2002 durch die Gründung des Fördervereins kulturWERKwissen – blechen Sie mit!“ Spenden konnten so besser adressiert und Erlöse zwecknah reinvestiert werden. Bis heute hat der Förderverein rund 160.000 Euro zum Budget des Kulturwerks beigetragen. Doch erst die vielfältige Unterstützung aus der Kommunalpolitik, etwa von Alt-Bürgermeister Michael Wagener, von heimischen Unternehmen, der Volkshochschule und durch überzeugte Sponsoren ließ damals den Kultur-Traum wahr werden und half dabei, die eine oder andere Hürde zu überwinden.
„Er hat gesagt: Ich hab euch das versprochen. Und er hat sein Wort gehalten.“
Michael Stahl über Privatinvestor Ulrich Brucherseifer.
„Aber ohne Uli Brucherseifer wäre das alles nicht passiert“, nennt Michael Stahl dankbar denjenigen, der die entscheidende Investitionszusage tätigte. 2003 kaufte der Spediteur das gesamte ehemalige Walzwerk-Areal und versprach seiner Heimatstadt eine sinnvolle Entwicklung der Gewerbefläche und den Eigenartlern eine attraktive Spielstätte. Der Wissener hielt Wort und steckte sehr viel Geld in das Projekt (der Umbau der ehemaligen Ausbildungshalle zum heutigen Kulturwerk kostete damals rund 1,8 Millionen Euro, wovon das Land lediglich gut zehn Prozent übernahm). 2019 ernannte die Stadt Wissen Ulrich Brucherseifer dafür verdientermaßen zum Ehrenbürger.
Heute hat die Wissener Eigenart allen Grund, sich auf fantastische Jubiläums-Werktage zu freuen.
Werktage im Kulturwerk
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens lädt der Arbeitskreis Kultur zu sieben Veranstaltungen ins Kulturwerk ein:
- 26. April: Colosseum (drei Künstler aus der Originalbesetzung plus drei Neue)
- 28. Mai: Stunk unplugged
- 30. Mai: Voyager IV
- 7. Juni: Albie Donnelly’s Supercharge
- 12. Juni: Lucy van Kuhl & Es-Chord-Band
- 15. Juni: Jürgen Becker – Deine Disco
- 20. Juni: Gregor Meyle & Band
Tickets gibt es zum Beispiel über den Reservix-Shop der auf der Internetseite des Kulturwerks.